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Die phänomenologische Forschungsrichtung in der Psychopathologie
unfruchtbar in bezug auf weitere wissenschaftliche Untersuchungen gehalten werden.
Es besteht das Verlangen, auf den objektiven Symptomen allein die Lehre von den Gei-
315 steskrankheiten auf|zubauen, und das Ideal, alle subjektiven Symptome völlig zu eli-
minieren. Es ist das eine Anschauung, die ebenso in der Psychologie wie in der Psy-
chiatrie ihre mehr oder weniger konsequenten Vertreter findet. Eine objektive Psychologie
stellt sich einer subjektiven Psychologie gegenüber. Die erste will nur mit objektiven
Daten arbeiten und führt in ihrer Konsequenz zu einer Psychologie ohne Seelisches,804
die letztere, welche den andersartigen Wert der ersteren übrigens nie zu verkennen
pflegt, hält auf Selbstbeobachtung, subjektive Zergliederung, auf Feststellung der
Daseinsweisen des Seelischen, der Eigenart der Phänomene, und gibt solchen Unter-
suchungen auch dann Wert, wenn sie ohne alle objektiven Anhaltspunkte gemacht
werden. Beispiele der objektiven Psychologie sind breite Kapitel aus der Lehre von der
Sinneswahrnehmung, Gedächtnismessungen und die Untersuchung der Arbeitskurve
mit ihren Komponenten. Wir nehmen die letztere als Beispiel, um uns daran bewußt
zu machen, daß diese Untersuchungen planmäßig zu einer Eliminierung des Seeli-
schen führen. Nicht Ermüdungsge/uWe (Müdigkeit), sondern objektive Ermüdung wird
untersucht. Alle Begriffe wie Ermüdbarkeit, Erholbarkeit, Übungsfähigkeit, Übungsfe-
stigkeit, Pausenwirkung usw. beziehen sich auf objektiv meßbare Leistungen, wobei es
ganz gleichgültig ist, ob es sich um eine Maschine resp. einen seelenlosen lebenden
Organismus oder um einen beseelten Menschen handelt. Allerdings pflegen solche
objektiven Untersuchungen dann sekundär - natürlich mit vollem Recht - subjektive
seelische Phänomene zur Deutung oder zum Vergleich mit den objektiven Leistungen
heranzuziehen. Dann wird die subjektive Psychologie benutzt, von der in diesem Auf-
satz die Rede sein soll. Nun ist es kein Zweifel, daß die objektive Psychologie handgreif-
lichere, sicherere, für jedermann leichter faßliche Resultate ergibt als die subjektive.
Doch ist der Unterschied in bezug auf die Höhe der Sicherheit nur ein gradweiser, in
bezug auf die Art der Sicherheit allerdings ein prinzipiell verschiedener. Denn die sub-
jektive Psychologie führt immer zur letzten Erfüllung der Begriffe und Meinungen in der
inneren Vergegenwärtigung und Anschauung des Seelischen, während jene objektive Psy-
chologie ihre letzten Erfüllungen in den von niemand bestrittenen sinnlichen Wahr-
nehmungen, in Zahlen, Kurven oder rationalen Inhalten hat.
Was will nun die vielgeschmähte subjektive Psychologie? Während die objektive
durch möglichste Ausschaltung des Seelischen fast oder ganz zur Physiologie wird, will
sie gerade das Seelenleben selbst zum Gegenstand behalten. Sie fragt sich - ganz allge-
mein gesagt - wovon ist das seelische Erleben abhängig, was für Folgen hat es, was für
Zusammenhänge sind in ihm zu erfassen. Antworten auf solche Fragen sind ihre
eigentlichen Erkenntnisziele. Bei jeder besonderen Frage aber sieht sie sich vor die Not-
wendigkeit gestellt, sich klar zu sein und anderen klar zu machen, welches bestimmte
seelische Erleben sie gerade meint. Denn sie sieht sich einer unübersehbaren Mannig-
faltigkeit seelischer Phänomene gegenüber, die sie nicht überhaupt, sondern aus
Die phänomenologische Forschungsrichtung in der Psychopathologie
unfruchtbar in bezug auf weitere wissenschaftliche Untersuchungen gehalten werden.
Es besteht das Verlangen, auf den objektiven Symptomen allein die Lehre von den Gei-
315 steskrankheiten auf|zubauen, und das Ideal, alle subjektiven Symptome völlig zu eli-
minieren. Es ist das eine Anschauung, die ebenso in der Psychologie wie in der Psy-
chiatrie ihre mehr oder weniger konsequenten Vertreter findet. Eine objektive Psychologie
stellt sich einer subjektiven Psychologie gegenüber. Die erste will nur mit objektiven
Daten arbeiten und führt in ihrer Konsequenz zu einer Psychologie ohne Seelisches,804
die letztere, welche den andersartigen Wert der ersteren übrigens nie zu verkennen
pflegt, hält auf Selbstbeobachtung, subjektive Zergliederung, auf Feststellung der
Daseinsweisen des Seelischen, der Eigenart der Phänomene, und gibt solchen Unter-
suchungen auch dann Wert, wenn sie ohne alle objektiven Anhaltspunkte gemacht
werden. Beispiele der objektiven Psychologie sind breite Kapitel aus der Lehre von der
Sinneswahrnehmung, Gedächtnismessungen und die Untersuchung der Arbeitskurve
mit ihren Komponenten. Wir nehmen die letztere als Beispiel, um uns daran bewußt
zu machen, daß diese Untersuchungen planmäßig zu einer Eliminierung des Seeli-
schen führen. Nicht Ermüdungsge/uWe (Müdigkeit), sondern objektive Ermüdung wird
untersucht. Alle Begriffe wie Ermüdbarkeit, Erholbarkeit, Übungsfähigkeit, Übungsfe-
stigkeit, Pausenwirkung usw. beziehen sich auf objektiv meßbare Leistungen, wobei es
ganz gleichgültig ist, ob es sich um eine Maschine resp. einen seelenlosen lebenden
Organismus oder um einen beseelten Menschen handelt. Allerdings pflegen solche
objektiven Untersuchungen dann sekundär - natürlich mit vollem Recht - subjektive
seelische Phänomene zur Deutung oder zum Vergleich mit den objektiven Leistungen
heranzuziehen. Dann wird die subjektive Psychologie benutzt, von der in diesem Auf-
satz die Rede sein soll. Nun ist es kein Zweifel, daß die objektive Psychologie handgreif-
lichere, sicherere, für jedermann leichter faßliche Resultate ergibt als die subjektive.
Doch ist der Unterschied in bezug auf die Höhe der Sicherheit nur ein gradweiser, in
bezug auf die Art der Sicherheit allerdings ein prinzipiell verschiedener. Denn die sub-
jektive Psychologie führt immer zur letzten Erfüllung der Begriffe und Meinungen in der
inneren Vergegenwärtigung und Anschauung des Seelischen, während jene objektive Psy-
chologie ihre letzten Erfüllungen in den von niemand bestrittenen sinnlichen Wahr-
nehmungen, in Zahlen, Kurven oder rationalen Inhalten hat.
Was will nun die vielgeschmähte subjektive Psychologie? Während die objektive
durch möglichste Ausschaltung des Seelischen fast oder ganz zur Physiologie wird, will
sie gerade das Seelenleben selbst zum Gegenstand behalten. Sie fragt sich - ganz allge-
mein gesagt - wovon ist das seelische Erleben abhängig, was für Folgen hat es, was für
Zusammenhänge sind in ihm zu erfassen. Antworten auf solche Fragen sind ihre
eigentlichen Erkenntnisziele. Bei jeder besonderen Frage aber sieht sie sich vor die Not-
wendigkeit gestellt, sich klar zu sein und anderen klar zu machen, welches bestimmte
seelische Erleben sie gerade meint. Denn sie sieht sich einer unübersehbaren Mannig-
faltigkeit seelischer Phänomene gegenüber, die sie nicht überhaupt, sondern aus