Die phänomenologische Forschungsrichtung in der Psychopathologie
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nen Vergegenwärtigung (Genese, Bedingungen und Konstellationen des Auftretens der
Phänomene, Inhalte derselben, in ihnen vorhandene schon bekannte phänomenolo-
gische Elemente, symbolische Hinweise usw.), und wir wissen, daß schließlich nur der
Appell an den anderen, sich unter Berücksichtigung alles Aufgeführten das Phänomen
zur eigenen Vergegenwärtigung zu bringen, übrig bleibt. In einer phänomenologischen
Arbeit werden daher einzelne Fälle, daraus gewonnene allgemeine Beschreibungen, und
Festsetzungen von Benennungen vorkommen. Es ist kein Vorwurf, sondern nur die
Konstatierung einer Tatsache, daß die Phänomenologie eigentlich bloß unmittelbar
Gegebenes benennt. Nur daß der Weg, der zu einer allgemeineren Verständigung im
Einzelfalle führen kann, und daß die relative Vollständigkeit der phänomenologischen
Begrenzung immer schwierig zu gewinnen ist. Dabei ist zu bedenken, daß das Erlebnis
eines einzelnen Kranken immer unendlich an Mannigfaltigkeit ist, daß die Phänome-
nologie aber daraus nur etwas Allgemeines herausholt, das bei dem Erlebnis eines ande-
ren Falles, das wir darum dasselbe nennen, ebenso ist, während jene Unendlichkeit des
Individuellen immer wechselt. Es besteht also das Verhältnis, daß die Phänomenologie
auf der einen Seite abstrahiert von einer Unendlichkeit wechselnder Bestandteile, auf
der anderen Seite durchaus nicht einem Abstrakten, sondern einem voll Anschaulichen
zugewandt ist. Nur soweit etwas zur wirklichen, unmittelbaren Gegebenheit zu brin-
gen, d.h. anschaulich ist, ist es Gegenstand der Phänomenologie.
Setzen wir den Fall, daß durch die beschriebenen phänomenologischen Begrenzun-
gen eine Reihe von Phänomenen allgemein vergegenwärtigt und bewußt gemacht wer-
den können. Wir kommen nun anscheinend zum zweiten Male vor ein neues Chaos
zahlloser benannter Phänomene, die unser wissenschaftliches Bedürfnis noch durch-
aus nicht befriedigen. Zum Begrenzen einzelner Phänomene muß das Ordnen kommen,
um die Mannigfaltigkeit des Seelischen sich planmäßig bewußt und bis zu der jeweilig
erreichten Grenze übersehbar | zu machen. Man kann die Phänomene ganz verschie- 324
den ordnen je nach dem Zweck, den man gerade hat. Zum Beispiel kann man ordnen
nach der Genese, nach eventuellen körperlichen Bedingungen, nach den Inhalten,
nach der Bedeutung, die die Phänomene unter irgendeinem Gesichtspunkt haben
(etwa logische, ethische, ästhetische Phänomene des Seelischen). Man wird allen die-
sen Ordnungsprinzipien an ihrer Stelle ihr Recht geben. Für die Phänomenologie selbst
sind sie wenig befriedigend. Hier suchen wir nach einer Ordnung, die die seelischen
Phänomene nach ihrer phänomenologischen Verwandtschaft nebeneinander stellt, so wie
etwa die unendlich zahlreichen Farben im Farbenkreis, resp. der Farbenkugel phäno-
menologisch befriedigend übersehbar gemacht sind. Nun stellt sich beim jetzigen
Stande der Phänomenologie heraus, daß es eine Reihe von Erscheinungsgruppen gibt,
zwischen denen überhaupt keine Verwandtschaft bemerkbar ist: Sinnesempfindungen
und Gedanken, Trugwahrnehmungen und Wahnurteile sind durch einen Abgrund
geschiedene, gar nicht durch Übergänge verbundene Phänomene. Solche gar nicht ver-
wandte Phänomene lassen sich nur nebeneinanderstellen, nicht weiter ordnen. Wie
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nen Vergegenwärtigung (Genese, Bedingungen und Konstellationen des Auftretens der
Phänomene, Inhalte derselben, in ihnen vorhandene schon bekannte phänomenolo-
gische Elemente, symbolische Hinweise usw.), und wir wissen, daß schließlich nur der
Appell an den anderen, sich unter Berücksichtigung alles Aufgeführten das Phänomen
zur eigenen Vergegenwärtigung zu bringen, übrig bleibt. In einer phänomenologischen
Arbeit werden daher einzelne Fälle, daraus gewonnene allgemeine Beschreibungen, und
Festsetzungen von Benennungen vorkommen. Es ist kein Vorwurf, sondern nur die
Konstatierung einer Tatsache, daß die Phänomenologie eigentlich bloß unmittelbar
Gegebenes benennt. Nur daß der Weg, der zu einer allgemeineren Verständigung im
Einzelfalle führen kann, und daß die relative Vollständigkeit der phänomenologischen
Begrenzung immer schwierig zu gewinnen ist. Dabei ist zu bedenken, daß das Erlebnis
eines einzelnen Kranken immer unendlich an Mannigfaltigkeit ist, daß die Phänome-
nologie aber daraus nur etwas Allgemeines herausholt, das bei dem Erlebnis eines ande-
ren Falles, das wir darum dasselbe nennen, ebenso ist, während jene Unendlichkeit des
Individuellen immer wechselt. Es besteht also das Verhältnis, daß die Phänomenologie
auf der einen Seite abstrahiert von einer Unendlichkeit wechselnder Bestandteile, auf
der anderen Seite durchaus nicht einem Abstrakten, sondern einem voll Anschaulichen
zugewandt ist. Nur soweit etwas zur wirklichen, unmittelbaren Gegebenheit zu brin-
gen, d.h. anschaulich ist, ist es Gegenstand der Phänomenologie.
Setzen wir den Fall, daß durch die beschriebenen phänomenologischen Begrenzun-
gen eine Reihe von Phänomenen allgemein vergegenwärtigt und bewußt gemacht wer-
den können. Wir kommen nun anscheinend zum zweiten Male vor ein neues Chaos
zahlloser benannter Phänomene, die unser wissenschaftliches Bedürfnis noch durch-
aus nicht befriedigen. Zum Begrenzen einzelner Phänomene muß das Ordnen kommen,
um die Mannigfaltigkeit des Seelischen sich planmäßig bewußt und bis zu der jeweilig
erreichten Grenze übersehbar | zu machen. Man kann die Phänomene ganz verschie- 324
den ordnen je nach dem Zweck, den man gerade hat. Zum Beispiel kann man ordnen
nach der Genese, nach eventuellen körperlichen Bedingungen, nach den Inhalten,
nach der Bedeutung, die die Phänomene unter irgendeinem Gesichtspunkt haben
(etwa logische, ethische, ästhetische Phänomene des Seelischen). Man wird allen die-
sen Ordnungsprinzipien an ihrer Stelle ihr Recht geben. Für die Phänomenologie selbst
sind sie wenig befriedigend. Hier suchen wir nach einer Ordnung, die die seelischen
Phänomene nach ihrer phänomenologischen Verwandtschaft nebeneinander stellt, so wie
etwa die unendlich zahlreichen Farben im Farbenkreis, resp. der Farbenkugel phäno-
menologisch befriedigend übersehbar gemacht sind. Nun stellt sich beim jetzigen
Stande der Phänomenologie heraus, daß es eine Reihe von Erscheinungsgruppen gibt,
zwischen denen überhaupt keine Verwandtschaft bemerkbar ist: Sinnesempfindungen
und Gedanken, Trugwahrnehmungen und Wahnurteile sind durch einen Abgrund
geschiedene, gar nicht durch Übergänge verbundene Phänomene. Solche gar nicht ver-
wandte Phänomene lassen sich nur nebeneinanderstellen, nicht weiter ordnen. Wie