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Jaspers, Karl; Marazia, Chantal [Hrsg.]; Fonfara, Dirk [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 3): Gesammelte Schriften zur Psychopathologie — Basel: Schwabe Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.69896#0446
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Kausale und »verständliche« Zusammenhänge

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beit gegangen. Beim Abschied sagte die Frau: Du wirst sehen, was passiert! Denselben Abend
hat er bis 8 Uhr geschafft. Als er heimkam, hörte er vom Sohn, seine Frau sei mit Bauer »durch-
gegangen«. Klink war sehr unglücklich, nahm aber an, seine Frau sei mit Gewalt entführt wor-
den, da sie doch selbst gebeten habe, er solle daheim bleiben.
Die Frau erzählte uns, sie sei mit dem Bauer nach Frankfurt gefahren: »Von meinem Mann
habe ich doch nichts gehabt, von dem anderen hatte ich wenigstens Geld.« Der gab ihr »den
ganzen Zahltag«. In Frankfurt sei sie in einer Wirtschaft tätig gewesen, der Geliebte in einer
Fabrik. Die Kinder ließ sie bei der in Mannheim lebenden Mutter.
In seiner Verzweiflung verkaufte Klink sämtliche Möbel. Die er nicht verkaufen konnte, ver-
schenkte er. Die Kinder lebten ja bei seiner Schwiegermutter. Er selbst nahm bei einer Wirtin
Privatlogis für sich.
In den nächsten Wochen nach der Entführung der Frau, erzählte K. weiter, wurde er immer
aufgeregter. Er arbeitete als Pechfahrer im Kohlensyndikat. Dabei wurde er beständig durch die
Sticheleien seiner Mitarbeiter gereizt.
Am 16. Juni hörte Klink von seinem Meister, er habe die Frau am Arme Bauers in Ludwigshafen
gesehen. Klink forschte die Schwiegermutter aus, erfuhr aber nichts. Tags darauf ging er wieder
zu dieser und erfuhr, seine Frau sei bei ihrer Schwester in Ludwigshafen. Dort fand Klink seine
Frau und begrüßte sie mit den ironischen Worten: »Nun Madame, von der Reise zurück?«, wor-
auf die Frau erwiderte: »Ja.« Die Frau sagte »Ja« als er fragte, ob sie wieder zu ihm kommen wolle,
war aber immer einsilbig und ängstlich. Klink sah jetzt den Bauer im Zimmer, wurde maßlos zor-
nig, beherrschte sich aber und ging allein nach Hause, voll Angst vor dem Bauer und ohne Mut, seine
Frau mitzunehmen, obwohl er ihr ansah, daß sie gern mitgekommen wäre. Dies war am 17. Juni.
Der Kranke wartete die ganze Woche, ob seine Frau kommen würde. Sie kam jedoch nicht.
Am Samstag (24. Juni) abend glaubte er, mehrere Leute seien aufs Dach geklettert und schös-
sen mit Revolvern nach ihm. Gesehen hat er die Leute nicht, auch nicht den Knall der Schüsse
gehört. Er hat nur den Rauch gesehen. Getroffen hat ihn keiner. Zwei Schutzleute waren auch
dabei.
Am 26. Juni, Montag, war er morgens früh beim Arbeitsnachweis. Er hatte seine Stelle beim
Kohlensyndikat aufgegeben, weil die Mitarbeiter ihn so aufgezogen hatten, und suchte nun neue
Arbeit. Von nun an weiß der Kranke selbst nicht mehr, was Wirklichkeit war und was nicht; er
meint, daß das meiste, was mit Bauer zusammenhängt, von jetzt an wohl seine Krankheit gewesen sei.
Bauer fragte, ob keiner namens K. da sei. K. antwortete: »Doch da ist er.« B. erwiderte: »Ich
schieß ihn tot, daß er die Kränk hat«, und zeigte dabei einen Revolver mit 6 Kugeln, den | er in
der Richtung auf K. hielt. Der Bauer ging dann in eine benachbarte Wirtschaft und wollte dort
das Tranchiermesser holen, K. sah, daß er das Messer schon in der Hand hatte, die Wirtsleute
ließen ihn aber nicht hinaus, sondern nahmen ihm das Messer wieder ab. K. ging zur Polizei,
um Anzeige gegen Bauer zu erstatten. Zwei Schutzleute begleiteten ihn zum Arbeitsnachweis
zurück. Sie fragten, ob der Bauer auf ihn geschossen habe? »Nein.« Da könnten sie nichts
machen, wenn er nicht eine Tat ausgeführt habe. »Da muß man also erst totgeschossen sein,
ehe man zu seinem Recht kommt.« K. bekam einen Arbeitsschein fürs Sägewerk. Den ganzen
Vormittag glaubte dann K., der Bauer laufe ihm nach. Er hat ihn immer gehört, aber nicht gese-
hen. Bauer sagte, er werde schon dafür sorgen, daß K. nicht im Sägewerk eingestellt wird.
Von V 2-6 Uhr arbeitete K. in seiner neuen Stellung am Sägewerk. Auf dem Heimweg von der
Arbeit sah er wieder in einer Wirtschaft die beiden Brüder Bauer. Sie wollten ihm nach, wurden
aber von einigen Leuten, mit denen sie zusammensaßen, nicht herausgelassen.

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