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Jaspers, Karl; Marazia, Chantal [Editor]; Fonfara, Dirk [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]; Schwabe AG [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 3): Gesammelte Schriften zur Psychopathologie — Basel: Schwabe Verlag, 2019

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69896#0450
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Kausale und »verständliche« Zusammenhänge

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Erinnerung. Kurze Zeit nach der Psychose hat er die Selbstschilderung schriftlich angefangen,
dann weigerte er sich, sie fortzusetzen. Das Geschriebene ist so gut, daß wir es vollständig hier
wiedergeben. Der erste Teil handelt von seiner Ehe. Trotzdem manche Wiederholungen vor-
kommen, geben wir ihn unverkürzt, da er ein gutes Bild der Persönlichkeit und ihrer Nöte gibt.
Der zweite Teil handelt von der Psychose.
Die Selbstschilderung wird wörtlich mit allen orthographischen und grammatikalischen Feh-
lern wiedergegeben. Von mir rühren nur einige Umstellungen größerer Partien der richtigen
Chronologie wegen, ferner die Absätze und der kursive Druck einiger Worte her.
Selbstschilderung. Erster Teil
An die Direcktion der psychiatrischen Klinik Heidelberg.
Ich lege meinen Ehestand, nebst Krankheit, folgender maßen dar. Ich verheiratete, mich am
ißten Dezember, 1902 in F. Von anfang lebten wir glücklich zusammen, am i5ten August 1904
zogen wir nach Mannheim, da war das Unglück vor der Türe. Ungefähr im halben März, 1905
kam dann meine Frau, in die Gutmannstraße, oder Ehrenstraße genannt, als Putzfrau, was sie
da noch nicht wußte, lernte sie, da in der Dirnen Gesellschaft. Sie war da tätig bis | zum 22ten 351
Mai 1910 oder 22ten Mai 1909 das kann ich jetzt nicht genau behaupten. Sie hatte drei Kinder,
von denen ich zwei meinen Namen erteilte, das dritte war bei seinem Vater in F. Herrn A ...
geblieben! Ich verunglückte, dann am 4ten oder roten Mai 1910 beim umlegen von einpeto-
nierten Eisenbahnschienen, wo von mir eine fünfmeterlange Eisenbahnschiene am Boden
abbrach, mir auf den Kopf hehl, mich am rechten Kopf verletzte, auch den Rechten Fuß ver-
letzte. Meine Krankheit, kommt nicht von dem fielen Trinken, sondern daß sind hauptsächlich
Gedanken, die ich mir gemacht habe, über meine Frau und Kinder. Ich gebe ja zu, weil ich getrunken
habe, daß es so weit gekommen ist, daß ich voriges Jahr, in die Klinick gekommen bin. Denn
am 2ten Januar 1911 nahm ich einen Logisherrn namens Martin Bauer, von Mundenheim, die-
ser knüpfte Verhältnis mit meiner Frau an und sie gewann in sofort lieb. Auf Fastnacht mach-
ten wir einen Maskenball in Ludwigshafen mit, von dort an war es fertig. Als ich dahinter kam,
bekamm ich herzhaft die Haut gegerbt von Martin und Karl Bauer. Ich wies hierauf meiner Frau
Martha Katz und Martin Bauer die Tür und ließ durch die Polizei Martin Bauer die Wohnung
verbieten. Er arbeitete damals bei mir, in der Syndikatfreie Kohlenvereinigung Industriehafen.
Aus Aehrgeiz hörte ich am 9ten Mai 1911 auf zu arbeiten, weil ich zu bekannt war, Ich fragte
dann am röten Mai 1911 in der Spiegelfabrik nach und erhielt sofort Arbeit. Ich Arbeitete am
i/ten Mai 1911 bis abends achtuhr, als ich um 8% Uhr nach Hause kam standen die Kinder an
der Haustür und weinten. Als ich fragte warum sie weinen gaben sie mir zur Antwort die Mut-
ter sei fort da fragte ich Wo sie sei, ob sie bei der Großmutter oder in der Stadt sei! ich erhielt
dann zur Antwort, daß sie mit Martin Bauer durchgebrannt sei. Ich hörte am i8ten Mai in der Spie-
gelfabrik auf und fing am ipten Mai wieder bei der Syndikatfreie Kohlenvereinigung an zu Arbei-
ten. Ich machte mir dann Gedanken, daß die Frau mit Bauer verschwunden war, daß die sich
ein schönes Leben machen! und ich solle für ihr Blut sorgen, was ich anerkannt habe, aber doch
in Wirklichkeit nicht das rechte Blut ist oder war. Ich wußte zu allem Glück, in meiner Aufre-
gung doch noch mir zu helfen, ich ließ ihr den Schlüsselzwang, auferlegen welches bestätigt ist,
und in Band neun, Seite neunundvierzig eingetragen ist, auf dem Großherzoglichen Bezirksamt.
Ich lebte dann in den Tag, machte mir allerhand Gedanken, wie es noch kommen wird, mit mir
und den Kindern. Wo ich gewohnt habe, wurde mir zu Ohren getragen, daß meine Frau fiel Her-
ren Empfangen würde, was mir auch wieder fiehl half, zur Aufregung. Als dann der erste Juni her-
 
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