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Jaspers, Karl; Marazia, Chantal [Hrsg.]; Fonfara, Dirk [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 3): Gesammelte Schriften zur Psychopathologie — Basel: Schwabe Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.69896#0466
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Kausale und »verständliche« Zusammenhänge

423

So schlummert ich in Angst und Pein
So nach und nach im Trünke ein,
Denn liebe Schwägerin, denk daran,
Was Gott tut, das ist wohlgetan.
Viele Grüße sendet Euer Schwager an
alle Angehörigen
Achtungsvoll Moritz.«
Am 7. Juli schreibt er an seine Frau:
»Liebe Frau und Kinder!

Ich teile Dir ergebenst mit, daß ich Dich doch zu sprechen wünsche (will ins »blaue
Kreuz« eintreten, und in Trinkerheilanstalt, Versprechungen usw.) Ich erwarte Dich
ganz bestimmt am Dienstag mittag. Du sollst auch kommen, damit ich nachher ganz
beruhigt und gewiß bin, was Du erhältst, wenn ich fortgehe zur Heilung. Viele Grüße
M. K. Liebe Frau, wenn Du kommst, so bringe mir was zu rauchen mit. Auf baldiges
Versöhnen.«
Bei der Analyse des Kranken können wir erstens die Erscheinungsweise der akuten
Psychose in subjektiver Hinsicht, die Phänomenologie der Psychose in ihren wesentli-
chen Zügen charakterisieren. Zweitens können wir auf Grund | der anamnestischen 364
Daten zur Frage der Ursache und damit der Art der Psychose Stellung nehmen, drittens
können wir den verständlichen Zusammenhängen zwischen dem Schicksal des Kranken
und dem Erleben in der Psychose nachgehen. Wir hatten keine Möglichkeit, die objek-
tiven Erscheinungen der Psychose, die Veränderungen der psychischen Funktionen
im Sinne der Leistung zu untersuchen, wie es in anderen Fällen die experimentelle Psy-
chopathologie ermöglicht, müssen also in unserem Falle, ebenso wie in dem folgen-
den, auf die Gesichtspunkte der Leistungspsychologie verzichten.
1. Bezüglich der Phänomenologie beschränken wir uns auf die zweite Psychose,
wegen der allein wir den Kranken persönlich explorieren konnten, und verweisen auf
die Schilderung gegen Schluß der Krankengeschichte (S. 420). Der allgemeine Bewußt-
seinszustand des Kranken ist seiner Art nach nicht endgültig klar geworden. Seine Schil-
derungen klingen manchmal so, wie wenn er ein traumhaftes Versunkensein und
nachfolgendes Zusichkommen erlebt hätte. Er betont aber auf Fragen immer sein vol-
les Bewußtsein bei all seinen Erlebnissen, sein volles Wachsein. Vorübergehend hat er
geschlafen und diesen Schlaf in der Psychose weiß er von dem Wachsein in der Psychose
wohl zu unterscheiden. Er hat an alle Zeiten aus der Psychose eine ausgezeichnete detail-
lierte Erinnerung, die sich in mehrfacher Exploration und in der schriftlichen Selbst-
schilderung als völlig identisch bleibend erwies. Es handelt sich also in keiner Weise
um die Art der Erinnerung, die man an traumhafte Zustände besitzt. Sein Bewußtseins-
zustand war ferner derart, daß reale Tatsachen, die von außen an ihn herantraten, als
solche richtig erkannt wurden. Er war während seiner Psychose insofern orientiert. Er
 
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