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Jaspers, Karl; Marazia, Chantal [Hrsg.]; Fonfara, Dirk [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 3): Gesammelte Schriften zur Psychopathologie — Basel: Schwabe Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.69896#0528
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Über leibhaftige Bewußtheiten

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sagte, das lassen Sie weg... Sie haben mich doch verstanden ... wie meinen Sie? ... das
bleibt weg, selbstverständlich bleibt das weg ...«ich wartete tatsächlich auf eine Ant-
wort, die aber ausblieb, dann sagte ich weiter: »ich werde auch für Sie bitten bei Jesus,
es ist viel zu bitten für Sie, sehr viel, also Sie lassen das weg, nicht wahr?« Die Antwort
blieb natürlich aus.
6. Die Kranke S. (Dementia praecox) litt in besonnenem Zustande an Verfol-
gungswahn. Im Hotel Prinz Karl, wo sie Wohnung nahm, war es ihr im Zimmer
»unheimlich«. »Es war ein Salon, aber so eigentümlich, immer so, als ob jemand darin
wäre«. Gesehen oder gehört hat sie nie jemand, sie erklärt aber mit lauter Betonung: »es
war jemand da«. Sie fühlte sich dabei »unfrei, als würde ich beobachtet«. »Es ist etwas
Unbestimmtes«. »Im Saal unten (in der Klinik) war immer Einer«.
7. Eine Kranke Forels'926 schreibt: »Häufig hatte ich den lebhaften Eindruck,
soeben im Flüsterton oder ohne daß ich es eigentlich gehört hatte, eine | Mitteilung erhal-
ten zu haben. Es schien mir plötzlich, etwas zu wissen, was ich vorher nicht gewußt hatte,
was irgendwer aus Familie oder Bekanntschaft mir eben mit gedämpfter Stimme mit-
geteilt hätte, ohne daß ich die betreffende Person sah oder ihre Stimme deutlich hörte.
Es war mir nur das eigentümliche Gefühl, als sei jemand da, oder dagewesen«.927 Dieselbe
Kranke beschreibt, das »Gefühl..., als befände ich mich mit jemand in Rapport, das mich,
wie ich glaube, weit weniger im Freien befiel, als im geschlossenen Raum, besonders
vor oder nach dem Schlummer«.928
8. Man findet ähnliche Beobachtungen der Kranken sehr häufig. Wir führen nur
noch aus der Selbstschilderung Strindbergs929 (»Inferno«)930 die diesbezüglichen Stel-
len an: »Als ich den Garten des Hotels wieder betrete, wittere ich die Gegenwart eines
Menschen, der, während ich fort war, gekommen ist. Ich sehe ihn nicht, aber ich fühle
ihn« (S. 99).931 »Ein furchtbares Schweigen herrscht im Haus, als ich die Lampe lösche.
Ich fühle, daß jemand im Dunkeln auf mich lauert, mich berührt, nach meinem Her-
zen tastet, saugt« (S. 110). »Oft ist es mir, als stehe jemand hinter meinem Stuhl. Dann
richte ich Dolchstöße nach hinten, indem ich mir einbilde, einen Feind zu bekämp-
fen« (S. 158).932 »Als ich wieder die Tür meines Zimmers öffne, ist es mir, als sei die Stube
von lebendigen und feindlichen Wesen bewohnt. Das Zimmer ist davon erfüllt, und
ich glaube durch eine Menge zu dringen, als ich mein Bett zu erreichen suche« (S. 161).
»Die Nacht verbringe ich im Gasthaus, wo auch meine Mutter und mein Kind auf
meine Bitte schlafen, um mich gegen die Schrecken des Todes zu schützen, die ich ahne
dank meinem sechsten Sinn« (S. 183). »Tretet nachts wieder in euer Zimmer und ihr wer-
det dort jemand finden; ihr seht ihn nicht, aber ihr fühlt deutlich dessen Anwesenheit. Geht
in die Irrenanstalt und fragt den Irrenarzt, und er wird von Nervenschwäche, Verrückt-
heit, Brustbeklemmung u. dgl. sprechen, aber er wird euch niemals helfen!« (S. 199).933

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Forel, Arch. f. Psychiatrie, Bd. 34, S. 981, 986.
 
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