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Psychologie der Weltanschauungen
5. Die enthusiastische Einstellung ist Liebe. Das Wort Liebe ist von Denkern oft
in diesem Sinne gebraucht worden. Da es aber im heutigen Sprachgebrauch in einem
engeren Sinne üblich ist, von dem allerdings meistens irgendeine Beziehung auf den
weiteren mitklingt, wurde zur Gesamtbezeichnung »Enthusiasmus« gewählt. Wie in
allen Einstellungen der Enthusiasmus das eigentlich Lebendige ist, ebenso gilt allge-
mein, daß Leben Liebe ist. Was jene Liebe, z.B. den Eros Platons charakterisiert, ist
zugleich Charakteristik der enthusiastischen Einstellung. Dieser Eros ist anschaulich
zu konstruieren und nach Möglichkeit unverwechselbar zu machen') :146
a) Die Liebe ist etwas Universales; es ist eine Bewegung in uns durch alles Konkrete
hindurch (in die gegenständliche Welt und zu uns selbst zurückgewandt) in das Abso-
lute und Ganze. In dieser Bewegung der Liebe leuchtet alles gleichsam auf. Es gibt
nichts, das nicht in diese Bewegung hineingezogen werden kann; aber es ist keinem
Menschen möglich, in sich diese Bewegung wirklich universal zu gewinnen.
b) Die Liebe läßt sich allen einzelnen Trieben gegenüberstellen. Sie ist darin den Trie-
ben verwandt, daß sie gegeben, nicht zu erzwingen ist, daß sie vom Willen aus gese-
hen Material ist, daß sie wohl begünstigt, gepflegt und gehemmt, daß sie geformt, aber
nicht gemacht werden kann. Auch darin ist sie den Trieben verwandt, daß sie Bewe-
gung ist. Aber sie ist allen Trieben entgegengesetzt, insofern sie allein über das Indivi-
duum erlebnismäßig hinausgeht, nicht egozentrisch, nicht altruistisch, überhaupt
nichts Einzelnes ist, keinen bestimmten Bereich empirischer Gegenstände oder ichbe-
stimmter Funktionen hat. Liebe kann in den Trieben sich auswirken; sie erfaßt und
formt die Triebe, die dadurch anderen Glanz und erlebten Sinn erhalten, der ihnen
selbst nicht einwohnt.
124 | c) Alles kann Gegenstand der Liebe sein, aber alles ist für die Liebe auf spezifische
Weise Gegenstand. Dies Spezifische ist:
1. Das Geliebte ist - wie für die Gegenstände der enthusiastischen Einstellung schon
gesagt wurde - mit dem Absoluten verbunden. Das Geliebte ist im Ganzen eingebettet
gesehen, oder nicht als Einzelnes, sondern als Ganzes gemeint. Es ist als Endliches im
Unendlichen gesehen.
2. Das Geliebte ist als Geliebtes wertvoll. Es ist nicht so, daß das Wertvolle darum,
weil es wertvoll ist, geliebt würde. Die Anerkennung geltender Werte als allgemeiner
und das sich Richten nach ihnen ist das Gegenteil von Liebe. In der Liebe leuchtet al-
les auf, so daß es für den Liebenden der Wert überhaupt wird. Es sind nicht »Werte«,
die entdeckt würden in der Liebe, sondern in der Bewegung der Liebe wird alles wert-
voller. Es wird ein Prozeß der Werterhöhung erlebt. Dies Wertvolle ist absolut konkret,
nicht allgemein.
Zum Folgenden vgl. Max Scheler, Zur Phänomenologie und Theorie der Sympathiegefühle und
von Liebe und Haß, Halle 1913.
Psychologie der Weltanschauungen
5. Die enthusiastische Einstellung ist Liebe. Das Wort Liebe ist von Denkern oft
in diesem Sinne gebraucht worden. Da es aber im heutigen Sprachgebrauch in einem
engeren Sinne üblich ist, von dem allerdings meistens irgendeine Beziehung auf den
weiteren mitklingt, wurde zur Gesamtbezeichnung »Enthusiasmus« gewählt. Wie in
allen Einstellungen der Enthusiasmus das eigentlich Lebendige ist, ebenso gilt allge-
mein, daß Leben Liebe ist. Was jene Liebe, z.B. den Eros Platons charakterisiert, ist
zugleich Charakteristik der enthusiastischen Einstellung. Dieser Eros ist anschaulich
zu konstruieren und nach Möglichkeit unverwechselbar zu machen') :146
a) Die Liebe ist etwas Universales; es ist eine Bewegung in uns durch alles Konkrete
hindurch (in die gegenständliche Welt und zu uns selbst zurückgewandt) in das Abso-
lute und Ganze. In dieser Bewegung der Liebe leuchtet alles gleichsam auf. Es gibt
nichts, das nicht in diese Bewegung hineingezogen werden kann; aber es ist keinem
Menschen möglich, in sich diese Bewegung wirklich universal zu gewinnen.
b) Die Liebe läßt sich allen einzelnen Trieben gegenüberstellen. Sie ist darin den Trie-
ben verwandt, daß sie gegeben, nicht zu erzwingen ist, daß sie vom Willen aus gese-
hen Material ist, daß sie wohl begünstigt, gepflegt und gehemmt, daß sie geformt, aber
nicht gemacht werden kann. Auch darin ist sie den Trieben verwandt, daß sie Bewe-
gung ist. Aber sie ist allen Trieben entgegengesetzt, insofern sie allein über das Indivi-
duum erlebnismäßig hinausgeht, nicht egozentrisch, nicht altruistisch, überhaupt
nichts Einzelnes ist, keinen bestimmten Bereich empirischer Gegenstände oder ichbe-
stimmter Funktionen hat. Liebe kann in den Trieben sich auswirken; sie erfaßt und
formt die Triebe, die dadurch anderen Glanz und erlebten Sinn erhalten, der ihnen
selbst nicht einwohnt.
124 | c) Alles kann Gegenstand der Liebe sein, aber alles ist für die Liebe auf spezifische
Weise Gegenstand. Dies Spezifische ist:
1. Das Geliebte ist - wie für die Gegenstände der enthusiastischen Einstellung schon
gesagt wurde - mit dem Absoluten verbunden. Das Geliebte ist im Ganzen eingebettet
gesehen, oder nicht als Einzelnes, sondern als Ganzes gemeint. Es ist als Endliches im
Unendlichen gesehen.
2. Das Geliebte ist als Geliebtes wertvoll. Es ist nicht so, daß das Wertvolle darum,
weil es wertvoll ist, geliebt würde. Die Anerkennung geltender Werte als allgemeiner
und das sich Richten nach ihnen ist das Gegenteil von Liebe. In der Liebe leuchtet al-
les auf, so daß es für den Liebenden der Wert überhaupt wird. Es sind nicht »Werte«,
die entdeckt würden in der Liebe, sondern in der Bewegung der Liebe wird alles wert-
voller. Es wird ein Prozeß der Werterhöhung erlebt. Dies Wertvolle ist absolut konkret,
nicht allgemein.
Zum Folgenden vgl. Max Scheler, Zur Phänomenologie und Theorie der Sympathiegefühle und
von Liebe und Haß, Halle 1913.