Metadaten

Jaspers, Karl; Kaegi, Dominik [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 8): Schriften zur Existenzphilosophie — Basel: Schwabe Verlag, 2018

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69895#0045
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
XLIV

Einleitung des Herausgebers

zierte Jaspers,161 eine der wenigen, vielleicht die einzige Rezension, zu der er je eine
Gegendarstellung formulierte. Die Entwürfe sind im Nachlass erhalten: ein umfang-
reiches Konvolut, vorwiegend aus Exzerpten, Annotationen und Notizen (z.T. von Jas-
pers' Schülerin Maria Salditt).162 Jaspers hat das Manuskript abgebrochen, als er von
Schestows Tod am 20. November 1938 erfuhr.
Das Echo auf die Existenzphilosophie fiel deutlich schwächer aus - ihr Autor galt in-
zwischen offiziell als persona non grata. Die Entlassung hatte sich rasch herumgespro-
chen (und wo es sanktionsfrei möglich war, auch öffentlich Empörung ausgelöst).163
Man riskierte zwar nichts, wenn man sich zu Jaspers äußerte, dafür war seine Repu-
tation zu groß, aber opportun war es auch nicht. Otto Friedrich Bollnow mühte sich
redlich, Jaspers als den »reinsten und schärfsten« Vertreter der Existenzphilosophie zu
würdigen, der wir »einen ganz neuen Zugang zur philosophischen Durchleuchtung des
heroischen Daseins« verdanken. Dennoch versage die Existenzphilosophie »vor den
Aufgaben, welche die Philosophie in der gegenwärtigen geschichtlichen Lage als ihren
eigentümlichen Beitrag zu leisten hat, weil es ihr (in ihrem innersten philosophischen
Kern) nicht gelingt, ein hinreichend fruchtbares Verhältnis zu Volk und Geschichte
zu gewinnen.«164 In der für den Kriegseinsatz der Geisteswissenschaften geschriebe-
nen Gesamtdarstellung von 1942 hat Bollnow dieses Urteil wiederholt165 - später nicht
mehr. Man kann Bollnows Anzeige so lesen, dass sie in Gestalt einer anscheinend
erforderlichen Distanzierung doch noch zur Sprache bringt, was die Frankfurter

als apriorische dulden und kennen sie keine andere Instanz als die Vernunft: Roma locuta, causa

finita.«

161 »In Hermes [...] ist die Übersetzung eines Kapitels meiner >Metaphysik< erschienen, - und eine 50
Seiten lange Kritik meiner Holländer Vorträge »Vernunft und Existenz« von Schestow: eine mich
sehr interessierende Besprechung in grossem Stil, auf die ich wahrscheinlich antworte - während
fast alle Kritiken sonst mich kalt lassen« (K. Jaspers an H. Jaspers, 6. April 1938).

162 Vgl. beispielsweise: »Zwei Grundzüge dieser Kritik haben auf mich einen tiefen Eindruck gemacht:
1) Schestow sieht in meiner Haltung zu Kierkegaard und Nietzsche eine Weise der Verwerfung, als
ob ich sie gleichsam als ein Inquisitor sine effusione sanguinis dem Nichts übergebe. 2) Schestow
spricht aus einer Empörung gegen die von ihm in meinem wie in fast allem philosophischen Den-
ken gesehene Ruhe einer Vernunft.« Und an anderer Stelle: »Schestow nimmt Vernunft in dem
eindeutigen Sinne des Verstandes. [...] Aber die grossartigen, historischen Bemühungen der Ent-
faltung der umgreifenden Vernunft entgehen anscheinend Schestow. Meine schwachen Anstren-
gungen in dieser Richtung übersieht er, indem er alle meine Sätze einfach als Verstandesbehaup-
tungen auffasst, Vernunft = Verstand setzt« (DLA, A: Jaspers).

163 J. Patocka: »Karel Jaspers«, Ceskä mysl 33 (1937) 119-124, dt. in: Die Bewegung der menschlichen Exis-
tenz. Phänomenologische Schriften 11, hg. von K. Nellen et al., Stuttgart 1991, 486-496.

164 O.F. Bollnow: »»Existenzphilosophie«. Drei Vorlesungen, gehalten am Freien Deutschen Hochstift
in Frankfurt a.M. Von Karl Jaspers. Berlin und Leipzig 1938«, Die Literatur 40 (1938/11) 633.

165 Vgl. O. F. Bollnow: »Existenzphilosophie«, in: Systematische Philosophie. Hg. von N. Hartmann,
Stuttgart 1942, 313-430, 426. - Zum Kriegseinsatz F.-R. Hausmann: »Deutsche Geisteswissenschaft
im Zweiten Weltkrieg: Die »Aktion Ritterbusch< (1940-1945), Heidelberg ^2007.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften