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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 2, Band 1): Grundsätze des Philosophierens: Einführung in philosophisches Leben — Basel: Schwabe Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.69897#0106
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Grundsätze des Philosophierens

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mus: Dem Einen der Transcendenz steht gegenüber ein Fürsichbestehen der Materie.
Diese ist das an sich leere Causalgeschehen, die Nichtigkeit eines gleichsam Nichtseins.
Wir sind in sie verschlungen. Die Aufgabe ist, sich von ihr zu trennen, zunächst im un-
erschütterlichen Zuschauen die absolute Distanz zu ihr zu gewinnen, damit schon die
Welt innerlich zu verlassen, um sich am Ende ganz mit dem Einen zu verbinden. - Oder
wir denken einen Monismus: Es gibt nur das Eine, alles andere ist durch es. Die Frage
ist nur, wie dieses Sein, in dem durch die Transcendenz des Einen das Andere ist, im
Gleichnis gedacht wird.
Entweder ist das Weltsein Schöpfung. Gott hat die Welt geschaffen, den Menschen
nach seinem Bilde. Welt und Transcendenz bleiben durch die analogia entis mitein-
ander verbunden. Aufgabe ist es, in der Einheit des geschaffenen Abbildes mit dem Ur-
bild Gott gehorsam zu sein, dem Schöpfungswillen zu folgen, in ihm eingegliedert zu
leben. - Oder die Welt hat gar kein eigenes Sein. Sie ist nicht Schöpfung, sondern Zau-
ber, ist ein Trug, ist Maya. Diese Maya des Weltseins und meines eigenen individuel-
len, gesonderten Seins hat ihre Ordnung durch den Grund des Zaubers. Die Aufgabe
ist, den Schleier zu durchdringen, in der Ordnung der Maya den Weg zu finden, um
am Ende schleierlos die Transcendenz zu erreichen, das Sein, das allein eigentlich ist,
und durch das die Welt der Zauber ist, den ich durchschritten habe. Verlassen der Welt
ist Heimkehr zu dem, was zugleich die Ordnung des Weltzaubers bedingt, eine Heim-
kehr, die allein im Durchschauen des Zaubers, das heisst durch ein mit dem eigenen
Wesen vollzogenes philosophisches Wissen, gelingt.
Keines dieser Gleichnisse für das Sein von Welt und Transcendenz können wir als
ein mögliches Wissen ansehen und uns zu eigen machen. Solche Gleichnisse sind spre-
chende Ausdrücke innerer Haltung als Antworten auf die stumme Frage, die das Sein
durch sich an uns im Umgreifenden stellt. Wir vermögen solche Vorstellungen nur als
ein Spiel zu betrachten, das im Raum unserer endlichen Gesichte um das Sein herum
seine Entwürfe macht, vielleicht im Abbild etwas von ihm spiegelnd, im Ganzen und
Bestimmten es immer auch verfehlend. Unsere Vernunft wird lernen, diese Spiele vor-
stehenden Denkens rein zu vollziehen, ohne sich in eins von ihnen, in eins dieser
Gleichnisse oder eine dieser Denkmelodien, zu verlieren.
Das Eine ist im Tun geschichtlicher Tiefe durch Communication mit dem Schick-
salsgefährten, ist in der Verwirklichung des Unbedingten, im Ergreifen dessen, wo ich
in der Welt identisch werde mit einem Dasein, und zwar so, dass ich dieses Dasein über-
schreite, indem ich es ganz erfülle.
4. Wie weiss ich?
In die Sache vertieft denke ich nicht an die Weise, wie ich ihrer teilhaftig werde. Ich
frage, finde Antworten und bin zufrieden in der Bewegung des Forschens.
 
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