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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 2, Band 1): Grundsätze des Philosophierens: Einführung in philosophisches Leben — Basel: Schwabe Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.69897#0165
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IÖ2

Grundsätze des Philosophierens

Beschreibbarkeit, relativiert aber am Ende alle Realität, doch nicht mehr zugunsten ei-
ner Denkökonomie, sondern zugunsten des Innewerdens aller Weisen des Umgreifen-
den, um des eigentlichen Seins sich vergewissern zu können.
5) Haben wir ein Objekt vor uns, so fragen wir, wenn wir wissen wollen, nach dem
Wesen dieses Objekts, nach dem Sein in diesem Seienden. Dieses bleibt in Distanz, das
Objekt ist das Andere, ist ein Sein an sich. Das im Erkennen Gemeinte ist die reine Ob-
jektivität. -Jedoch das Objekt, welches es auch sei, ist erfasst durch uns als Subjekt.
Alle Objektivität ist so, wie sie ist, durch eine Subjektivität. - Es gilt also der alte Satz:
Keine Objektivität ohne Subjektivität, und keine Subjektivität ohne Objektivität. We-
der bringt das Subjekt das Objekt hervor, noch ist das Objekt an sich da ohne Subjekt.
Beide sind in eins durch die Gegenwärtigkeit des Umgreifenden, das sich in ihrer Spal-
tung offenbart. Nach der Weise des Subjektseins gibt es Weisen der Objektivität; jede
Objektivität erfordert, um erfasst zu werden, die zu ihr gehörende Subjektivität. Über-
all ist die Natur der Sache am klarsten, reichsten, entfaltetsten gerade dort, wo die kräf-
tigste Subjektivität die Bedingung der reinsten Objektivität ist.
b. Beispiele des Objektivierungssinns in Physik,
Biologie und Geisteswissenschaften
Wir vergegenwärtigen beispielsweise in einzelnen Wissenschaften die Weisen der Ob-
jektivierung und charakterisieren den bestimmten Sinn solcher Objektivierung in ih-
rem jeweiligen Bereich.
aa. Die Physik: - Objektivierungen können heissen erstens die Dinge im Raum, die
ich greifen, wahrnehmen, photographieren kann, zweitens die experimentellen Be-
obachtungen, d.h. die Messungen und Zählungen mit Hilfe von Apparaten, drittens
das dem unmittelbar Wahrgenommenen zugrundeliegend Gedachte, das nach Ana-
logie der Dinge im Raum als daseiend vorgestellt wird, z.B. die Atome und Moleküle,
viertens das unanschaulich, rein mathematisch Erdachte, derart, dass Gleichungen
die Ableitung dessen gestatten, was exakt gemessen werden kann. Die ersten beiden
Objektivierungen sind geradezu für uns da, die beiden letzten erschlossen.
Das Gemeinsame aller Objektivierungen ist, dass in ihnen ein von der Willkür des
subjektiven Meinens Unabhängiges gesucht wird. Aber heterogen ist die Daseinsweise,
in der dieses Objektive gedacht wird: als unmittelbar im Wahrnehmbaren daseiend
oder als nach Analogie des Wahrnehmbaren daseiend (in Modellen gedacht), oder als
unanschaulicher Grund der Erscheinungen (rein mathematisch gedacht).
Diese Unterschiede sind durch die moderne Atomphysik klar geworden. Längst war
die Frage, ob die Atome real oder nur eine Fiktion seien, d.h. ob sie existent seien so
wie Gegenstände, die ich sehen und in die Hand nehmen kann (nur dass die Atome
wegen ihrer Kleinheit der Wahrnehmung nicht unmittelbar zugänglich sind), oder ob
sie nur ein zur Beschreibung der stofflichen Phaenomene geeignetes fiktiv erdachtes
 
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