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Jaspers, Karl; Piper, Klaus; Fonfara, Dirk [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 3, Band 8,2): Ausgewählte Korrespondenzen mit dem Piper Verlag und Klaus Piper 1942-1968 — Basel: Schwabe Verlag, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.71782#0074
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Einleitung des Herausgebers

LXXIII

genommen. So blieb er 1932 bei seiner Entscheidung, das Max Weber-Buch im natio-
nalistischen Verlag Stalling (Oldenburg) in dessen Reihe Schriften an die Nation zu
veröffentlichen, trotz massiven Protests seines mitphilosophierenden Freundes und
Schwagers Ernst Mayer.335 Ein andermal erhob ein enger Freund des Ehepaars Jaspers,
Kurt Rossmann, schwerwiegende Bedenken, dem Europäischen Buchklub (Stuttgart)
die Publikation eines Sammelbandes mit Auszügen aus Jaspers' Werken zu gestat-
ten. Rossmann hatte nämlich in Erfahrung gebracht, dass der Buchklub von ehemali-
gen NS-Funktionären geleitet wird: »Es scheint wirklich eine sehr fragwürdige Gesell-
schaft zu sein. Auch politisch höchst zweifelhafte Autoren wie Hans Grimm [...] soll
der Klub [...] verlegen.«336 Gleichwohl blieb Jaspers bei seiner Zusage und äußerte sich
brieflich auch nicht mehr zu Rossmanns Bedenken. Der Auswahlband erschien, mit
einem Nachwort von Rossmann, unter dem Titel Vernunft und Freiheit.337
So spricht einiges dafür, dass Jaspers bei Piper geblieben wäre, wenn der Verle-
ger ihm über seinen Verlagsleiter und über die Kündigung Ingeborg Bachmanns bzw.
über das Schicksal der Gekreuzten Regenbogen reinen Wein eingeschenkt hätte. Frei-
lich wäre die bisher so einvernehmliche Beziehung dann eindeutig mit einem nicht
unbeträchtlichen Makel behaftet gewesen, und Jaspers hätte von Piper nicht mehr als

335 Ernst Mayer warf ihm damals vor, er sei »zu lax gewesen in der Auswahl des Verlegers. [...] Ein
Popularisierungsversuch kann hier zu plumper Verschleuderung durch ein skrupel[l]osen Ver-
leger werden. [...] Ich finde ihn eindeutig schlimm.« (E. Mayer an K. Jaspers, o.D. [14. Okto-
ber 1932], DLA, A: Jaspers). Jaspers erklärt sich hierzu, ohne seine Entscheidung für Stalling zu
annullieren, wie folgt: »In der Tat habe ich hier skrupellos - in Deinem Sinne lax und schwach -
gehandelt. Ich dachte so: Der Verlag ist alt [...], hat auch gute Sachen [...]. Der Verlag ist in Olden-
burg und hat diese Beziehung zu mir, die mir zugleich die grosse Freude meines Vaters einbringt,
dass sein Sohn hier erscheint. [...] Vielleicht hat mich der Teufel gepackt? [...] Ich war naiv - sei
es glücklich oder töricht naiv; nachdem ich in der Verlegerfrage übermütig war.« (K. Jaspers an
E. Mayer, 17. Oktober 1932, ebd.). Ein weiterer Beweggrund für Jaspers, bei Stalling den Vertrag
für das Max Weber-Buch zu unterschreiben, lag in seiner Bekanntschaft mit Martin Venzky, den
Schwiegersohn des Verlegers. Denn Venzky war mit Jaspers' 1931 verstorbenem Bruder Enno
befreundet. Vgl. hierzu KJG III/8.1, Stellenkommentar, Nr. 1012, sowie Korrespondentenverzeich-
nis, ebd., 840-841.

336 K. Rossmann an K. Jaspers, 11. Oktober 1959, DLA, A: Jaspers. - Von dem völkischen Schriftstel-
ler und Publizisten Hans Grimm (1875-1959) brachte der 1950 gegründete Europäische Buchklub
Die südafrikanischen Novellen (Stuttgart u.a. o.J. [1950]) heraus. Der jetzige und bis 1970 amtie-
rende Programmleiter, der Literaturwissenschaftler Hellmuth Langenbucher, früher ein einfluss-
reicher NSDAP-Journalist und -Publizist, kam 1951 durch den ehemaligen NS-Kulturfunktionär
und -Schriftsteller Gerhard Schumann dorthin. Rossmann lag mit seiner Ansicht somit durch-
aus richtig, denn es »glich der Klub einer Auffangorganisation für Ehemalige aus der national-
sozialistischen Kulturpolitik« (R. Bähre: »Hellmuth Langenbucher (1905-1980). Beschreibung
einer literaturpolitischen Karriere«, in: Archiv für Geschichte des Buchwesens 47 (1997) 249-308,
hier: 281).

337 Vgl. K. Jaspers: Vernunft und Freiheit. Ausgewählte Schriften, mit einem Nachwort von K. Ross-
mann, Stuttgart u.a. o.J. [1960].
 
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