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Jaspers, Karl; Piper, Klaus; Fonfara, Dirk [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 3, Band 8,2): Ausgewählte Korrespondenzen mit dem Piper Verlag und Klaus Piper 1942-1968 — Basel: Schwabe Verlag, 2020

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LXXII

Einleitung des Herausgebers

Das zeigt ein durchaus ambivalentes Verhalten Pipers. Jaspers beließ es dabei, offen-
sichtlich wollte er nicht nachhaken. Immerhin hatte er gefragt.
Wenn wir davon ausgehen, dass Jaspers von der NS-Vergangenheit des Verlags-
leiters nichts gewusst hat, bleibt immer noch die Frage, was passiert wäre, wenn er
davon erfahren hätte. Wäre er bereit gewesen, den Piper Verlag zu verlassen? Klaus
Pipers Schweigen, nicht zuletzt im Fall Bachmann, kann man als eine positive Ant-
wort auf diese Frage verstehen. Er befürchtete wohl, dass Jaspers dann die Zusam-
menarbeit beendet hätte oder durch andere - etwa Gertrud Jaspers oder auch Han-
nah Arendt, die ja des Öfteren ihre liebe Not mit Piper hatte33° - dazu gedrängt worden
wäre. Doch dass Gertrud versucht hätte, ihren Mann zu einer Trennung von Piper zu
überreden, ist unwahrscheinlich. Denn sie stellte auch früher, etwa bei Heidegger,
ihre Vorbehalte zurück und stattdessen die Freude ihres Mannes an den philosophi-
schen Debatten mit ihm an oberste Stelle, als Heidegger im März und Juni 1933 die
letzten Male zu Besuch kam. Sie legte sich Contenance auf, auch wenn es ihr schwer
fiel.331 So hätte sie sich wohl auch im Falle eines »enttarnten Verlagsleiters« verhal-
ten. Denn ihr Mann hatte Klaus Piper ja durch dessen wohlüberlegte, »großartige«,332
»wirklich einzigartig[e]«333 Propaganda für die Verbreitung seines Werkes viel zu ver-
danken. Und Gertrud wusste, dass auch die Wahrheit die Propaganda benötigt, wie
»nicht nur das Unrecht, sondern auch das Recht den Advokaten verlangt, wenn es
nicht unterliegen will«.334
Und Jaspers selbst? Auch wenn Gertrud Jaspers oder Hannah Arendt heftig pro-
testiert hätten - einmal getroffene Verlags- bzw. Publikationsentscheidungen hat
Jaspers trotz schwerer Bedenken ihm nahestehender Personen nicht mehr zurück-

330 Für Arendt ist Piper ein »komischer Kauz« (H. Arendt an K. Jaspers, 7. September 1956, in: dies.:
Briefwechsel 1926-1969, 333), den sie doch lieber meiden möchte, denn sie »habe mit ihm kein
Glück.« (H. Arendt an K. Jaspers, 4. November 1957, ebd., 363). Im Gegenteil: Oft hat sie mit ihm
Schwierigkeiten und fürchtet, »das wird immer so sein.« (H. Arendt an H. Saner, 21. Januar 1970,
Durchschlag, DLA, A: Arendt).

331 G. Jaspers an H. u. K. Jaspers senior, 23. März 1933, DLA, A: Jaspers: »Heidegger's Besuch war für
Kally eine grosse Freude. Eben ist er abgereist. [...] Kally war die Tage von Heidegger ganz absor-
biert. Es war wunderschön für ihn.« Noch deutlicher wird ihr Unbehagen einige Monate später,
vor dem letzten Besuch Heideggers: »ich muss mich für morgen zusammenreissen. Heidegger
kommt [...]. Ich muss, da Kally Colleg hat, wenn er ankommt, ihn empfangen. Nun, ich muss
mir sagen: Du bist eine Orientalin, die haben Gastfreundschaft zu pflegen! Und ich muss ein-
fach liebenswürdig schweigen! Hoffentlich kriege ich es fertig. Es muss ja sein für Kally und seine
Freundschaft für Heidegger.« (G. Jaspers an H. Jaspers, 29. Juni 1933, ebd.).

332 K. Jaspers an H. Arendt, 1. Mai 1958, in: dies.: Briefwechsel 1926-1969, 386 (z.B. die Herstellung
von Vorabexemplaren des Atombombenbuches auf schlechtem Papier zu Lesezwecken für Buch-
händler und das Radio).

333 K. Jaspers an D. Lattmann, 16. Mai 1958, DLA, A: Piper.

334 K. Jaspers: »Über Gefahren und Chancen der Freiheit«, 368.
 
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