Karl Jaspers - Piper Verlag (1964)
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einer Seite sagt,1545 möchte ich ausbauen und ergänzen. Ihre Grundauffassung ist die
meine. Nur möchte ich, was im Eichmann-Buch kein Thema war, für die deutschen
Leser zur Geltung bringen: vor allem die Geschwister Scholl und Julius Leber, die
beiden grossen reinen Lichtpunkte, auch politisch, und das, was H. A. nun »bewun-
dernswert« nennt: Stauffenberg, Ludwig Beck.1546 Politisch teile ich ihr Urteil. Mir
scheint, dass H. A.' Urteile die Grösse, die da war, um so reiner als solche herausheben
lässt.
Meine Schrift über H. A. wird ein Buch. Vielleicht schrieb ich Ihnen schon. Es hat
zwei Teile: Die Themata und dann: H. A.' Schaffen, Denkungsart und die ihr zuteil
gewordene Kritik. Für alles sind viele Notizen da. Ich bin jetzt beim fortlaufenden
Schreiben. Wie lange es dauern wird, weiss ich nicht. Hoffentlich sind Sie nicht unzu-
frieden, weder mit dem Anwachsen zum Buch noch mit der Zeitverlängerung.
Schön, dass Sie das Gespräch mit Günter Gaus als Weihnachtsgabe abgedruckt
haben und versenden.1547 Die Reaktion in Deutschland ist immer noch, gemessen an
der Bedeutung des Buches, mager. Nur wenige reden dabei von dem deutschen Pro-
blem - dem Verhältnis zum »Widerstand« und dem Zustand der Bundesrepublik. Sich
zu empören, bringt in gefährliche politisch-grundsätzliche Erörterungen. Zuzustim-
m en hat wohl kaum jemand den Mut.
Ihnen und Ihrer Familie geht es, wie Ihre liebe Frau der meinen schrieb,1548 offen-
bar vortrefflich. Möge es so bleiben, das neue Jahr Ihnen allen Freude bringen und der
Verlag blühen.
Herzliche Grüsse für Sie beide
Ihr Karl Jaspers
Für Ihre Weihnachtsgeschenke (Russische Liter.-Geschichte, Max Weber, Polnische
Kunst im 15.Jahrh.) vielen Dank!1549
286 Karl Jaspers an Klaus Piper
Manuskript; DLA, A: Piper
Basel, 29.12.64
Lieber Herr Piper!
Gestern ging ein Brief an Sie an Ihre Privatadresse ab. Eben erhalte ich den Ihrigen
vom 22/12. Ich danke Ihnen herzlich.
Das bei uns ganz vorwiegende Interesse für Hannah Arendt hält bei mir unvermin-
dert an. Ich schrieb Ihnen, dass die Broschüre wohl ein Buch wird. Weil ich so viel
dazu lesen muss, dauert es länger. Und ich lebe in der Grundverfassung des »Ruhe-
standes«, in dem man zwar mit Lust, aber ohne die »Pflicht« von Terminen arbeitet.
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einer Seite sagt,1545 möchte ich ausbauen und ergänzen. Ihre Grundauffassung ist die
meine. Nur möchte ich, was im Eichmann-Buch kein Thema war, für die deutschen
Leser zur Geltung bringen: vor allem die Geschwister Scholl und Julius Leber, die
beiden grossen reinen Lichtpunkte, auch politisch, und das, was H. A. nun »bewun-
dernswert« nennt: Stauffenberg, Ludwig Beck.1546 Politisch teile ich ihr Urteil. Mir
scheint, dass H. A.' Urteile die Grösse, die da war, um so reiner als solche herausheben
lässt.
Meine Schrift über H. A. wird ein Buch. Vielleicht schrieb ich Ihnen schon. Es hat
zwei Teile: Die Themata und dann: H. A.' Schaffen, Denkungsart und die ihr zuteil
gewordene Kritik. Für alles sind viele Notizen da. Ich bin jetzt beim fortlaufenden
Schreiben. Wie lange es dauern wird, weiss ich nicht. Hoffentlich sind Sie nicht unzu-
frieden, weder mit dem Anwachsen zum Buch noch mit der Zeitverlängerung.
Schön, dass Sie das Gespräch mit Günter Gaus als Weihnachtsgabe abgedruckt
haben und versenden.1547 Die Reaktion in Deutschland ist immer noch, gemessen an
der Bedeutung des Buches, mager. Nur wenige reden dabei von dem deutschen Pro-
blem - dem Verhältnis zum »Widerstand« und dem Zustand der Bundesrepublik. Sich
zu empören, bringt in gefährliche politisch-grundsätzliche Erörterungen. Zuzustim-
m en hat wohl kaum jemand den Mut.
Ihnen und Ihrer Familie geht es, wie Ihre liebe Frau der meinen schrieb,1548 offen-
bar vortrefflich. Möge es so bleiben, das neue Jahr Ihnen allen Freude bringen und der
Verlag blühen.
Herzliche Grüsse für Sie beide
Ihr Karl Jaspers
Für Ihre Weihnachtsgeschenke (Russische Liter.-Geschichte, Max Weber, Polnische
Kunst im 15.Jahrh.) vielen Dank!1549
286 Karl Jaspers an Klaus Piper
Manuskript; DLA, A: Piper
Basel, 29.12.64
Lieber Herr Piper!
Gestern ging ein Brief an Sie an Ihre Privatadresse ab. Eben erhalte ich den Ihrigen
vom 22/12. Ich danke Ihnen herzlich.
Das bei uns ganz vorwiegende Interesse für Hannah Arendt hält bei mir unvermin-
dert an. Ich schrieb Ihnen, dass die Broschüre wohl ein Buch wird. Weil ich so viel
dazu lesen muss, dauert es länger. Und ich lebe in der Grundverfassung des »Ruhe-
standes«, in dem man zwar mit Lust, aber ohne die »Pflicht« von Terminen arbeitet.