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Meier, Mischa [Hrsg.]; Radtki, Christine [Hrsg.]; Schulz, Fabian [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Malalas-Studien: Schriften zur Chronik des Johannes Malalas (Band 1): Die Weltchronik des Johannes Malalas: Autor - Werk - Überlieferung — Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51241#0032
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Die christliche Paideia des Johannes Malalas

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Um die Implikationen dieser sprachlichen Besonderheiten für den Bildungs-
hintergrund des Malalas zu würdigen, muss man sich klar machen, dass das antike
Bildungssystem äußerst konservativ war.23 Zugeständnisse an die Entwicklung der
gesprochenen Sprache wurden dezidiert nicht gemacht, vielmehr versuchte man,
die Fähigkeit zu vermitteln, möglichst reines attisches Griechisch zu schreiben, also
künstlich einen Sprachzustand zu bewahren, wie er im Athen des 5. und 4. Jh. v. Chr.
geherrscht hatte.24 Dementsprechend orientierte man sich in der Lexik, Phraseologie,
Grammatik und im Stil an klassischen Mustern, insbesondere den attischen Red-
nern und der klassischen Historiographie. Sprachlich machte sich dieser Klassizismus
etwa in der geradezu ostentativen Verwendung des Duals, des Optativs oder in der
Verwendung klassischer Namensformen bemerkbar: So bezeichneten klassizistische
Autoren Konstantinopel anachronistisch als Byzantion, christliche Ämter und Ins-
titutionen wurden umschrieben.25 Diese über viele Jahre in mühsamer Arbeit erwor-
bene Kunstsprache legte ein klassisch Gebildeter nicht leichtfertig ab, sondern achtete
vielmehr peinlich genau auf die Einhaltung ihrer Normen. Denn die Fähigkeit, sich
sprachlich angemessen auszudrücken, begründete den eigenen kulturellen und auch
sozialen Status,26 ja sie war geradezu konstitutiv für die eigene Identität.27 Darüber
hinaus war die Ästhetik der klassischen Literatursprache in den vielen Jahren des
Unterrichts sicherlich in den allermeisten Fällen verinnerlicht worden. Vor diesem
Hintergrund scheint die Annahme, Malalas habe eine rhetorische Bildung genossen,
schwer vorstellbar.28 Man müsste denn annehmen, er habe sein sprachliches Niveau
bei der Abfassung seiner Chronik bewusst radikal abgesenkt.29
Neben der Fähigkeit, attisches Griechisch zu schreiben, vermittelte der gramma-
tisch-rhetorische Unterricht auch die Kenntnis zentraler Autoren und Werke: Im
grammatischen Unterricht stand die Dichterlektüre auf dem Programm, im rhetori-
schen Unterricht wurden vor allem die Muster der klassischen Kunstprosa behandelt.
23 Browning (2000), S. 855 spricht von „rigid conservatism“.
24 Vgl. Marron (1957), S. 297.
25 Die wichtigsten sprachlichen Merkmale des Attizismus sind bei Horrocks (2010), S. 138; i57f. aufgelis-
tet. Zur Verwendung von Umschreibungen für christliche Begriffe vgl. Cameron/Cameron (1964).
26 Vgl. Kaster (1988). Zur Funktion von Paideia als sozialem Distinktionsmerkmal vgl. Brown (1992), S.
35 ff.
27 Zur identitätsstiftenden Funktion von Bildung vgl. besonders Heather (1994), S. 185: „A totally artificial,
shared literary literacy gave a sense of identity to a landowning class widely dispersed between Hadrian’s
Wall and the Euphrates; it also incidentally provided them with an enemy to unite against, in the form
of Barbarians' considered the antithesis of their cultural tradition. At the same time, the fact that this
shared artificial literacy was the key to rewarding careers, both gave mastery of it an extra functional
point, and meant that the landed classes had every interest in involving themselves actively in the state.
A shared literacy, the key to elite status and rewarding careers, was thus the cornerstone of the social
fabric of the late Empire.“
28 Vgl. Treadgold (2007), S. 235: ,,(H)is informal style is not what we would expect of a rhetor, (...).“
29 Hunger (1978), S. 323 scheint eine entsprechende Stilabsenkung tatsächlich anzunehmen: „Damit ge-
lang es ihm scheinbar mühelos, dem Prokrustesbett des Attizismus zu entgehen und sein Sprachniveau
etwa auf gehobene Umgangssprache einzustellen. Nur so konnte er hoffen, von den breiten Volks-
schichten, für die er schreiben wollte, verstanden zu werden. Malalas ist der erste byzantinische Autor,
bei dem wir dies beobachten können.“
 
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