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Carrara, Laura [Hrsg.]; Meier, Mischa [Hrsg.]; Radtki-Jansen, Christine [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Malalas-Studien: Schriften zur Chronik des Johannes Malalas (Band 2): Die Weltchronik des Johannes Malalas: Quellenfragen — Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.51242#0278
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Johannes „der Rhetor*

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genannten antiochenischen Erdbebenpassagen liegen können. Zum einen war Ma-
lalas ungefährer Zeitzeuge dieser drei Ereignisse, in einem Fall (Erdbeben von 526
n.Chr.) möglicherweise sogar Augenzeuge:18 Es versteht sich von selbst, dass er dem
Versuch nicht wiederstehen konnte, der eigenen seelischen und vielleicht auch physi-
schen Betroffenheit Ausdruck zu geben, indem er sich um eine würdige (d.h. detail-
lierte und elaborierte) schriftliche Berichterstattung bemühte.19 So erklärt sich zum
Beispiel, warum Malalas sich in diesen drei Passagen stärker als sonst für Not und
Leiden der Bevölkerung interessierte: Weil er bzw. seine Mitbürger sich darunter be-
fanden. Zum anderen - aber mit dem ersten Aspekt eng verzahnt - hat die glückliche
Quellenlage eine Rolle gespielt: Es versteht sich auch von selbst, dass bei zeitlicher
und persönlicher Nähe zu den geschilderten Fakten die Quellenbeschaffung einfacher
wird, das Quellenmaterial selbst vielfältiger und ergiebiger als für weit zurückliegende
Ereignisse, seine Interpretation fundierter.20 Die moderne Malalas-Forschung geht
erstens davon aus, dass für die drei in Rede stehenden antiochenischen Erdbebenpas-
sagen {Chronographia XIV 36, XVIII 27 und XVII 16) dem Chronisten die eigenen
Erfahrungen und Erinnerungen bzw. diejenigen seiner Mitmenschen21 zur Verfügung
standen; zweitens nimmt sie an, dass die Lebendigkeit dieser mündlichen, sicherlich
emotional sehr bewegten Erzählungen seine Berichterstattung konkret prägte. Roger
Scott hat es treffend auf dem Punkt gebracht:
In Book 18 his oral sources may well have provided Malalas with his account of
the riots and earthquakes (in particular the sufferings of survivors) (...). Malalas
perhaps reveals the oral origin of this kind of material since here alone he manages
to write a lively, vivid, quick-moving narrative that is so very different from his
usually plodding record.22

18 So Downey (1961), S. 521 Anm. 79,522 Anm. 83 und 528 Anm. in; Μ. Jeffreys (1990), S. 228; Cameron
(1993), S. 351; Sonnabend (1999), S. 33; Schamp (2006), S. cxxx; Sonnabend (2013), S. 27; Jones (2014),
S. 63. Nach Croke (1990a), S. 8-9 war Malalas Augenzeuge auch des Erdbebens des Jahres 528 n.Chr.
19 Das hat insbesondere Μ. Jeffreys (1990), S. 228 hervorgehoben; siehe auch Sonnabend (2013), S. 27.
20 Dass Malalas unterschiedliche Quellen je nach Epoche der zu verzeichnenden Erdbeben heranzog,
hatte im Grunde schon Patzig (1892), S. 31 gesehen: „Wenn Malalas im 11. und 12. Buche von Erdbeben
in Antiochia, Rhodos, Kyzikos, Nikomedia, Salamis und im 17. Buche von solchen in Dyrrhachium,
Korinth, Anazarbos, Edessa, Antiochia erzählt, so hat er sicher weder Stadtchroniken, noch Fasten-
annalen benutzt, sondern die ersteren aus anderen Chronographen übernommen und die letzteren in
der Hauptsache selbst als Chronograph gesammelt“. In diesem Beitrag geht es darum, zu entdecken,
auf welche Informationskanäle genau der Chronist Malalas für die neueren Antiochia-Beben rekurrie-
ren konnte; für die älteren Beben weist er selbst explizit auf gattungsähnliche Schriften hin, diejenigen
der von ihm auch sonst erwähnten Gewährsmänner: vgl. z.B. die Quellenangabe in Chronographia VIII
24 (S. 157,35-36 Thurn) zum Wiederaufbau Antiochias nach dem Erdbeben von 148 bzw. 130 v.Chr. καί
άνενεώθη πάσα, καθώς Δομνΐνος ό χρονογράφος συνεγράψατο.
2ΐ Für das Beben von 458 n.Chr. wohl von den älteren unter ihnen.
22 Scott (1981), S. 23; siehe in diesem Sinne z.B. auch Whitby (1992), S. 60. Anlässlich der Beschreibung
der ruinösen Überflutung von Edessa in 525 n. Chr. lässt Malalas überlebende Augenzeugen sogar di-
rekt zur Sprache kommen (έΛεγον δε οί περισωθέντες καί οίκούντες τήν αυτήν πόΛιν κτΛ.,
Chronographia XVII15, S. 345, Thurn). Zu den mündlichen Quellen des Malalas siehe den Beitrag
von Jonas Borsch und Christine Radtki in diesem Band.
 
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