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Carrara, Laura [Hrsg.]; Meier, Mischa [Hrsg.]; Radtki-Jansen, Christine [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Malalas-Studien: Schriften zur Chronik des Johannes Malalas (Band 2): Die Weltchronik des Johannes Malalas: Quellenfragen — Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.51242#0279
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Laura Carrara

Darüber hinaus nehmen viele Forscher an, dass Malalas für seine Erdbebenpassagen
auch offizielle schriftliche Dokumente benutzte, die eben anlässlich jener Ereignisse
verfasst worden waren. Es handelte sich dabei um Berichte {relationes), die von staat-
lichen Behörden vor Ort (also in diesem Falle in Antiochia) geschrieben wurden und
dazu dienten, den Kaiser im fernen Konstantinopel über das eingetroffene Unglück
und die entstandenen Schäden genau zu unterrichten (sodass er auf der Basis zuverläs-
siger und präziser Informationen die nötigen Hilfsmaßnahmen veranlassen konnte).
Als Aufbewahrungsort dieser Dokumente nimmt man traditionell die Archive der lo-
kalen Verwaltung an:23 Man hat vor allem an diejenigen des Comes Orientis gedacht,24
in dessen Mitarbeiterstab Malalas nach moderner communis opinio tätig war.25 Neueste
Studien tendieren dazu, die Relevanz dieser Archive zu relativieren und vermuten
stattdessen, dass Malalas’ Informationsquellen zu den antiochenischen Erdbeben (so-
wie zu allen anderen wichtigen städtischen Ereignissen seiner Zeit) eher oder auch
Dokumente waren, die an öffentlichen Orten der Stadt (Kirchentüren, Plätzen o.ä.)
angeschlagen wurden und somit nicht nur der Beamtenschaft, sondern jedem (lesefä-
higen) Bürger zugänglich waren.26 27
2.These: Eine rhetorische Schrift unter den Quellen
von ChronographiaWW 16
Doch abgesehen vom genauen Aufbewahrungsort dieser Dokumente: Dass neben
Augenzeugenberichten auch Schriftstücke verwaltungstechnischer Art und Herkunft
zu den Quellen des Malalas für die zeitgenössischen Erdbeben von Antiochia (und
von anderen Städten) zählten, erscheint plausibel und soll auch hier keineswegs in
Zweifel gezogen werden.27 Die Annahme einer derartigen Quelle bzw. Quellenart
schließt aber nicht aus, dass spezifisch für die hier im Fokus stehende, hinsichtlich
inhaltlicher und struktureller Komplexität alle anderen übertreffende Erdbebenschil-
derung der Chronik (die in Chronographia XVII 16), dem Chronisten neben diesen
23 Zu der Abhängigkeit des Malalas von den städtischen Archiven für die drei hier in Rede stehenden
Erdbebenberichte siehe Croke (1990a), S. 8-10; Jeffreys (1990c), S. 203-205,208-209; Μ. Jeffreys (1990),
S. 228; Jeffreys (2003), S. 504-505,515,518; Meier (2007a), S. 249; Meier (2007b), S. 570-571; Thurn/Meier
(2009), S. 21.
24 Zu den verschiedenen Verwaltungsarchiven, die in Antiochia ihren Sitz hatten, siehe Jeffreys (1990c),
S. 208.
25 Siehe z.B. Jeffreys/Jeffreys/Scott (1986), S. xxii; Croke (1990a), S. 11,19; Jeffreys (2003), S. 505; Meier
(2007a), S. 247; Meier (2007b), S. 569; Thurn/Meier (2009), S. 21.
26 Siehe die Beiträge von Michael Kulikowski und Roger Scott in diesem Band, und bereits Scott (1981),
S. 19, aufgegriffen z.B. von Loudovä (2005), S. 60. Als Stütze für diese These sei an die Erwähnung von
zwei Edikten Justinians in Chronographia XVIII 67 und XVIII 78 erinnert, von denen gesagt wird, dass
sie in Antiochia auf öffentlichen Brettern (S. 393, 76 Thurn) bzw. in jeder Reichstadt in den Kirchen
(S. 402,40 Thurn) angeschlagen wurden: Die Vermutung liegt nahe, dass Malalas sie gerade dort gele-
sen hatte; vorsichtiger und offen für andere Alternativen bleibt allerdings Jeffreys (1990c), S. 202.
27 Dieselbe Quellenhypothese ist bezüglich der Erdbebenkapitel Chronographia XV 11 und XVIII 112
(beide bereits in Abschnitt 1 kurz besprochen) von Croke (1990a), S. 10 und 23 formuliert worden.
 
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