Metadaten

Hinüber, Oskar von [Bearb.]
Die Felsbildstation Thalpan: 2. Katalog Thalpan (Steine 31 - 195) — Materialien zur Archäologie der Nordgebiete Pakistans, Band 7: Mainz, 2005

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.36975#0013
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
VORWORT

Innerhalb der großen Felsbildprovinz, die sich in der Hochgebirgsregion Nordpakistans am oberen Induslauf zwi-
schen Shatial in Indus-Kohistan bis zur Brücke von Raikot südlich von Gilgit in einer Ausdehnung von etwa 100
km erstreckt, nimmt Thalpan mit dem gegenüberliegenden Chilas die Rolle eines Zentralortes ein. Hier erweitert
sich das Tal im Mündungsbereich der südlichen Zuflüsse Thak Gah und Buto Gah sowie des vom Norden herab-
fließenden Kiner Gah auf eine Länge von etwa 5 km zum Becken von Chilas. Es liegt in einer Höhe von 1050 m
ü. M. und wird an dieser Stelle in ostwestlicher Richtung vom Indus durchflossen. Im Norden wird die Talland-
schaft von den zum Hindukusch gehörenden Gilgit-Ketten, im Süden von den Randgebirgen des Westhimalaya mit
dem 2.145 m hohen Harpen eingerahmt, im Nordwesten überragt vom sich 8.126 m auftürmenden Massiv des
Nanga Parbat, des "nackten Berges". Sein ursprünglicher dardischer Name Diamar, der "König der Berge",
"Himmlischer Berg", aber auch "Sitz der Feen" bedeutet, ist auf die ganze Region von Chilas, den Diamar-Di-
strikt, übertragen worden. Die Entstehung von Chilas als Mittelpunkt der Region wurde durch die Lage im Schnitt-
punkt verschiedener Handelsrouten begünstigt. Die entlang des Induslaufs führenden beiden Verkehrswege besit-
zen an der Stelle der modernen Brücke zwischen Thalpan und Chilas einen der wichtigsten Flußübergänge in die-
sem Gebiet. In Chilas münden die von Zentralasien und aus der Gilgit-Ebene kommenden Straßen in den durch das
Thak Gah führenden Hauptweg, der nach etwa 30 km den in 4268 m Höhe liegenden Babusar-Paß erreicht. Dieser
Weg Endet danach Anschluß an Routen, die nach Kaschmir und über Hazara in die Tiefebenen des Indus reichen.
Die weit in die Vergangenheit zurückreichende Bedeutung von Chilas als Zentralort und von Thalpan als mögli-
cher kultischer Mittelpunkt der Region ist aber erst seit buddhistischer Zeit historisch nachvollziehbar. Die ein-
drucksvollsten Zeugnisse dafür stellen zahlreiche Felsbilder und InschriEen dar, die sich um beide Orte in großer
Vielfalt aus verschiedenen Epochen seit dem Epipaläolithikum konzentrieren und die beiden Hauptrouten am In-
dus begleiten. Auf die bedeutenden buddhistischen Darstellungen und InschriEen in der auch "Jayachand" genann-
ten Felsengruppe von Chilas-Brücke waren schon 1905 Ghulam Mohammad und danach 1942 Sir M. Aurel Stein
aufmerksam geworden. Eine umfassende Dokumentation der reichen Felsbildkonzentration um Chilas-Thalpan
hatte aber erst Karl Jettmar, der die Bedeutung der Felsbildprovinz 1973 bei einer Fahrt durch das obere Industal
erkannt hatte, anstoßen können, nachdem 1979 der Karakorum Highway eröffnet und damit diese nach 1974 ver-
schlossene Region der Forschung wieder zugänglich wurde. Das in Zusammenarbeit mit Ahmad Hasan Dani be-
gründete pakistanisch-deutsche Projekt konnte bereits im folgenden Jahr mit der Feldarbeit beginnen. Zwischen
1981 und 1988 wurden unter Leitung der beiden Gelehrten die Dokumentationsarbeiten unter der Mitwirkung von
V. Thewalt und verschiedenen Mitarbeitern auch in den zentralen Orten um Chilas und Thalpan aufgenommen.
Während einer dieser Kampagnen hatte 1981 Jaroslav Poncar (Köln) auch eine umfangreiche photographische Do-
kumentation erstellt. Für die abschließende Publikation dieser bedeutendsten Felsbildkonzentration am Oberen In-
dus wurde auf der Grundlage einer neuen topographischen Aufnahme der Gesamtregion eine systematische Kartie-
rung und vollständige Dokumentation aller Gravuren und Inschriften notwendig. Erst diese vollständige Erfassung
aller Felsbildstationen im Talbecken von Chilas sollte den heterogenen Charakter der einzelnen Fundplätze deut-
lich werden lassen. Die unterschiedlichen Felsbildkonzentrationen überwiegend buddhistischer Ikonographie set-
zen sich häuEg klar von den Gravurgruppen ab, in denen Darstellungen mit Jagdszenen und lokal geprägten oder
nachbuddhistischen Bildern vorherrschen. Dadurch wurde auch eine Neugruppierung der einzelnen Stationen mög-
lich, sodaß die in den Vorberichten übliche vorläuEge Zählung oder alte Benennung der Felsgruppen wie Chilas
1-IX aufgegeben und soweit wie möglich durch Flurnamen ersetzt wird. Mit dem Nachweis der verschiedenen an-
tiken Wegeführungen und einzelner Architekturreste ist es möglich geworden, in Umrissen ein Bild der Siedlungs-
geschichte in der von Sanddünen, Schotterterrassen und Felsgruppen bestimmten Tallandschaft zu zeichnen.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften