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Neymeyr, Barbara; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 1/2): Kommentar zu Nietzsches Unzeitgemässen Betrachtungen: I. David Strauss der Bekenner und der Schriftsteller, II. Vom Nutzen und Nachtheil der Historie für das Leben — Berlin, Boston: De Gruyter, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.69926#0030
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4 David Strauss der Bekenner und der Schriftsteller

Wochen in der ersten Niederschrift fertig“ sei, zum Geburtstag am 22. Mai zu
übersenden, habe sich durch seine universitären Verpflichtungen und auf-
grund „plötzlicher und schmerzhafter Augenschwäche“ nicht realisieren las-
sen, weil sich infolgedessen der Überarbeitungsprozess erheblich verlangsamt
habe, so dass er noch um „ein Weilchen Zeit“ bitten müsse (KSB 4, Nr. 309,
S. 154).
Mit der Chronologie von N.s Produktionsphasen und dem Inhalt seiner
Schriften lässt sich allerdings gegen die These von Janz argumentieren, N.
habe UB IDS bereits im Februar/März 1873 brieflich zum Thema gemacht (vgl.
Janz 1978, Bd. 1, 557-558), als er Carl von Gersdorff am 2. März 1873 [Janz (ebd.,
557) nennt irrtümlich den 24. Februar] mitteilte, er wolle Wagner mit einer eige-
nen Schrift unter dem (noch hypothetischen) Titel „,der Philosoph als Arzt der
Cultur‘ [...] zu seinem nächsten Geburtstag [...] überraschen“ (KSB 4, Nr. 298,
S. 132). Denn am 22. März 1873 bezeichnete N. diesen provisorischen Werktitel
in einem Brief an Erwin Rohde als Titel seines „ganz langsam sich gebärenden
Buches über griechische Philosophie“ (KSB 4, Nr. 300, S. 136), so dass sich eine
Beziehung zu UB I DS hier schon thematisch nicht herstellen lässt. Zudem geht
aus Nachlass-Notaten von 1872/73 eindeutig hervor, dass N. mit seinem briefli-
chen Hinweis auf diese (ebenfalls kulturdiagnostisch akzentuierte) Arbeit, die
er selbst damals ausdrücklich als ein „Seitenstück zur ,Geburt“4 verstand
(KSB 4, Nr. 298, S. 132), die Schrift meinte, die später den Titel Die Philosophie
im tragischen Zeitalter der Griechen erhielt. Diesen Titel nennt N. sogar schon
am 15. Februar 1873 in einem Brief an seine Mutter und Schwester als „wahr-
scheinlich“ (KSB 4, Nr. 295, S. 122). - Wie weitgehend PHG auf die Philosophie
der Vorsokratiker fokussiert ist, mithin - wie Die Geburt der Tragödie - im
Horizont der Antike steht, zeigen schon die meisten der nachgelassenen Notate
zwischen 21 [6] und 26 [23] aus dieser Zeitphase (vgl. NL 1872-73, 21 [6] - 26
[23], KSA 7, 524-585). Die Titelvarianten, mit denen N. dort experimentiert, rei-
chen von „Der Philosoph als Arzt der Cultur“ (NL 1872-73, 23 [15],
KSA 7, 545) bis zu Formulierungen mit deutlicher Affinität zum endgültigen
Titel der Schrift Die Philosophie im tragischen Zeitalter der Griechen (vgl. dazu
die Titelvarianten in KSA 7, 524, 527, 547, 548, 554, 585). - Die relevanten Details
zur Chronologie der jeweiligen Entstehungsprozesse von UB I DS und PHG
nennt Montinari (vgl. KSA 14, 59, 108): Während PHG von N. in einer „druck-
manuskriptartige [n] Fassung“ schon „im April 1873 mit nach Bayreuth“ ge-
bracht wurde (vgl. KSA 14, 108), und zwar „zum Vorlesen“ (KSB 4, Nr. 301,
S. 139), gelang N. die erste Niederschrift von UB I DS zwar weitgehend in der
zweiten Aprilhälfte 1873, aber berufsbedingte Beanspruchung und gesundheit-
liche Einschränkungen hinderten ihn dann doch daran, die Schrift rechtzeitig
vor Wagners 60. Geburtstag am 22. Mai 1873 abzuschließen (vgl. Montinari in
KSA 14, 59).
 
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