Überblickskommentar, Kapitel 1.1: Motivation und Entstehung 5
Wie N. in einem Brief an Hugo von Senger am 20. November 1873 mitteilte
(KSB 4, Nr. 329, S. 180), übernahm schließlich sein Freund Carl von Gersdorff
die Niederschrift des endgültigen Manuskripts von UB I DS nach Diktat - als
„meine rechte Hand und mein linkes Auge“ (KSB 4, Nr. 313, S. 157). Am 25. Juni
1873 wurde das für den Druck vorbereitete Textkonvolut an den Leipziger Ver-
leger Ernst Wilhelm Fritzsch gesandt, der bereits Die Geburt der Tragödie publi-
ziert hatte. Fritzsch antwortete schon vier Tage später, am 29. Juni, und erklärte
sich „Mit Vergnügen“ dazu bereit, den Text zu publizieren (KGB II4, Nr. 444,
S. 266), obwohl er im Hinblick auf N.s Publikationsabsicht zunächst eher eine
reservierte Einstellung hatte erkennen lassen; denn sein Verlag war vornehm-
lich auf musikalische Werke spezialisiert (vgl. Schaberg 2002, 55). Nach einem
fünfwöchigen Druckprozess lag UB I DS vereinbarungsgemäß dann bereits am
8. August 1873 als Broschüre mit einem hellgrünen Pappumschlag vor; einge-
legt war ein loses Blatt mit „Berichtigungen“, weil der Korrektor zehn Druck-
fehler nicht verbessert hatte (vgl. ebd., S. 56). Schon am folgenden Tag konnte
N. selbst die fertige Schrift in seinem Urlaubsort Flims entgegennehmen. Der
vollständige Titel der Originalausgabe lautet: Unzeitgemässe Betrachtungen /
von / Dr. Friedrich Nietzsche, / ordentl. Professor der classischen Philologie / an
der Universität Basel. / Erstes Stück: / David Strauss / der Bekenner und der
Schriftsteller. - Entgegen dieser markanten Selbstpräsentation des Autors be-
hauptet Elisabeth Förster-Nietzsche im zweiten Band ihrer Biographie Das Le-
ben Friedrich Nietzsche’s allerdings erstaunlicherweise: „Mein Bruder hätte
,David Strauß4 gern unter fremdem Namen, als von einem in Deutschland le-
benden Ausländer verfaßt, erscheinen lassen, da er derartige Mystificationen
sehr liebte. Auch bei späteren Veröffentlichungen hatte er solche Absichten,
aber immer scheiterten seine Wünsche an dem Widerstand der Verleger, die
den schon bekannten und umstrittenen Namen durchaus nicht missen woll-
ten“ (Förster-Nietzsche 1897, Bd. II/l, 128). - Carl von Gersdorffs Druckmanu-
skript ist nicht erhalten geblieben, wohl aber die Korrekturen und ein durch
ihn angefertigtes Druckfehlerverzeichnis sowie eine Korrekturfahne (vgl. dazu
KSA 14, 59). Da N.s Verleger Fritzsch unter dem Einfluss der deutschen Wirt-
schaftskrise nach 1872 in gravierende finanzielle Schwierigkeiten geraten war,
verzögerte sich die vereinbarte Honorarzahlung an N. bis zum 27. August 1874.
Ähnlich wie bei N.s Erstlingswerk Die Geburt der Tragödie gestaltete sich
auch bei UB I DS der Hiat zwischen optimistischen Erwartungen und desillusi-
onierenden Erfahrungen: „Zunächst Enthusiasmus und Hoffnungen auf um-
fangreiche Verkäufe, dann eine enttäuschende Rezeption und schliesslich viele
retournierte Exemplare“ (Schaberg 2002, 57). Bereits am 27. Oktober 1873 teilte
N. Carl von Gersdorff brieflich mit, sein Verleger Fritzsch stelle ihm sogar noch
im selben Jahr eine zweite Auflage von UB I DS in Aussicht, „wenn der Verkauf
Wie N. in einem Brief an Hugo von Senger am 20. November 1873 mitteilte
(KSB 4, Nr. 329, S. 180), übernahm schließlich sein Freund Carl von Gersdorff
die Niederschrift des endgültigen Manuskripts von UB I DS nach Diktat - als
„meine rechte Hand und mein linkes Auge“ (KSB 4, Nr. 313, S. 157). Am 25. Juni
1873 wurde das für den Druck vorbereitete Textkonvolut an den Leipziger Ver-
leger Ernst Wilhelm Fritzsch gesandt, der bereits Die Geburt der Tragödie publi-
ziert hatte. Fritzsch antwortete schon vier Tage später, am 29. Juni, und erklärte
sich „Mit Vergnügen“ dazu bereit, den Text zu publizieren (KGB II4, Nr. 444,
S. 266), obwohl er im Hinblick auf N.s Publikationsabsicht zunächst eher eine
reservierte Einstellung hatte erkennen lassen; denn sein Verlag war vornehm-
lich auf musikalische Werke spezialisiert (vgl. Schaberg 2002, 55). Nach einem
fünfwöchigen Druckprozess lag UB I DS vereinbarungsgemäß dann bereits am
8. August 1873 als Broschüre mit einem hellgrünen Pappumschlag vor; einge-
legt war ein loses Blatt mit „Berichtigungen“, weil der Korrektor zehn Druck-
fehler nicht verbessert hatte (vgl. ebd., S. 56). Schon am folgenden Tag konnte
N. selbst die fertige Schrift in seinem Urlaubsort Flims entgegennehmen. Der
vollständige Titel der Originalausgabe lautet: Unzeitgemässe Betrachtungen /
von / Dr. Friedrich Nietzsche, / ordentl. Professor der classischen Philologie / an
der Universität Basel. / Erstes Stück: / David Strauss / der Bekenner und der
Schriftsteller. - Entgegen dieser markanten Selbstpräsentation des Autors be-
hauptet Elisabeth Förster-Nietzsche im zweiten Band ihrer Biographie Das Le-
ben Friedrich Nietzsche’s allerdings erstaunlicherweise: „Mein Bruder hätte
,David Strauß4 gern unter fremdem Namen, als von einem in Deutschland le-
benden Ausländer verfaßt, erscheinen lassen, da er derartige Mystificationen
sehr liebte. Auch bei späteren Veröffentlichungen hatte er solche Absichten,
aber immer scheiterten seine Wünsche an dem Widerstand der Verleger, die
den schon bekannten und umstrittenen Namen durchaus nicht missen woll-
ten“ (Förster-Nietzsche 1897, Bd. II/l, 128). - Carl von Gersdorffs Druckmanu-
skript ist nicht erhalten geblieben, wohl aber die Korrekturen und ein durch
ihn angefertigtes Druckfehlerverzeichnis sowie eine Korrekturfahne (vgl. dazu
KSA 14, 59). Da N.s Verleger Fritzsch unter dem Einfluss der deutschen Wirt-
schaftskrise nach 1872 in gravierende finanzielle Schwierigkeiten geraten war,
verzögerte sich die vereinbarte Honorarzahlung an N. bis zum 27. August 1874.
Ähnlich wie bei N.s Erstlingswerk Die Geburt der Tragödie gestaltete sich
auch bei UB I DS der Hiat zwischen optimistischen Erwartungen und desillusi-
onierenden Erfahrungen: „Zunächst Enthusiasmus und Hoffnungen auf um-
fangreiche Verkäufe, dann eine enttäuschende Rezeption und schliesslich viele
retournierte Exemplare“ (Schaberg 2002, 57). Bereits am 27. Oktober 1873 teilte
N. Carl von Gersdorff brieflich mit, sein Verleger Fritzsch stelle ihm sogar noch
im selben Jahr eine zweite Auflage von UB I DS in Aussicht, „wenn der Verkauf