Überblickskommentar, Kapitel 11.2: Quellen 259
Zeit zwischen Herbst und Dezember 1873 ab. Sie umfassen mehr als 80 Seiten
(KSA 7, 646-730), haben also einen ähnlichen Umfang wie der ausformulierte
Text. Insgesamt kommt diesen Notaten der Charakter einer Material- und Ge-
dankensammlung zu, die bereits die thematischen Schwerpunkte der endgülti-
gen Textfassung enthält: Im Zentrum steht die Problematisierung einer Vergan-
genheitsorientierung, welche die lebendige Gegenwart und die Ausrichtung
auf die Zukunft zu überlagern droht. Daraus resultieren N.s Vorbehalte hin-
sichtlich der ,Historie4 und der historischen Bildung4 des 19. Jahrhunderts, sei-
ne Kritik an einem sterilen, auf Fakten fixierten Objektivitätsideal, das er im
6. Kapitel implizit an Leopold von Ranke als Leitfigur exemplifiziert, und die
pointierte Polemik gegen eine geschichtsphilosophische Überformung der His-
toriographie. N. problematisiert sie, indem er zwei weitere Leitfiguren ins Vi-
sier nimmt: Hegel und Eduard von Hartmann, der damals als Bestseller-Autor
aktuell war. Bereits in UBI DS hatte sich N. einem auf dem Buchmarkt erfolg-
reichen Autor zugewandt, indem er David Friedrich Strauß’ Schrift Der alte und
der neue Glaube attackierte.
Noch deutlicher als die publizierte Historienschrift lassen die nachgelasse-
nen Notate aus der Entstehungszeit erkennen, dass N. prominente Kritiker ei-
nes Glaubens an den höheren Sinn der Geschichte als Zeugen aufzubieten ge-
dachte, um die eigene Position zu stärken. Zugleich bilden die Exzerpte und
Zitate der Materialsammlung einen Fundus, mit dem er die Darstellung verle-
bendigen wollte. - Die Vorstufen zu UB II HL finden sich im Textkonvolut der
nachgelassenen Fragmente (KSA 7, 646-730). Zur Entstehung der Historien-
schrift vgl. auch Salaquarda 1984, 15-30.
11.2 Quellen und Einzugsgebiete
Anders als UB II HL beziehen sich die drei anderen Unzeitgemässen Betrachtun-
gen primär auf konkrete Werke und Autoren: So nimmt UB I DS David Friedrich
Strauß’ Alterswerk Der alte und der neue Glaube ins Visier. In UB III SE stehen
die Philosophie und Person Arthur Schopenhauers im Zentrum, vor allem seine
Schrift Ueber die Universitäts-Philosophie. Und UB IV WB geht auf die wichtig-
sten Stationen in der Biographie des Komponisten Richard Wagner ein und
berücksichtigt dabei auch seine Opern und theoretischen Schriften. Im Unter-
schied dazu signalisiert schon der Titel der Historienschrift, dass sich N. hier
nicht auf eine einzelne Persönlichkeit konzentriert, um deren Werke zum The-
ma zu machen oder sie im Zeitkontext kulturkritisch zu reflektieren. Vielmehr
geht es ihm um ein übergeordnetes epochales Phänomen: um die Geschichts-
kultur des 19. Jahrhunderts. Zwar attackiert N. mehrere Repräsentanten der
Zeit zwischen Herbst und Dezember 1873 ab. Sie umfassen mehr als 80 Seiten
(KSA 7, 646-730), haben also einen ähnlichen Umfang wie der ausformulierte
Text. Insgesamt kommt diesen Notaten der Charakter einer Material- und Ge-
dankensammlung zu, die bereits die thematischen Schwerpunkte der endgülti-
gen Textfassung enthält: Im Zentrum steht die Problematisierung einer Vergan-
genheitsorientierung, welche die lebendige Gegenwart und die Ausrichtung
auf die Zukunft zu überlagern droht. Daraus resultieren N.s Vorbehalte hin-
sichtlich der ,Historie4 und der historischen Bildung4 des 19. Jahrhunderts, sei-
ne Kritik an einem sterilen, auf Fakten fixierten Objektivitätsideal, das er im
6. Kapitel implizit an Leopold von Ranke als Leitfigur exemplifiziert, und die
pointierte Polemik gegen eine geschichtsphilosophische Überformung der His-
toriographie. N. problematisiert sie, indem er zwei weitere Leitfiguren ins Vi-
sier nimmt: Hegel und Eduard von Hartmann, der damals als Bestseller-Autor
aktuell war. Bereits in UBI DS hatte sich N. einem auf dem Buchmarkt erfolg-
reichen Autor zugewandt, indem er David Friedrich Strauß’ Schrift Der alte und
der neue Glaube attackierte.
Noch deutlicher als die publizierte Historienschrift lassen die nachgelasse-
nen Notate aus der Entstehungszeit erkennen, dass N. prominente Kritiker ei-
nes Glaubens an den höheren Sinn der Geschichte als Zeugen aufzubieten ge-
dachte, um die eigene Position zu stärken. Zugleich bilden die Exzerpte und
Zitate der Materialsammlung einen Fundus, mit dem er die Darstellung verle-
bendigen wollte. - Die Vorstufen zu UB II HL finden sich im Textkonvolut der
nachgelassenen Fragmente (KSA 7, 646-730). Zur Entstehung der Historien-
schrift vgl. auch Salaquarda 1984, 15-30.
11.2 Quellen und Einzugsgebiete
Anders als UB II HL beziehen sich die drei anderen Unzeitgemässen Betrachtun-
gen primär auf konkrete Werke und Autoren: So nimmt UB I DS David Friedrich
Strauß’ Alterswerk Der alte und der neue Glaube ins Visier. In UB III SE stehen
die Philosophie und Person Arthur Schopenhauers im Zentrum, vor allem seine
Schrift Ueber die Universitäts-Philosophie. Und UB IV WB geht auf die wichtig-
sten Stationen in der Biographie des Komponisten Richard Wagner ein und
berücksichtigt dabei auch seine Opern und theoretischen Schriften. Im Unter-
schied dazu signalisiert schon der Titel der Historienschrift, dass sich N. hier
nicht auf eine einzelne Persönlichkeit konzentriert, um deren Werke zum The-
ma zu machen oder sie im Zeitkontext kulturkritisch zu reflektieren. Vielmehr
geht es ihm um ein übergeordnetes epochales Phänomen: um die Geschichts-
kultur des 19. Jahrhunderts. Zwar attackiert N. mehrere Repräsentanten der