386 Vom Nutzen und Nachtheil der Historie für das Leben
innerung4“ bietet (Meyer 1998, 191). Wesentlich erscheint dabei ein komple-
mentäres Verhältnis von ,Erinnerung4 und Vergessen4, das für die ,Konstruk-
tion4 der Historie essentielle Bedeutung hat. - Und Viktor Zmegac sieht durch
N. den in Moderne und Postmoderne geläufigen „Vergleich der historistischen
Vergangenheitsmusterung mit einem riesigen Museum44 vorweggenommen; da-
bei verspreche auch N.s Eskapismus in eine Metaphysik der Kunst keinen Aus-
weg, weil in der Konsequenz des Historismus die Kunst ebenfalls „in einen
orientierungslosen Wirbel des Nebeneinanders von Stilen“ gerate, und zwar
ohne Aussicht auf neue Einheitskonzepte (vgl. Zmegac 1996, 182). Zwar unter-
scheide sich N.s Glaube an die „Kraft historischer Analogien“, an die perma-
nente Gültigkeit „geschichtlicher Universalien“ und an ein klassizistisches
„Bollwerk“ gegen den nivellierenden Relativismus grundlegend von postmo-
dernen Konzepten; aber mit seinen Ansichten zum „Karneval der Stile“ und zur
„ironischen Endzeit der Kunstentwicklung“ erweise sich N. als „ein vorzeitiger
Augur des jüngsten Fin de siede“ (ebd., 183).
11.9 Problematische Aspekte der Historienschrift
1. Das Spannungsverhältnis zwischen Zeitgemäßheit und Unzeitgemäßheit
N. rechtfertigt seinen Anspruch auf ,Unzeitgemäßheit4 mit seiner altphilologi-
schen Provenienz (247, 4-9), mit der sich zwar die Distanz zur Gegenwart, nicht
aber das Zukunftspotential,unzeitgemäßer4 Perspektiven begründen lässt. Zu-
dem ist die Vorstellung der ,Unzeitgemäßheit4 durch die Korrelation zur Zeitge-
mäßheit definiert und bleibt an diese als Kontrastfolie prinzipiell gebunden.
Als zeitgemäß erweisen sich N.s Unzeitgemässe Betrachtungen dadurch, dass
er seine kritischen Epochendiagnosen auf Probleme der eigenen Gegenwart
konzentriert. Hinzu kommt, dass seine Kulturkritik nachhaltig durch zeitgemä-
ße Wertvorstellungen der bürgerlichen Bildungstradition geprägt ist (vgl. dazu
Abschnitt 9 im vorliegenden Kapitel II.9). Insofern bietet N.s Historienschrift
insgesamt eine komplexe Synthese aus zeitgemäßen und unzeitgemäßen
Perspektiven (vgl. dazu auch Heidegger, Bd. 46, 2003, 105-106). Vor diesem
Hintergrund relativiert sich der von N. emphatisch proklamierte Anspruch auf
,Unzeitgemäßheit4, zumal er die eigene kulturkritische Position in der Histori-
enschrift auch nicht im Hinblick auf geschichtliche Einflüsse hinterfragt.
2. Mischung der Denkstile und heterogener Duktus der Darstellung
In der Historienschrift fällt eine Pluralität der Denkstile auf, weil N. hier Cha-
rakteristika von kulturkritischer Polemik und philosophischem Diskurs in einer
innerung4“ bietet (Meyer 1998, 191). Wesentlich erscheint dabei ein komple-
mentäres Verhältnis von ,Erinnerung4 und Vergessen4, das für die ,Konstruk-
tion4 der Historie essentielle Bedeutung hat. - Und Viktor Zmegac sieht durch
N. den in Moderne und Postmoderne geläufigen „Vergleich der historistischen
Vergangenheitsmusterung mit einem riesigen Museum44 vorweggenommen; da-
bei verspreche auch N.s Eskapismus in eine Metaphysik der Kunst keinen Aus-
weg, weil in der Konsequenz des Historismus die Kunst ebenfalls „in einen
orientierungslosen Wirbel des Nebeneinanders von Stilen“ gerate, und zwar
ohne Aussicht auf neue Einheitskonzepte (vgl. Zmegac 1996, 182). Zwar unter-
scheide sich N.s Glaube an die „Kraft historischer Analogien“, an die perma-
nente Gültigkeit „geschichtlicher Universalien“ und an ein klassizistisches
„Bollwerk“ gegen den nivellierenden Relativismus grundlegend von postmo-
dernen Konzepten; aber mit seinen Ansichten zum „Karneval der Stile“ und zur
„ironischen Endzeit der Kunstentwicklung“ erweise sich N. als „ein vorzeitiger
Augur des jüngsten Fin de siede“ (ebd., 183).
11.9 Problematische Aspekte der Historienschrift
1. Das Spannungsverhältnis zwischen Zeitgemäßheit und Unzeitgemäßheit
N. rechtfertigt seinen Anspruch auf ,Unzeitgemäßheit4 mit seiner altphilologi-
schen Provenienz (247, 4-9), mit der sich zwar die Distanz zur Gegenwart, nicht
aber das Zukunftspotential,unzeitgemäßer4 Perspektiven begründen lässt. Zu-
dem ist die Vorstellung der ,Unzeitgemäßheit4 durch die Korrelation zur Zeitge-
mäßheit definiert und bleibt an diese als Kontrastfolie prinzipiell gebunden.
Als zeitgemäß erweisen sich N.s Unzeitgemässe Betrachtungen dadurch, dass
er seine kritischen Epochendiagnosen auf Probleme der eigenen Gegenwart
konzentriert. Hinzu kommt, dass seine Kulturkritik nachhaltig durch zeitgemä-
ße Wertvorstellungen der bürgerlichen Bildungstradition geprägt ist (vgl. dazu
Abschnitt 9 im vorliegenden Kapitel II.9). Insofern bietet N.s Historienschrift
insgesamt eine komplexe Synthese aus zeitgemäßen und unzeitgemäßen
Perspektiven (vgl. dazu auch Heidegger, Bd. 46, 2003, 105-106). Vor diesem
Hintergrund relativiert sich der von N. emphatisch proklamierte Anspruch auf
,Unzeitgemäßheit4, zumal er die eigene kulturkritische Position in der Histori-
enschrift auch nicht im Hinblick auf geschichtliche Einflüsse hinterfragt.
2. Mischung der Denkstile und heterogener Duktus der Darstellung
In der Historienschrift fällt eine Pluralität der Denkstile auf, weil N. hier Cha-
rakteristika von kulturkritischer Polemik und philosophischem Diskurs in einer