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Neymeyr, Barbara; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 1/2): Kommentar zu Nietzsches Unzeitgemässen Betrachtungen: I. David Strauss der Bekenner und der Schriftsteller, II. Vom Nutzen und Nachtheil der Historie für das Leben — Berlin, Boston: De Gruyter, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.69926#0051
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Überblickskommentar, Kapitel 1.4: Selbstaussagen Nietzsches 25

1.4 Selbstaussagen Nietzsches und der Stellenwert
der Schrift im Werkkontext
Am 29. April 1873 erwähnt N. seine Schrift David Strauss der Bekenner und der
Schriftsteller in einem Brief an seine Mutter und Schwester: Ihnen teilt er mit,
er nutze die letzte Ferienzeit für „eine polemische Abhandlung gegen David
Strauss“ (KSB 4, Nr. 306, S. 148). Später nimmt N. retrospektiv vor allem in
Ecce homo auf UB I DS Bezug. Auf die Publikation des Textes reagieren N. und
seine Freunde mit Enthusiasmus, wie seine Schwester Elisabeth Förster-Nietz-
sche im Biographie-Band Der junge Nietzsche (1912) später unter Rekurs auf
einen Brief Carl von Gersdorffs an Erwin Rohde berichtet: „Endlich am 8. Au-
gust kam das erste fertige Exemplar nach Flims, was die Veranlassung zu ei-
nem von Gersdorff veranstalteten Fest gab. Er beschreibt es sehr reizend an
Rohde am 9. August: ,Um y? 4 begaben wir uns an den grünen Cauma-See; es
wurden die Buchstaben U. B. I. F. N. 8./8.1873 in eine schräge Marmorfelsplatte
gegraben; darauf schwammen wir auf einen Feldblock, der mitten im See aus
der grünen Flut emporragt/ Hier wurden die Anfangsbuchstaben der Namen
der Freunde eingraviert“ (Förster-Nietzsche 1912, Bd. 1, 340). Weitere Details zu
diesem Flims-Aufenthalt nennt Janz (1978, Bd. 1, 541-544). - Elisabeth Förster-
Nietzsche zitiert anschließend erneut Carl von Gersdorff: ,„Nach dem Bade seg-
neten wir mit Wein den ersten Stein und seine Inschrift und lasen Leopardis
Ricordanze und ad un vincitore nel pallone. Der Abend war himmlisch rein
und klar. Ein unvergeßlicher Tag. So feierten wir die Antistruthiade [sic]. Nun
mögen die Widersacher kommen. Hol’ sie alle der Teufel/ / Diese Widersacher
zeigten sich auch in überraschender Fülle, es waren ihrer mehr als mein Bru-
der und seine Freunde erwartet hatten. Er erinnerte sich aber in späteren Jah-
ren gern an diesen seinen ersten Waffengang; noch im Jahre 1888 schilderte er
die gesamten Vorgänge auf das ausführlichste im Ecce homo, allerdings in viel
schärferen Ausdrücken, als wie er 1873 gebrauchte. ,Die vier Unzeitgemäßen
sind durchaus kriegerisch [...]“‘ (Förster-Nietzsche 1912, Bd. 1, 340).
Mit dieser Formulierung nimmt sie auf N.s Spätschrift Ecce homo Bezug,
aus der sie ausführlich zitiert (ebd., 340-342). Dort beginnt N. seinen Rückblick
auf „Die Unzeitgemässen“ mit der folgenden Textpassage: „Die vier Un-
zeitgemässen sind durchaus kriegerisch. Sie beweisen, dass ich kein ,Hans
der Träumer4 war, dass es mir Vergnügen macht, den Degen zu ziehn, - viel-
leicht auch, dass ich das Handgelenk gefährlich frei habe. Der erste Angriff
(1873) galt der deutschen Bildung, auf die ich damals schon mit schonungslo-
ser Verachtung hinabblickte. Ohne Sinn, ohne Substanz, ohne Ziel: eine blosse
öffentliche Meinung4. Kein bösartigeres Missverständniss als zu glauben, der
grosse Waffen-Erfolg der Deutschen beweise irgend Etwas zu Gunsten dieser
 
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