Überblickskommentar, Kapitel 1.7: Strauß’ Buch Der alte und der neue Glaube 55
Das Leben Jesu Jur das deutsche Volk bearbeitet (1864). N. rezipierte es im Früh-
ling 1865 noch während seiner Studienzeit (vgl. Paul Deussen 1901, 20). Da
Strauß auf dieses Werk jedoch weniger Resonanz erhielt, als er erhofft hatte,
begann er, sein Buch Die christliche Glaubenslehre in ihrer geschichtlichen Ent-
wicklung und im Kampfe mit der modernen Wissenschaft dargestellt (1840/41)
zu überarbeiten und dabei zugleich zu radikalisieren. Während des deutsch-
französischen Krieges von 1870/71 nahm Strauß brieflich Kontakt zu Ernest
Renan auf, dem Autor des Buches Vie de Jesus (1863), das unter dem Titel Das
Leben Jesu in deutscher Übersetzung erschien (4. Aufl. 1864) und zu einem
wichtigen Referenzmedium für N.s eigene Auseinandersetzung mit dem Chris-
tentum wurde. Strauß publizierte den Briefwechsel mit Ernest Renan unter dem
Titel Krieg und Friede: Zwei Briefe an Ernest Renan nebst dessen Antwort auf
den ersten (1870). Anstelle einer umgearbeiteten Version der Christlichen Glau-
benslehre publizierte David Friedrich Strauß im Jahre 1872 sein neues Buch Der
alte und der neue Glaube. Ein Bekenntniß (1872), in dem er unter Rückgriff auf
Natur- und Geschichtskonzepte von Schopenhauer, Darwin, Haeckel und an-
deren Autoren eine Weltanschauung entwirft, die materialistisch und darwinis-
tisch ausgerichtet ist und sich sowohl von Prämissen der Hegelschen Philoso-
phie als auch von christlichen Überzeugungen weit entfernt. Am 8. Februar
1874 starb Strauß in Ludwigsburg.
Wirkungsgeschichtlich gilt David Friedrich Strauß’ Werk Das Leben Jesu,
kritisch bearbeitet als das wichtigste seiner Werke, weil es über lange Zeit den
theologischen Diskurs prägte (vgl. Kuhn 2001, 243). Zwar wurde der Name
Strauß infolgedessen „zum Symbol des ungläubigen Theologen stilisiert“ (vgl.
ebd., 244), aber zugleich führte die radikale, den Prinzipien der Aufklärung
verpflichtete Bibel- und Dogmenkritik in diesem Werk zu folgenreichen theolo-
gischen und religionsphilosophischen Debatten über die Korrelationen zwi-
schen Geschichte, Wissen und Glauben, deren Nachwirkungen bis in die Ge-
genwart reichen. Denn das durch Strauß eröffnete Spannungsfeld von Mythos
und Entmythologisierung sowie von „Historie und Kerygma“, mit dem er sich
sowohl von supranaturalistischen als auch von rationalistischen Konzepten
abgrenzte, stimulierte die Forschung zum Neuen Testament im 20. Jahrhundert
auf maßgebliche Weise (vgl. ebd.).
1.7 Strauß* Buch Der alte und der neue Glaube.
Ein Bekenntniß
In seinem Buch Der alte und der neue Glaube. Ein Bekenntniß propagiert Strauß
einen ,neuen Glauben4, der von Hegels Geschichtsphilosophie, von Darwins
Das Leben Jesu Jur das deutsche Volk bearbeitet (1864). N. rezipierte es im Früh-
ling 1865 noch während seiner Studienzeit (vgl. Paul Deussen 1901, 20). Da
Strauß auf dieses Werk jedoch weniger Resonanz erhielt, als er erhofft hatte,
begann er, sein Buch Die christliche Glaubenslehre in ihrer geschichtlichen Ent-
wicklung und im Kampfe mit der modernen Wissenschaft dargestellt (1840/41)
zu überarbeiten und dabei zugleich zu radikalisieren. Während des deutsch-
französischen Krieges von 1870/71 nahm Strauß brieflich Kontakt zu Ernest
Renan auf, dem Autor des Buches Vie de Jesus (1863), das unter dem Titel Das
Leben Jesu in deutscher Übersetzung erschien (4. Aufl. 1864) und zu einem
wichtigen Referenzmedium für N.s eigene Auseinandersetzung mit dem Chris-
tentum wurde. Strauß publizierte den Briefwechsel mit Ernest Renan unter dem
Titel Krieg und Friede: Zwei Briefe an Ernest Renan nebst dessen Antwort auf
den ersten (1870). Anstelle einer umgearbeiteten Version der Christlichen Glau-
benslehre publizierte David Friedrich Strauß im Jahre 1872 sein neues Buch Der
alte und der neue Glaube. Ein Bekenntniß (1872), in dem er unter Rückgriff auf
Natur- und Geschichtskonzepte von Schopenhauer, Darwin, Haeckel und an-
deren Autoren eine Weltanschauung entwirft, die materialistisch und darwinis-
tisch ausgerichtet ist und sich sowohl von Prämissen der Hegelschen Philoso-
phie als auch von christlichen Überzeugungen weit entfernt. Am 8. Februar
1874 starb Strauß in Ludwigsburg.
Wirkungsgeschichtlich gilt David Friedrich Strauß’ Werk Das Leben Jesu,
kritisch bearbeitet als das wichtigste seiner Werke, weil es über lange Zeit den
theologischen Diskurs prägte (vgl. Kuhn 2001, 243). Zwar wurde der Name
Strauß infolgedessen „zum Symbol des ungläubigen Theologen stilisiert“ (vgl.
ebd., 244), aber zugleich führte die radikale, den Prinzipien der Aufklärung
verpflichtete Bibel- und Dogmenkritik in diesem Werk zu folgenreichen theolo-
gischen und religionsphilosophischen Debatten über die Korrelationen zwi-
schen Geschichte, Wissen und Glauben, deren Nachwirkungen bis in die Ge-
genwart reichen. Denn das durch Strauß eröffnete Spannungsfeld von Mythos
und Entmythologisierung sowie von „Historie und Kerygma“, mit dem er sich
sowohl von supranaturalistischen als auch von rationalistischen Konzepten
abgrenzte, stimulierte die Forschung zum Neuen Testament im 20. Jahrhundert
auf maßgebliche Weise (vgl. ebd.).
1.7 Strauß* Buch Der alte und der neue Glaube.
Ein Bekenntniß
In seinem Buch Der alte und der neue Glaube. Ein Bekenntniß propagiert Strauß
einen ,neuen Glauben4, der von Hegels Geschichtsphilosophie, von Darwins