60 David Strauss der Bekenner und der Schriftsteller
1.8 Die Struktur des Gedankengangs in der Abfolge
der Kapitel
N. hat seine Schrift David Strauss der Bekenner und der Schriftsteller (157-242)
in zwölf bezifferte Kapitel von unterschiedlichem Umfang gegliedert. Nach der
Exposition in den Kapiteln 1 und 2 eröffnet N. seine Polemik im 3. Abschnitt.
Ihm folgt in den Kapiteln 4 bis 7 die Kritik an Strauß’ Konzeption eines ,neuen
Glaubens4. Der Attacke auf die Universitätsgelehrsamkeit in Abschnitt 8 schließt
sich in den Kapiteln 9 bis 12 eine ausführliche Stilkritik an.
1.
Im 1. Kapitel von UB I DS (159-164) beschreibt N. anfangs Konsequenzen des
Krieges von 1870/71 für die Kultur. Zunächst formuliert er die provokative The-
se: „ein grosser Sieg ist eine grosse Gefahr. Die menschliche Natur erträgt ihn
schwerer als eine Niederlage“ (159). Anschließend spezifiziert er diese Aussa-
ge, indem er betont, der „Siegesjubel“ könne in eine wahnhafte „Selbstglorifi-
cation“ münden, die letztlich die „Exstirpation des deutschen Geis-
tes zu Gunsten des ,deutschen Reiches“4 zur Folge habe (160). Durch
den Sieg über die Franzosen sieht N. bei den Deutschen eine euphorische
Selbstüberschätzung entstehen, wenn von der eigenen militärischen Überle-
genheit zu Unrecht auf einen Primat auch in der Kultur geschlossen wird.
N. vollzieht eine ,unzeitgemäße4 Inversion der „öffentlichen Meinung“
(159) , indem er darlegt, welche problematischen Folgen sich aus dem allgemei-
nen nationalen Triumph durch den „Irrthum“ ergeben, „dass auch die deut-
sche Kultur in jenem Kampfe gesiegt habe“ (159). Dieser von Schriftstellern,
Gelehrten und Journalisten geförderten Illusion (161-162) hält N. seine Über-
zeugung entgegen, dass die „productive Kultur“ der Franzosen (163) auch nach
dem Sieg des deutschen Militärs weiterhin dominiert und von den Deutschen
lediglich imitiert wird (163).
Vom äußeren Gegner wechselt die Perspektive dann zum „inneren Feind“
(160) . Mit einer nur scheinbar von Kultiviertheit zeugenden „Gebildetheit“
(160) kontrastiert N. die „ächte deutsche Bildung“ (161). Denjenigen, die vor-
schnell vom „Siege der deutschen Bildung und Kultur“ ausgehen (162-163),
attestiert er Ignoranz und eine „phlegmatische Gefühllosigkeit für die Kultur“
(163). Dieser Diagnose einer problematischen Fehlhaltung lässt N. die zentrale
Definition folgen: „Kultur ist vor allem Einheit des künstlerischen Stiles in al-
len Lebensäusserungen eines Volkes“ (163). In Opposition zu diesem Anspruch
sieht er die Kultur der Deutschen von einem „chaotischen Durcheinander aller
1.8 Die Struktur des Gedankengangs in der Abfolge
der Kapitel
N. hat seine Schrift David Strauss der Bekenner und der Schriftsteller (157-242)
in zwölf bezifferte Kapitel von unterschiedlichem Umfang gegliedert. Nach der
Exposition in den Kapiteln 1 und 2 eröffnet N. seine Polemik im 3. Abschnitt.
Ihm folgt in den Kapiteln 4 bis 7 die Kritik an Strauß’ Konzeption eines ,neuen
Glaubens4. Der Attacke auf die Universitätsgelehrsamkeit in Abschnitt 8 schließt
sich in den Kapiteln 9 bis 12 eine ausführliche Stilkritik an.
1.
Im 1. Kapitel von UB I DS (159-164) beschreibt N. anfangs Konsequenzen des
Krieges von 1870/71 für die Kultur. Zunächst formuliert er die provokative The-
se: „ein grosser Sieg ist eine grosse Gefahr. Die menschliche Natur erträgt ihn
schwerer als eine Niederlage“ (159). Anschließend spezifiziert er diese Aussa-
ge, indem er betont, der „Siegesjubel“ könne in eine wahnhafte „Selbstglorifi-
cation“ münden, die letztlich die „Exstirpation des deutschen Geis-
tes zu Gunsten des ,deutschen Reiches“4 zur Folge habe (160). Durch
den Sieg über die Franzosen sieht N. bei den Deutschen eine euphorische
Selbstüberschätzung entstehen, wenn von der eigenen militärischen Überle-
genheit zu Unrecht auf einen Primat auch in der Kultur geschlossen wird.
N. vollzieht eine ,unzeitgemäße4 Inversion der „öffentlichen Meinung“
(159) , indem er darlegt, welche problematischen Folgen sich aus dem allgemei-
nen nationalen Triumph durch den „Irrthum“ ergeben, „dass auch die deut-
sche Kultur in jenem Kampfe gesiegt habe“ (159). Dieser von Schriftstellern,
Gelehrten und Journalisten geförderten Illusion (161-162) hält N. seine Über-
zeugung entgegen, dass die „productive Kultur“ der Franzosen (163) auch nach
dem Sieg des deutschen Militärs weiterhin dominiert und von den Deutschen
lediglich imitiert wird (163).
Vom äußeren Gegner wechselt die Perspektive dann zum „inneren Feind“
(160) . Mit einer nur scheinbar von Kultiviertheit zeugenden „Gebildetheit“
(160) kontrastiert N. die „ächte deutsche Bildung“ (161). Denjenigen, die vor-
schnell vom „Siege der deutschen Bildung und Kultur“ ausgehen (162-163),
attestiert er Ignoranz und eine „phlegmatische Gefühllosigkeit für die Kultur“
(163). Dieser Diagnose einer problematischen Fehlhaltung lässt N. die zentrale
Definition folgen: „Kultur ist vor allem Einheit des künstlerischen Stiles in al-
len Lebensäusserungen eines Volkes“ (163). In Opposition zu diesem Anspruch
sieht er die Kultur der Deutschen von einem „chaotischen Durcheinander aller