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Neymeyr, Barbara; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 1,2): Kommentar zu Nietzsches "Unzeitgemässen Betrachtungen": I. David Strauss der Bekenner und der Schriftsteller, II. Vom Nutzen und Nachtheil der Historie für das Leben — Berlin, Boston: de Gruyter, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.69926#0029
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Überblickskommentar
1.1 Motivation und Entstehungsgeschichte
Mit der ersten Unzeitgemässen Betrachtung unter dem Titel David Strauss der Be-
kenner und der Schriftsteller (KSA 1,157-242) eröffnete N. die Reihe seiner kultur-
kritischen Schriften. Ursprünglich plante er nicht nur vier, sondern dreizehn Un-
zeitgemässe Betrachtungen. In einem nachgelassenen Fragment notierte er die
folgenden provisorischen Titel: „Entwurf der Unzeitgemässen Betrach-
tungen4. 1. Der Bildungsphilister. 2. Geschichte. 3. Philosoph. 4. Gelehrte. 5.
Kunst. 6. Lehrer. 7. Religion. 8. Staat Krieg Nation. 9. Presse. 10. Naturwissen-
schaft. 11. Volk Gesellschaft. 12. Verkehr. 13. Sprache“ (NL 1873-74, 30 [38],
KSA 7, 744-745). Mit diesem anfänglichen Plan verband N. die Absicht, das Ge-
samtprojekt der Unzeitgemässen Betrachtungen in nur sechs Jahren komplett zu
verwirklichen. Seiner ehrgeizigen Intention zufolge hätte er jedes Jahr zwei kul-
turkritische Essays publizieren müssen (vgl. Schaberg 2002,52).
N.s Schrift David Strauss der Bekenner und der Schriftsteller [= UB I DS] ent-
stand von Mitte April bis zum 25. Juni 1873 in Basel (KSA 14, 59). Richard und
Cosima Wagner, die N. zusammen mit Erwin Rohde im April 1873 in Bayreuth
besuchte, hatten auf das von David Friedrich Strauß veröffentlichte Buch Der
alte und der neue Glaube. Ein Bekenntniß [= ANG] bereits kritisch reagiert.
Nachdem N. von diesem Aufenthalt in Bayreuth am 15. April 1873 nach Basel
zurückgekehrt war, schrieb er nur drei Tage später in einem Brief an Richard
Wagner, er habe ANG mittlerweile „durchgelesen“ und bereite jetzt „ein
Schriftstück gegen den berühmten Schriftsteller David Strauss“ vor (KSB 4,
Nr. 304, S. 145). N. erklärte, er habe sich „ebenso über die Stumpfheit und Ge-
meinheit des Autors wie des Denkers verwundert. Eine schöne Sammlung von
Stilproben der abscheulichsten Art soll öffentlich einmal zeigen, wie es mit
diesem angeblichen ,Classiker‘ steht“ (KSB 4, Nr. 304, S. 145).
Nachdem N. mit dem Manuskript zu UB I DS zunächst rasch vorangekom-
men war, wurde seine Arbeit wenig später durch gesundheitliche Einschrän-
kungen erschwert: So erwähnte er in einem Brief an seine Mutter und Schwes-
ter am 29. April 1873, dass er „an Augenschmerzen laborire“ (KSB 4, Nr. 306,
S. 149). Aber schon wenige Tage später teilte N. seinem Freund Erwin Rohde
am 5. Mai 1873 mit, er „habe wieder etwas Lava gespieen“, so dass die „Schrift
gegen David Strauss“ bereits jetzt „ziemlich fertig“ vorliege, „wenigstens in der
ersten Skizze“ (KSB 4, Nr. 307, S. 149). Anschließend stagnierte N.s Arbeit an
UB I DS jedoch abermals, nicht zuletzt wegen der „Noth des neuen Semesters“
(KSB 4, Nr. 309, S. 154). Am 20. Mai 1873 berichtete N. in seinem Gratulations-
brief an Wagner, der ursprüngliche Plan, ihm seinen „Anti-Strauss“, der „seit

https://doi.org/10.1515/9783110286861-001
 
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