8 Schopenhauer als Erzieher
mus und Genialität als Manifestationen individueller Größe bestimmen auch
die kulturkritischen Reflexionen der anderen Unzeitgemässen Betrachtungen.
So erscheint in UB IV WB Richard Wagner mit seinem Bayreuth-Projekt als Pro-
totyp eines großen Individuums. Im Kontrast dazu steht in UBI DS der
,Bildungsphilister' David Friedrich Strauß, dem N. außer inkonsistenten, von
Fehleinschätzungen beeinträchtigten Konzepten auch eine hybride Genie-Prä-
tention vorwirft (vgl. KSA 1, 216-217). Im Zusammenhang mit der ,monumenta-
lischen Historie' exponiert N. in UB II HL Genies und Helden als Vorbildfiguren
der Vergangenheit, denen er in der kulturellen Entwicklung eine wichtige
Funktion zuspricht, weil sie Menschen späterer Epochen ermutigen und zu tat-
kräftigem Engagement motivieren können.
Indem N. in UB III SE die geistige Sterilität und den imitatorischen Gestus
epigonaler ,Nachdenker' mit der unkonventionellen Kreativität der ,Selbstden-
ker' kontrastiert, will er das genuine Potential der Philosophie zur Geltung
bringen und ihr die mittlerweile verloren gegangene Würde wieder zurückge-
ben (KSA 1, 426-427). Affinitäten zu den anderen Unzeitgemässen Betrachtun-
gen lassen sich hier insofern feststellen, als sich N. auch in UB I DS und UB II
HL kritisch mit der lähmenden Wirkung des zeitgenössischen Epigonenbe-
wusstseins auseinandersetzt (KSA 1, 169, 279, 295, 305, 418, 421). Vor dem kul-
turellen Horizont der in UB II HL reflektierten Historismus-Problematik entfal-
tet N. in UB III SE seine Kritik am Typus gelehrter „Nach- und Überdenker"
(416, 23): Sie verkörpern für ihn auch im Bereich der Universitätsphilosophie
eine unkreative Mentalität, die Analogien zu der in UB II HL exponierten Pro-
blematik der ,antiquarischen Historie' erkennen lässt. Zwar bewahrt diese mit
nostalgischer Pietät auch in einem begrenzten regionalen Lebensumfeld die
vorhandenen Traditionen und sichert so die identitätsstiftende Beheimatung,
aber zugleich fördert sie ein unkritisches Konservieren der Vergangenheitsre-
likte um ihrer selbst willen und hemmt auf diese Weise neue Ideen und kreati-
ve Impulse (vgl. KSA 1, 264-269).
Während N. in UB III SE die Philosophie idealtypisch als „ein höheres Tri-
bunal" (425, 8) von produktiver Gefährlichkeit beschreibt, das sich einem kom-
promisslosen Wahrheitsanspruch verpflichtet fühlt (427, 14) und insofern als
„Quelle des Heroischen" erscheint (426, 8-9), soll gemäß UB II HL die „kriti-
sche Historie' eine strukturanaloge Funktion übernehmen: Als Gericht über die
Vergangenheit hat sie die Aufgabe, nach dem Wertungsmaßstab des Lebens zu
urteilen und sich dabei über eine lähmende Pietät angesichts der Tradition
hinwegzusetzen. In UB III SE kontrastiert N. den „Ernst der Philosophie" mit
dem „Ungeist des Tages und der Tageblätter" (365, 2-7), den er als charakteris-
tisch für das von ihm bekämpfte „Zeitgemässe" bezeichnet (362, 31). Für die
zeitgenössischen Niedergangsphänomene macht N. mithin auch die Journalis-
mus und Genialität als Manifestationen individueller Größe bestimmen auch
die kulturkritischen Reflexionen der anderen Unzeitgemässen Betrachtungen.
So erscheint in UB IV WB Richard Wagner mit seinem Bayreuth-Projekt als Pro-
totyp eines großen Individuums. Im Kontrast dazu steht in UBI DS der
,Bildungsphilister' David Friedrich Strauß, dem N. außer inkonsistenten, von
Fehleinschätzungen beeinträchtigten Konzepten auch eine hybride Genie-Prä-
tention vorwirft (vgl. KSA 1, 216-217). Im Zusammenhang mit der ,monumenta-
lischen Historie' exponiert N. in UB II HL Genies und Helden als Vorbildfiguren
der Vergangenheit, denen er in der kulturellen Entwicklung eine wichtige
Funktion zuspricht, weil sie Menschen späterer Epochen ermutigen und zu tat-
kräftigem Engagement motivieren können.
Indem N. in UB III SE die geistige Sterilität und den imitatorischen Gestus
epigonaler ,Nachdenker' mit der unkonventionellen Kreativität der ,Selbstden-
ker' kontrastiert, will er das genuine Potential der Philosophie zur Geltung
bringen und ihr die mittlerweile verloren gegangene Würde wieder zurückge-
ben (KSA 1, 426-427). Affinitäten zu den anderen Unzeitgemässen Betrachtun-
gen lassen sich hier insofern feststellen, als sich N. auch in UB I DS und UB II
HL kritisch mit der lähmenden Wirkung des zeitgenössischen Epigonenbe-
wusstseins auseinandersetzt (KSA 1, 169, 279, 295, 305, 418, 421). Vor dem kul-
turellen Horizont der in UB II HL reflektierten Historismus-Problematik entfal-
tet N. in UB III SE seine Kritik am Typus gelehrter „Nach- und Überdenker"
(416, 23): Sie verkörpern für ihn auch im Bereich der Universitätsphilosophie
eine unkreative Mentalität, die Analogien zu der in UB II HL exponierten Pro-
blematik der ,antiquarischen Historie' erkennen lässt. Zwar bewahrt diese mit
nostalgischer Pietät auch in einem begrenzten regionalen Lebensumfeld die
vorhandenen Traditionen und sichert so die identitätsstiftende Beheimatung,
aber zugleich fördert sie ein unkritisches Konservieren der Vergangenheitsre-
likte um ihrer selbst willen und hemmt auf diese Weise neue Ideen und kreati-
ve Impulse (vgl. KSA 1, 264-269).
Während N. in UB III SE die Philosophie idealtypisch als „ein höheres Tri-
bunal" (425, 8) von produktiver Gefährlichkeit beschreibt, das sich einem kom-
promisslosen Wahrheitsanspruch verpflichtet fühlt (427, 14) und insofern als
„Quelle des Heroischen" erscheint (426, 8-9), soll gemäß UB II HL die „kriti-
sche Historie' eine strukturanaloge Funktion übernehmen: Als Gericht über die
Vergangenheit hat sie die Aufgabe, nach dem Wertungsmaßstab des Lebens zu
urteilen und sich dabei über eine lähmende Pietät angesichts der Tradition
hinwegzusetzen. In UB III SE kontrastiert N. den „Ernst der Philosophie" mit
dem „Ungeist des Tages und der Tageblätter" (365, 2-7), den er als charakteris-
tisch für das von ihm bekämpfte „Zeitgemässe" bezeichnet (362, 31). Für die
zeitgenössischen Niedergangsphänomene macht N. mithin auch die Journalis-