Überblickskommentar, Kapitel III.5: Struktur 37
die „unbefähigten Köpfe" ab (423), kann aber die Jugend durch Impulse zu
subversiver Kritik auch schädigen, statt ihre Entwicklung zu fördern.
Polemisch grenzt sich N. vom inferioren „Afterdenkerthum" (421, 418) der
akademischen Philosophie ab, die er mit der Epigonenproblematik korreliert
(418) und für völlig überflüssig hält (427). In seiner eigenen Erfahrung mit dem
Universitätsbetrieb erschienen N. die beamteten Universitätsphilosophen als
weltfremde Ignoranten und wissenschaftsferne Obskurantisten (419), die sich
anmaßend sogar als „Grenzwächter und Aufpasser der Wissenschaften" gerie-
ren (419) und dadurch einen Metastatus für sich selbst beanspruchen. Mit ihrer
deduktiven Systematik beeindrucken sie laut N. aber lediglich die unerfahrene
Jugend; die Welt hingegen begegne ihnen mit Desinteresse, andere akademi-
sche Disziplinen sogar mit Missachtung (424). Daran vermögen die Universi-
tätsphilosophen nach N.s Ansicht selbst dann nichts zu ändern, wenn sie sich
darum bemühen, sich durch Rückgriffe auf Natur- oder Geschichtswissenschaf-
ten ein interessanteres Profil zu verschaffen, um ihre Position im Spektrum der
Disziplinen zu stabilisieren, oder wenn sie sich mithilfe von Versatzstücken der
empiristischen Psychologie Herbartscher Provenienz vordergründig zu moder-
nisieren versuchen (421).
Anschließend nennt N. ein wichtiges Desiderat im Bildungsbetrieb seiner
Epoche: Seines Erachtens fehlt eine fundierte Erziehung in Schrift und Rede
(424, 343). Notwendig sei auch eine Erweiterung des kulturellen Referenz-
raums über den Horizont der griechisch-römischen Antike hinaus, deren nor-
mative Bedeutung durch die Entdeckung des indischen Altertums ohnehin be-
reits relativiert werde (424). - Aus seiner auf die Universitätsphilosophie
konzentrierten kritischen Kulturdiagnose zieht N. radikale Konsequenzen, in-
dem er dazu rät, der „gelehrtenhafte[n] Katheder-Weisheit" (426) der Philoso-
phie, die schwächlich und „friedlich im Herkömmlichen" vegetiere (426), die
„akademische Anerkennung zu entziehn" (421). Erst wenn sie von der Alma
mater abgeschnitten, von der Anbindung an Staatsinteressen befreit (422) und
dem durch journalistische Kulturetiketten zu Unrecht nobilitierten Zeitgeist
(424-425) entkommen sei, könne die Philosophie ihre eigentliche Aufgabe als
„höheres Tribunal" (425) im Dienste der Bildung wiedererlangen und damit
auch ihre für die Kultur produktive Gefährlichkeit. Genau darin erblickt N. den
heroischen Charakter der „Liebe zur Wahrheit" (427), den nach seiner Überzeu-
gung gerade die Philosophie Schopenhauers auf vorbildliche Weise repräsen-
tiert.
die „unbefähigten Köpfe" ab (423), kann aber die Jugend durch Impulse zu
subversiver Kritik auch schädigen, statt ihre Entwicklung zu fördern.
Polemisch grenzt sich N. vom inferioren „Afterdenkerthum" (421, 418) der
akademischen Philosophie ab, die er mit der Epigonenproblematik korreliert
(418) und für völlig überflüssig hält (427). In seiner eigenen Erfahrung mit dem
Universitätsbetrieb erschienen N. die beamteten Universitätsphilosophen als
weltfremde Ignoranten und wissenschaftsferne Obskurantisten (419), die sich
anmaßend sogar als „Grenzwächter und Aufpasser der Wissenschaften" gerie-
ren (419) und dadurch einen Metastatus für sich selbst beanspruchen. Mit ihrer
deduktiven Systematik beeindrucken sie laut N. aber lediglich die unerfahrene
Jugend; die Welt hingegen begegne ihnen mit Desinteresse, andere akademi-
sche Disziplinen sogar mit Missachtung (424). Daran vermögen die Universi-
tätsphilosophen nach N.s Ansicht selbst dann nichts zu ändern, wenn sie sich
darum bemühen, sich durch Rückgriffe auf Natur- oder Geschichtswissenschaf-
ten ein interessanteres Profil zu verschaffen, um ihre Position im Spektrum der
Disziplinen zu stabilisieren, oder wenn sie sich mithilfe von Versatzstücken der
empiristischen Psychologie Herbartscher Provenienz vordergründig zu moder-
nisieren versuchen (421).
Anschließend nennt N. ein wichtiges Desiderat im Bildungsbetrieb seiner
Epoche: Seines Erachtens fehlt eine fundierte Erziehung in Schrift und Rede
(424, 343). Notwendig sei auch eine Erweiterung des kulturellen Referenz-
raums über den Horizont der griechisch-römischen Antike hinaus, deren nor-
mative Bedeutung durch die Entdeckung des indischen Altertums ohnehin be-
reits relativiert werde (424). - Aus seiner auf die Universitätsphilosophie
konzentrierten kritischen Kulturdiagnose zieht N. radikale Konsequenzen, in-
dem er dazu rät, der „gelehrtenhafte[n] Katheder-Weisheit" (426) der Philoso-
phie, die schwächlich und „friedlich im Herkömmlichen" vegetiere (426), die
„akademische Anerkennung zu entziehn" (421). Erst wenn sie von der Alma
mater abgeschnitten, von der Anbindung an Staatsinteressen befreit (422) und
dem durch journalistische Kulturetiketten zu Unrecht nobilitierten Zeitgeist
(424-425) entkommen sei, könne die Philosophie ihre eigentliche Aufgabe als
„höheres Tribunal" (425) im Dienste der Bildung wiedererlangen und damit
auch ihre für die Kultur produktive Gefährlichkeit. Genau darin erblickt N. den
heroischen Charakter der „Liebe zur Wahrheit" (427), den nach seiner Überzeu-
gung gerade die Philosophie Schopenhauers auf vorbildliche Weise repräsen-
tiert.