86 Schopenhauer als Erzieher
und seinem Rückgriff auf Schopenhauers Begriffsverständnis vgl. ausführlich
NK 352, 27.)
349, 14 das Problem des Daseins] Hier verwendet N. eine Formulierung, die
sein einstiger ,Erzieher' wiederholt gebraucht - auch in der Schrift Ueber die
Universitäts-Philosophie, auf die N. in UB III SE zweimal ausdrücklich hinweist
(413, 418). Hier ist explizit die Rede vom „Problem des Daseyns" bzw. vom
„Problem des Lebens" (vgl. PP I, Hü 153, 169, 171, 203). Mit exklamatorischem
Nachdruck schreibt Schopenhauer: „0! daß man solchen Spaaßphilosophen
einen Begriff beibringen könnte von dem wahren und furchtbaren Ernst, mit
welchem das Problem des Daseyns den Denker ergreift und sein Innerstes er-
schüttert!" (PP I, Hü 169). Und im Kapitel „Selbstdenken" seiner Parerga und
Paralipomena II formuliert er in diesem Zusammenhang sogar anthropologi-
sche Implikationen: „Wenn man wohl erwägt, wie groß und wie nahe liegend
das Problem des Daseyns ist, dieses zweideutigen, gequälten, flüchtigen,
traumartigen Daseyns; - so groß und so nahe liegend, daß, sobald man es
gewahr wird, es alle andern Probleme und Zwecke überschattet und ver-
deckt; - und wenn man nun dabei vor Augen hat, wie alle Menschen, - einige
wenige und seltene ausgenommen, - dieses Problems sich nicht deutlich
bewußt sind, ja, seiner gar nicht inne zu werden scheinen, sondern um alles
Andere eher, als darum, sich bekümmern, und dahinleben, nur auf den heuti-
gen Tag und die fast nicht längere Spanne ihrer persönlichen Zukunft bedacht,
indem sie jenes Problem entweder ausdrücklich ablehnen, oder hinsichtlich
desselben sich bereitwillig abfinden lassen mit irgend einem Systeme der
Volksmetaphysik und damit ausreichen; - wenn man [...] Das wohl erwägt; so
kann man der Meinung werden, daß der Mensch doch nur sehr im weitern
Sinne ein denkendes Wesen heiße, und wird fortan über keinen Zug von
Gedankenlosigkeit, oder Einfalt, sich sonderlich wundern, vielmehr wissen,
daß der intellektuelle Gesichtskreis des Normalmenschen zwar über den des
Thieres, - dessen ganzes Daseyn, der Zukunft und Vergangenheit sich nicht
bewußt, gleichsam eine einzige Gegenwart ist, - hinausgeht, aber doch nicht
so unberechenbar weit", wie man meint (PP II, Kap. 22, § 271, Hü 530). Hier
relativiert Schopenhauer den Sonderstatus des ,animal rationale'.
349, 17-21 während dem Menschen nichts Fröhlicheres und Besseres zu Theil
werden kann, als einem jener Siegreichen nahe zu sein, die, weil sie das Tiefste
gedacht, gerade das Lebendigste lieben müssen und als Weise am Ende sich
zum Schönen neigen] N. paraphrasiert hier die Schlusspartie von Hölderlins
zweistrophiger Ode Sokrates und Alcibiades: „Wer das Tiefste gedacht, liebt das
Lebendigste, / Hohe Jugend versteht, wer in die Welt geblickt / Und es neigen
die Weisen / Oft am Ende zu Schönem sich" (Hölderlin: Gedichte, 1992, 205).
und seinem Rückgriff auf Schopenhauers Begriffsverständnis vgl. ausführlich
NK 352, 27.)
349, 14 das Problem des Daseins] Hier verwendet N. eine Formulierung, die
sein einstiger ,Erzieher' wiederholt gebraucht - auch in der Schrift Ueber die
Universitäts-Philosophie, auf die N. in UB III SE zweimal ausdrücklich hinweist
(413, 418). Hier ist explizit die Rede vom „Problem des Daseyns" bzw. vom
„Problem des Lebens" (vgl. PP I, Hü 153, 169, 171, 203). Mit exklamatorischem
Nachdruck schreibt Schopenhauer: „0! daß man solchen Spaaßphilosophen
einen Begriff beibringen könnte von dem wahren und furchtbaren Ernst, mit
welchem das Problem des Daseyns den Denker ergreift und sein Innerstes er-
schüttert!" (PP I, Hü 169). Und im Kapitel „Selbstdenken" seiner Parerga und
Paralipomena II formuliert er in diesem Zusammenhang sogar anthropologi-
sche Implikationen: „Wenn man wohl erwägt, wie groß und wie nahe liegend
das Problem des Daseyns ist, dieses zweideutigen, gequälten, flüchtigen,
traumartigen Daseyns; - so groß und so nahe liegend, daß, sobald man es
gewahr wird, es alle andern Probleme und Zwecke überschattet und ver-
deckt; - und wenn man nun dabei vor Augen hat, wie alle Menschen, - einige
wenige und seltene ausgenommen, - dieses Problems sich nicht deutlich
bewußt sind, ja, seiner gar nicht inne zu werden scheinen, sondern um alles
Andere eher, als darum, sich bekümmern, und dahinleben, nur auf den heuti-
gen Tag und die fast nicht längere Spanne ihrer persönlichen Zukunft bedacht,
indem sie jenes Problem entweder ausdrücklich ablehnen, oder hinsichtlich
desselben sich bereitwillig abfinden lassen mit irgend einem Systeme der
Volksmetaphysik und damit ausreichen; - wenn man [...] Das wohl erwägt; so
kann man der Meinung werden, daß der Mensch doch nur sehr im weitern
Sinne ein denkendes Wesen heiße, und wird fortan über keinen Zug von
Gedankenlosigkeit, oder Einfalt, sich sonderlich wundern, vielmehr wissen,
daß der intellektuelle Gesichtskreis des Normalmenschen zwar über den des
Thieres, - dessen ganzes Daseyn, der Zukunft und Vergangenheit sich nicht
bewußt, gleichsam eine einzige Gegenwart ist, - hinausgeht, aber doch nicht
so unberechenbar weit", wie man meint (PP II, Kap. 22, § 271, Hü 530). Hier
relativiert Schopenhauer den Sonderstatus des ,animal rationale'.
349, 17-21 während dem Menschen nichts Fröhlicheres und Besseres zu Theil
werden kann, als einem jener Siegreichen nahe zu sein, die, weil sie das Tiefste
gedacht, gerade das Lebendigste lieben müssen und als Weise am Ende sich
zum Schönen neigen] N. paraphrasiert hier die Schlusspartie von Hölderlins
zweistrophiger Ode Sokrates und Alcibiades: „Wer das Tiefste gedacht, liebt das
Lebendigste, / Hohe Jugend versteht, wer in die Welt geblickt / Und es neigen
die Weisen / Oft am Ende zu Schönem sich" (Hölderlin: Gedichte, 1992, 205).