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Neymeyr, Barbara; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 1,4): Kommentar zu Nietzsches "Unzeitgemässen Betrachtungen": III. Schopenhauer als Erzieher, IV. Richard Wagner in Bayreuth — Berlin, Boston: de Gruyter, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.69928#0124
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Stellenkommentar UB III SE 3, KSA 1, S. 352 97

sich. Hier ist die Wurzel aller wahren Cultur" (358, 1-4). Zur Thematik der Geni-
alität bei Schopenhauer vgl. NK 358, 29-33 und NK 386, 21-22.
352, 19-23 Jener geübte Diplomat, der Goethe nur überhin angesehn und ge-
sprochen hatte, sagte zu seinen Freunden: Voilä un homme, qui a eu de grands
chagrins! - was Goethe so verdeutscht hat: „das ist auch einer, der sich's hat
sauer werden lassen!"] Die wörtliche Übersetzung des französischen Zitats lau-
tet: Hier steht ein Mann, der viel Kummer gehabt hat. - Mit dem Goethe-Zitat
nimmt N. auf den kleinen Aufsatz Antik und modern Bezug, in dem Johann
Wolfgang von Goethe diese Episode mitteilt: „Bejahrten Personen fällt, aus der
Fülle der Erfahrung, oft bei Gelegenheit ein, was eine Behauptung erläutern
und bestärken könnte; deshalb sey folgende Anekdote zu erzählen vergönnt.
Ein geübter Diplomat, der meine Bekanntschaft wünschte, sagte, nachdem er
mich bei dem ersten Zusammentreffen nur überhin angesehen und gespro-
chen, zu seinen Freunden: Voilä un homme qui a eu de grands chagrins! Diese
Worte gaben mir zu denken: der gewandte Gesichtsforscher hatte recht gese-
hen, aber das Phänomen blos durch den Begriff von Duldung ausgedrückt,
was er auch der Gegenwirkung hätte zuschreiben sollen. Ein aufmerksamer,
gerader Deutscher hätte vielleicht gesagt: Das ist auch einer, der sich's hat
sauer werden lassen!" (Goethe: Sämmtliche Werke in vierzig Bänden, Bd. 30,
1857, 464-465). N. hat diese Seite durch ein ,Eselsohr' markiert. - Der erste Teil
des französischen Zitats „Voilä un homme" kommt noch in einer anderen Epi-
sode von Goethes Biographie vor: bei seiner Begegnung mit Napoleon. Auf die-
se Situation nimmt N. in Jenseits von Gut und Böse Bezug, indem er den Ab-
schnitt 209 folgendermaßen enden lässt: „Man verstehe doch endlich das
Erstaunen Napoleon's tief genug, als er Goethen zu sehen bekam: es verräth,
was man sich Jahrhunderte lang unter dem ,deutschen Geiste' gedacht hatte.
,Voilä un homme!' - das wollte sagen: ,Das ist ja ein Mann! Und ich hatte nur
einen Deutschen erwartet!' -" (KSA 5, 142, 9-14). Vgl. dazu auch Goethes eige-
ne Notizen über seine Unterredung mit Napoleon am 2. Oktober 1808 und Be-
richte von Zeitgenossen über dieses Ereignis (Goethe: Begegnungen und Ge-
spräche, Bd. VI, 1999, 536-545).
352, 23-26 „Wenn sich nun in unsern Gesichtszügen, fügt er hinzu, die Spur
überstandenen Leidens, durchgeführter Thätigkeit nicht auslöschen lässt, so ist
es kein Wunder, wenn alles, was von uns und unserem Bestreben übrig bleibt,
dieselbe Spur trägt".] Hier setzt N. das Zitat aus Goethes kleiner Schrift Antik
und modern fort (vgl. NK 352, 19-23). Bei Goethe heißt es direkt anschließend:
„Wenn sich nun in unseren Gesichtszügen die Spur überstandenen Leidens,
durchgeführter Thätigkeit nicht auslöschen läßt, so ist es kein Wunder, wenn
alles was von uns und unserem Bestreben übrig bleibt, dieselbe Spur trägt und
 
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