Stellenkommentar UB III SE 3, KSA 1, S. 352 99
Begriff konnotiert, doch bezeichnet dieser eher den Typus des konservativen
Biedermanns. Allerdings deutet schon die romantische Verwendung des Be-
griffs teilweise auf den für die Gründerzeit typischen fortschrittsoptimistischen
liberalen Bürger voraus, den N. mit dem Wort ,Bildungsphilister' bezeichnet.
Vor dem Hintergrund der pejorativen Vorstellungen vom ,Philister' ver-
sucht N. Schopenhauer und sich selbst als Genies zu etablieren. Dabei schließt
er auch an die schon im Sturm und Drang verbreitete Antithese von ,Genie'
und ,Gelehrtem' an. - Bereits Schopenhauer verwendet den Begriff ,Philister'
wiederholt pejorativ, besonders ausführlich in den Aphorismen zur Lebensweis-
heit, aber auch in der Schrift Ueber die Universitäts-Philosophie, die N. in
UB III SE explizit nennt (413, 418). Bei der Hervorhebung der negativen Bedeu-
tungsvalenzen des Begriffs ,Philister' orientiert sich N. an Schopenhauers Auf-
fassung. Das erhellt auch daraus, dass er außerdem den von Schopenhauer
kontrastiv zu ,Philister' gebrauchten Begriff ,Musensohn' aus dessen Definition
übernimmt. Allerdings ist der Begriff ,Bildungsphilister' bei N. stärker kultur-
kritisch konnotiert.
Schopenhauer thematisiert den Typus des Philisters auch in seinen Apho-
rismen zur Lebensweisheit im Kapitel II „Von Dem, was Einer ist". Hier betont
er, „daß der Mensch, welcher, in Folge des streng und knapp normalen Maaßes
seiner intellektuellen Kräfte, keine geistige Bedürfnisse hat, es eigent-
lich ist, den ein der deutschen Sprache ausschließlich eigener, vom Studenten-
leben ausgegangener, nachmals aber in einem höheren, wiewohl dem ur-
sprünglichen, durch den Gegensatz zum Musensohne, immer noch analogen
Sinne gebrauchter Ausdruck als den Philister bezeichnet" (PP I, Hü 364).
Schopenhauer definiert den ,Philister' als einen Menschen „ohne geistige
Bedürfnisse", der infolgedessen auch „ohne geistige Genüsse bleibt [...].
Kein Drang nach Erkenntniß und Einsicht, um ihrer selbst Willen, belebt sein
Daseyn, auch keiner nach eigentlich ästhetischen Genüssen [...]. Wirkliche Ge-
nüsse für ihn sind allein die sinnlichen: durch diese hält er sich schadlos"
(PP I, Hü 365). Geselliger Zeitvertreib reicht „gegen die Langeweile nicht aus,
wo Mangel an geistigen Bedürfnissen die geistigen Genüsse unmöglich macht.
Daher auch ist dem Philister ein dumpfer, trockener Ernst, der sich dem thieri-
schen nähert, eigen und charakteristisch. Nichts freut ihn, nichts erregt ihn,
nichts gewinnt ihm Antheil ab. Denn die sinnlichen Genüsse sind bald er-
schöpft; die Gesellschaft, aus eben solchen Philistern bestehend, wird bald
langweilig [...]. Allenfalls bleiben ihm noch die Genüsse der Eitelkeit, nach sei-
ner Weise, welche denn darin bestehn, daß er an Reichthum, oder Rang, oder
Einfluß und Macht, Andere übertrifft" (PP I, Hü 365). Menschen von überlege-
ner Intellektualität erregen laut Schopenhauer „seinen Widerwillen, ja, seinen
Haß [...]; weil er dabei nur ein lästiges Gefühl von Inferiorität, und dazu einen
Begriff konnotiert, doch bezeichnet dieser eher den Typus des konservativen
Biedermanns. Allerdings deutet schon die romantische Verwendung des Be-
griffs teilweise auf den für die Gründerzeit typischen fortschrittsoptimistischen
liberalen Bürger voraus, den N. mit dem Wort ,Bildungsphilister' bezeichnet.
Vor dem Hintergrund der pejorativen Vorstellungen vom ,Philister' ver-
sucht N. Schopenhauer und sich selbst als Genies zu etablieren. Dabei schließt
er auch an die schon im Sturm und Drang verbreitete Antithese von ,Genie'
und ,Gelehrtem' an. - Bereits Schopenhauer verwendet den Begriff ,Philister'
wiederholt pejorativ, besonders ausführlich in den Aphorismen zur Lebensweis-
heit, aber auch in der Schrift Ueber die Universitäts-Philosophie, die N. in
UB III SE explizit nennt (413, 418). Bei der Hervorhebung der negativen Bedeu-
tungsvalenzen des Begriffs ,Philister' orientiert sich N. an Schopenhauers Auf-
fassung. Das erhellt auch daraus, dass er außerdem den von Schopenhauer
kontrastiv zu ,Philister' gebrauchten Begriff ,Musensohn' aus dessen Definition
übernimmt. Allerdings ist der Begriff ,Bildungsphilister' bei N. stärker kultur-
kritisch konnotiert.
Schopenhauer thematisiert den Typus des Philisters auch in seinen Apho-
rismen zur Lebensweisheit im Kapitel II „Von Dem, was Einer ist". Hier betont
er, „daß der Mensch, welcher, in Folge des streng und knapp normalen Maaßes
seiner intellektuellen Kräfte, keine geistige Bedürfnisse hat, es eigent-
lich ist, den ein der deutschen Sprache ausschließlich eigener, vom Studenten-
leben ausgegangener, nachmals aber in einem höheren, wiewohl dem ur-
sprünglichen, durch den Gegensatz zum Musensohne, immer noch analogen
Sinne gebrauchter Ausdruck als den Philister bezeichnet" (PP I, Hü 364).
Schopenhauer definiert den ,Philister' als einen Menschen „ohne geistige
Bedürfnisse", der infolgedessen auch „ohne geistige Genüsse bleibt [...].
Kein Drang nach Erkenntniß und Einsicht, um ihrer selbst Willen, belebt sein
Daseyn, auch keiner nach eigentlich ästhetischen Genüssen [...]. Wirkliche Ge-
nüsse für ihn sind allein die sinnlichen: durch diese hält er sich schadlos"
(PP I, Hü 365). Geselliger Zeitvertreib reicht „gegen die Langeweile nicht aus,
wo Mangel an geistigen Bedürfnissen die geistigen Genüsse unmöglich macht.
Daher auch ist dem Philister ein dumpfer, trockener Ernst, der sich dem thieri-
schen nähert, eigen und charakteristisch. Nichts freut ihn, nichts erregt ihn,
nichts gewinnt ihm Antheil ab. Denn die sinnlichen Genüsse sind bald er-
schöpft; die Gesellschaft, aus eben solchen Philistern bestehend, wird bald
langweilig [...]. Allenfalls bleiben ihm noch die Genüsse der Eitelkeit, nach sei-
ner Weise, welche denn darin bestehn, daß er an Reichthum, oder Rang, oder
Einfluß und Macht, Andere übertrifft" (PP I, Hü 365). Menschen von überlege-
ner Intellektualität erregen laut Schopenhauer „seinen Widerwillen, ja, seinen
Haß [...]; weil er dabei nur ein lästiges Gefühl von Inferiorität, und dazu einen