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Neymeyr, Barbara; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 1,4): Kommentar zu Nietzsches "Unzeitgemässen Betrachtungen": III. Schopenhauer als Erzieher, IV. Richard Wagner in Bayreuth — Berlin, Boston: de Gruyter, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.69928#0146
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Stellenkommentar UB III SE 3, KSA 1, S. 358 119

In der Welt als Wille und Vorstellung I betont Schopenhauer, dass „der bei
Weitem strengste aller Mönchsorden, also der Trappistische, [...] nach seinem
Verfall wieder hergestellt wurde, durch Rance, und, trotz Revolutionen, Kir-
chenveränderungen und eingerissenem Unglauben, sich bis auf den heutigen
Tag, in seiner Reinheit und furchtbaren Strenge erhält" (WWV I, § 68, Hü 467).
In der Welt als Wille und Vorstellung II empfiehlt Schopenhauer „La vie de
Rance par Chateaubriand" als „sehr lesenswerth" (WWV II, Kap. 48, Hü 706)
und referiert die Bekehrungsgeschichte „des Abbe Rance", dessen Jugend
„dem Vergnügen und der Lust" gewidmet war, der aber im Jahre 1663 nach
einem traumatischen Erlebnis zum „Reformator des damals von der Strenge
seiner Regeln gänzlich abgewichenen Ordens der Trappisten" wurde; diesen
Orden führte er laut Schopenhauer „zu jener furchtbaren Größe der Entsa-
gung" zurück, die durch „eine unglaublich harte und peinliche Lebensweise"
die „Verneinung des Willens" fördert (WWV II, Kap. 48, Hü 725).
358, 29-33 Denn der Genius sehnt sich tiefer nach Heiligkeit, weil er von seiner
Warte aus weiter und heller geschaut hat als ein andrer Mensch, [...] hinein in
das Reich des Friedens und des verneinten Willens, hinüber nach der andern
Küste, von der die Inder sagen.] Hier bezieht sich N. implizit auf Konzepte, die
Schopenhauer im Vierten Buch der Welt als Wille und Vorstellung entfaltet:
Durch ,Resignation' und Verneinung des Willens zum Leben' wird nach
Schopenhauers Auffassung eine Haltung der Gelassenheit und des inneren
Friedens möglich, in der das Leiden des stets getriebenen ,Willens' überwun-
den ist. - Auch im Hinblick auf die Affinität von Genialität und Heiligkeit
knüpft N. an Schopenhauer an: „Es ist immer eine Ausnahme, wenn so ein
Lebenslauf eine Störung erleidet dadurch, daß aus einem vom Dienste des Wil-
lens unabhängigen und auf das Wesen der Welt überhaupt gerichteten Erken-
nen, entweder die ästhetische Aufforderung zur Beschaulichkeit, oder die ethi-
sche zur Entsagung hervorgeht" (WWV I, § 60, Hü 386). Und „in ethischer
Hinsicht genial wird" laut Schopenhauer derjenige, der vom individuellen Fall
abstrahiert, indem er „sein eigenes Leiden nur als Beispiel des Ganzen betrach-
tet", dieses „als wesentliches Leiden" begreift und so „zur Resignation" gelangt
(WWV I, § 68, Hü 468). In der „reine[n] Objektivität der Anschauung", die seines
Erachtens nur durch die besondere Erkenntnisweise des vom Willen und seinen
Interessen befreiten Intellekts möglich ist, sieht Schopenhauer „die Analogie
und sogar Verwandtschaft" zwischen ästhetischer Kontemplation und ethischer
„Verneinung des Willens" (WWV II, Kap. 30, Hü 422). Zur Thematik der Geniali-
tät bei Schopenhauer und N. vgl. ausführlicher NK 386, 21-22.
Im vorliegenden Kontext von UB III SE orientiert sich N. noch deutlich an
ästhetischen und ethischen Konzepten Schopenhauers sowie an seinem geis-
tesaristokratischen Individualismus. In Menschliches, Allzumenschliches II je-
 
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