200 Schopenhauer als Erzieher
manismus und Buddhaismus" als „Grundcharakter Idealismus und Pessi-
mismus" zu, „da sie der Welt nur eine traumartige Existenz zugestehn und
das Leben als Folge unserer Schuld betrachten" (PP II, Kap. 15, § 179, Hü 402).
Im handschriftlichen Nachlass Schopenhauers ist explizit von „meinem Pessi-
mismus" die Rede (HN 4/1, 160). - Für die positive Akzentuierung des Pessi-
mismus-Begriffs im vorliegenden Kontext (383, 7) spricht auch eine Textvarian-
te in der Vorstufe zur Reinschrift. Im Anschluss an die Formulierung „wird uns
auch ein neues Ziel unserer Liebe und unseres Hasses gesteckt sein" (383, 18-
19) lautet die Fortsetzung hier: „und der Pessimismus erlebt eine Auferste-
hung" (KSA 14, 78). - In der Vorrede zu Menschliches, Allzumenschliches II be-
kennt N. im Rückblick auf UB III SE einerseits zwar seine „Ehrfurcht" vor Scho-
penhauer als seinem „einzigen Erzieher" (KSA 2, 370, 9), andererseits aber
auch die schon damals von einer radikalen „moralistischen Skepsis" geprägte
Einstellung, mit der er selbst sich sowohl „der Kritik" als auch „der Ver-
tiefung alles bisherigen Pessimismus" zugewandt habe (KSA 2, 370,
13-15). Im „Versuch einer Selbstkritik", den N. 1886 der Neuausgabe der Geburt
der Tragödie voranstellte, formuliert er Überlegungen zu einem ,Pessimismus
der Stärke' in Gestalt von Fragen: „Giebt es einen Pessimismus der Stärke?
Eine intellektuelle Vorneigung für das Harte, Schauerliche, Böse, Problemati-
sche des Daseins aus Wohlsein, aus überströmender Gesundheit, aus Fülle
des Daseins? Giebt es vielleicht ein Leiden an der Ueberfülle selbst?" (KSA 1,
12, 12-16).
6.
383, 32 - 384, 2 „die Menschheit soll fortwährend daran arbeiten, einzelne
grosse Menschen zu erzeugen - und dies und nichts Anderes sonst ist ihre Aufga-
be."] N.s geistesaristokratisches Konzept einer teleologischen Anthropologie,
das im vorliegenden Kontext durch bestimmte Aspekte der Evolutionslehre be-
gründet wird, findet später in Also sprach Zarathustra in der Vorstellung des
,Übermenschen' einen markanten Ausdruck. Vgl. dazu auch NK 382, 4-9. Ana-
log äußert sich N. zuvor bereits in UB II HL, wenn er die „Aufgabe der Ge-
schichte" darin erblickt, „immer wieder zur Erzeugung des Grossen Anlass zu
geben und Kräfte zu verleihen. Nein, das Ziel der Menschheit kann nicht am
Ende liegen, sondern nur in ihren höchsten Exemplaren" (KSA 1, 317, 22-26). -
In UB III SE argumentiert N. zugunsten dieser biologistischen Perspektive, in-
dem er etablierte Vorstellungen seiner Zeitgenossen implizit unter Berufung
auf Konzepte der Evolutionstheorie zu entkräften versucht. Charles Darwin er-
klärt die biologische Evolution durch die Selektion von Organismen, die an
manismus und Buddhaismus" als „Grundcharakter Idealismus und Pessi-
mismus" zu, „da sie der Welt nur eine traumartige Existenz zugestehn und
das Leben als Folge unserer Schuld betrachten" (PP II, Kap. 15, § 179, Hü 402).
Im handschriftlichen Nachlass Schopenhauers ist explizit von „meinem Pessi-
mismus" die Rede (HN 4/1, 160). - Für die positive Akzentuierung des Pessi-
mismus-Begriffs im vorliegenden Kontext (383, 7) spricht auch eine Textvarian-
te in der Vorstufe zur Reinschrift. Im Anschluss an die Formulierung „wird uns
auch ein neues Ziel unserer Liebe und unseres Hasses gesteckt sein" (383, 18-
19) lautet die Fortsetzung hier: „und der Pessimismus erlebt eine Auferste-
hung" (KSA 14, 78). - In der Vorrede zu Menschliches, Allzumenschliches II be-
kennt N. im Rückblick auf UB III SE einerseits zwar seine „Ehrfurcht" vor Scho-
penhauer als seinem „einzigen Erzieher" (KSA 2, 370, 9), andererseits aber
auch die schon damals von einer radikalen „moralistischen Skepsis" geprägte
Einstellung, mit der er selbst sich sowohl „der Kritik" als auch „der Ver-
tiefung alles bisherigen Pessimismus" zugewandt habe (KSA 2, 370,
13-15). Im „Versuch einer Selbstkritik", den N. 1886 der Neuausgabe der Geburt
der Tragödie voranstellte, formuliert er Überlegungen zu einem ,Pessimismus
der Stärke' in Gestalt von Fragen: „Giebt es einen Pessimismus der Stärke?
Eine intellektuelle Vorneigung für das Harte, Schauerliche, Böse, Problemati-
sche des Daseins aus Wohlsein, aus überströmender Gesundheit, aus Fülle
des Daseins? Giebt es vielleicht ein Leiden an der Ueberfülle selbst?" (KSA 1,
12, 12-16).
6.
383, 32 - 384, 2 „die Menschheit soll fortwährend daran arbeiten, einzelne
grosse Menschen zu erzeugen - und dies und nichts Anderes sonst ist ihre Aufga-
be."] N.s geistesaristokratisches Konzept einer teleologischen Anthropologie,
das im vorliegenden Kontext durch bestimmte Aspekte der Evolutionslehre be-
gründet wird, findet später in Also sprach Zarathustra in der Vorstellung des
,Übermenschen' einen markanten Ausdruck. Vgl. dazu auch NK 382, 4-9. Ana-
log äußert sich N. zuvor bereits in UB II HL, wenn er die „Aufgabe der Ge-
schichte" darin erblickt, „immer wieder zur Erzeugung des Grossen Anlass zu
geben und Kräfte zu verleihen. Nein, das Ziel der Menschheit kann nicht am
Ende liegen, sondern nur in ihren höchsten Exemplaren" (KSA 1, 317, 22-26). -
In UB III SE argumentiert N. zugunsten dieser biologistischen Perspektive, in-
dem er etablierte Vorstellungen seiner Zeitgenossen implizit unter Berufung
auf Konzepte der Evolutionstheorie zu entkräften versucht. Charles Darwin er-
klärt die biologische Evolution durch die Selektion von Organismen, die an