Stellenkommentar UB III SE 6, KSA 1, S. 386-387 209
Harmonie-Konzepten verbindet. Vgl. auch die Reflexionen zu Vorstellungen
von Zweckmäßigkeit in Kants Kritik der Urteilskraft.
Während N. im vorliegenden Kontext im Rahmen seiner kulturkritischen
Überlegungen auf Vorstellungen von Zweck oder Zweckmäßigkeit zurückgreift,
rechnet er später in der Götzen-Dämmerung radikal mit dem Zweck-Denken ab,
und zwar im Anschluss an die Teleologie-Kritik Spinozas, der ihm durch Kuno
Fischers Geschichte der neuern Philosophie genauer bekannt geworden war:
vgl. Bd. 1: Descartes und seine Schule. Zweiter Theil: Descartes' Schule. Geulinx.
Malebranche. Baruch Spinoza (2. Aufl. 1865). Die philosophiehistorischen Schrif-
ten von Kuno Fischer beeinflussten N.s Einschätzung der neuzeitlichen Philoso-
phie nachhaltig, vor allem im Hinblick auf Descartes, Spinoza und Kant: vgl. in
Fischers Geschichte der neuern Philosophie auch Bd. 4: Kant's System der reinen
Vernunft auf Grund der Vernunftkritik (2. Aufl. 1869).
In der Götzen-Dämmerung findet sich eine Schlüsselstelle zur Thematik des
Zwecks, und zwar im Kapitel „Die vier grossen Irrthümer". Dort versucht N.
Zweck-Vorstellungen als Projektionen zu desavouieren: „Wir haben den Begriff
,Zweck' erfunden: in der Realität feh1t der Zweck ... Man ist nothwendig, man
ist ein Stück Verhängniss, man gehört zum Ganzen, man ist im Ganzen, - es
giebt Nichts, was unser Sein richten, messen, vergleichen, verurtheilen könnte,
denn das hiesse das Ganze richten, messen, vergleichen, verurtheilen ... Aber
es giebt Nichts äusser dem Ganzen! - Dass Niemand mehr verant-
wortlich gemacht wird, dass die Art des Seins nicht auf eine causa prima zu-
rückgeführt werden darf, dass die Welt weder als Sensorium, noch als ,Geist'
eine Einheit ist, dies erst ist die grosse Befreiung, - damit erst ist die
Unschuld des Werdens wieder hergestellt ... Der Begriff ,Gott' war bisher
der grösste Einwand gegen das Dasein ... Wir leugnen Gott, wir leugnen die
Verantwortlichkeit in Gott: damit erst erlösen wir die Welt. - " (KSA 6, 96,
26 - 97, 8).
386, 33 - 387, 1 „[...] die Menschen [...] sind doch in ihrem dunklen Drange des
rechten Wegs sich wohl bewusst."] Zitat aus dem „Prolog im Himmel" in Goe-
thes Faust I: „Ein guter Mensch in seinem dunkeln Drange / Ist sich des rechten
Weges wohl bewußt" (V. 328-329).
387, 7-9 der wird es sehr nöthig befinden, dass an Stelle jenes „dunklen Drangs"
endlich einmal ein bewusstes Wollen gesetzt werde] N. betrachtet ein tatkräftiges
Engagement für die Kultur, das sich auf rationale Entscheidungen gründet, als
notwendig - zumal angesichts des Risikos, dass man „jenen über sein Ziel
unklaren Trieb, den gerühmten dunklen Drang", zu Zielen missbraucht, die
der „Erzeugung des Genius" im Wege stehen (387, 11-14). - Einerseits zitiert N.
im vorliegenden Kontext aus Goethes Faust I (vgl. NK 386, 33 - 387, 1), anderer-
Harmonie-Konzepten verbindet. Vgl. auch die Reflexionen zu Vorstellungen
von Zweckmäßigkeit in Kants Kritik der Urteilskraft.
Während N. im vorliegenden Kontext im Rahmen seiner kulturkritischen
Überlegungen auf Vorstellungen von Zweck oder Zweckmäßigkeit zurückgreift,
rechnet er später in der Götzen-Dämmerung radikal mit dem Zweck-Denken ab,
und zwar im Anschluss an die Teleologie-Kritik Spinozas, der ihm durch Kuno
Fischers Geschichte der neuern Philosophie genauer bekannt geworden war:
vgl. Bd. 1: Descartes und seine Schule. Zweiter Theil: Descartes' Schule. Geulinx.
Malebranche. Baruch Spinoza (2. Aufl. 1865). Die philosophiehistorischen Schrif-
ten von Kuno Fischer beeinflussten N.s Einschätzung der neuzeitlichen Philoso-
phie nachhaltig, vor allem im Hinblick auf Descartes, Spinoza und Kant: vgl. in
Fischers Geschichte der neuern Philosophie auch Bd. 4: Kant's System der reinen
Vernunft auf Grund der Vernunftkritik (2. Aufl. 1869).
In der Götzen-Dämmerung findet sich eine Schlüsselstelle zur Thematik des
Zwecks, und zwar im Kapitel „Die vier grossen Irrthümer". Dort versucht N.
Zweck-Vorstellungen als Projektionen zu desavouieren: „Wir haben den Begriff
,Zweck' erfunden: in der Realität feh1t der Zweck ... Man ist nothwendig, man
ist ein Stück Verhängniss, man gehört zum Ganzen, man ist im Ganzen, - es
giebt Nichts, was unser Sein richten, messen, vergleichen, verurtheilen könnte,
denn das hiesse das Ganze richten, messen, vergleichen, verurtheilen ... Aber
es giebt Nichts äusser dem Ganzen! - Dass Niemand mehr verant-
wortlich gemacht wird, dass die Art des Seins nicht auf eine causa prima zu-
rückgeführt werden darf, dass die Welt weder als Sensorium, noch als ,Geist'
eine Einheit ist, dies erst ist die grosse Befreiung, - damit erst ist die
Unschuld des Werdens wieder hergestellt ... Der Begriff ,Gott' war bisher
der grösste Einwand gegen das Dasein ... Wir leugnen Gott, wir leugnen die
Verantwortlichkeit in Gott: damit erst erlösen wir die Welt. - " (KSA 6, 96,
26 - 97, 8).
386, 33 - 387, 1 „[...] die Menschen [...] sind doch in ihrem dunklen Drange des
rechten Wegs sich wohl bewusst."] Zitat aus dem „Prolog im Himmel" in Goe-
thes Faust I: „Ein guter Mensch in seinem dunkeln Drange / Ist sich des rechten
Weges wohl bewußt" (V. 328-329).
387, 7-9 der wird es sehr nöthig befinden, dass an Stelle jenes „dunklen Drangs"
endlich einmal ein bewusstes Wollen gesetzt werde] N. betrachtet ein tatkräftiges
Engagement für die Kultur, das sich auf rationale Entscheidungen gründet, als
notwendig - zumal angesichts des Risikos, dass man „jenen über sein Ziel
unklaren Trieb, den gerühmten dunklen Drang", zu Zielen missbraucht, die
der „Erzeugung des Genius" im Wege stehen (387, 11-14). - Einerseits zitiert N.
im vorliegenden Kontext aus Goethes Faust I (vgl. NK 386, 33 - 387, 1), anderer-