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Neymeyr, Barbara; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 1,4): Kommentar zu Nietzsches "Unzeitgemässen Betrachtungen": III. Schopenhauer als Erzieher, IV. Richard Wagner in Bayreuth — Berlin, Boston: de Gruyter, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.69928#0241
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214 Schopenhauer als Erzieher

Monotonie ablaufendes Zeremoniell charakterisiert und sie dadurch in einen
Gegensatz zu sinnvoller, selbstbestimmter Tätigkeit bringt, verbindet er die
Langeweile-Problematik in Leonce und Lena zugleich mit subversiver Sozialkri-
tik. - Eine zentrale Bedeutung erhält die Thematik der Langeweile in der Wil-
lensphilosophie Schopenhauers, der den Menschen einem leidensvollen Pro-
zess ausgeliefert sieht: einem fortwährenden Wechsel von Begehren und
Befriedigung. Wenn diese voluntative Dynamik durch das Ausbleiben neuer
Wünsche vorübergehend stagniert, ist der Mensch laut Schopenhauer mit der
Qual der Langeweile konfrontiert, solange sich der Wille des Subjekts nicht auf
weitere begehrenswerte Objekte richten kann. Eine Alternative zum leidensvol-
len Oszillieren zwischen Not und Langeweile erblickt Schopenhauer in der wil-
lenlosen Kontemplation ästhetischer Einstellung, die seines Erachtens aller-
dings nur momenthaft möglich ist und sich nicht zu einem Dauerzustand
stabilisieren lässt. Zur Thematik der Langeweile bei Schopenhauer vgl. die Be-
legstellen in NK 379, 32-34 und NK 397, 24.
389, 30-31 sich mit Hülfe aller Künste interessant zu machen] Schopenhauer
schließt aus dem Gegenstandsbereich des Ästhetischen zwar eigentlich das
(seit Friedrich Schlegel vieldiskutierte) ,Interessante' aus, weil es sich nicht
problemlos mit der von ihm vorausgesetzten willenlosen Kontemplation in äs-
thetischer Einstellung vereinbaren lässt. Denn wenn „das Objekt dem Indivi-
duo interessant" ist, hat es laut Schopenhauer „ein Verhältniß zum Willen"
(WWV I, § 33, Hü 208; analog: WWV I, § 57, Hü 370). Mit diesen Prämissen
schließt Schopenhauer an das Konzept eines interesselosen Wohlgefallens'
an, das Kant in der Kritik der Urteilskraft entfaltet. Trotz der systemimmanen-
ten Problematik des interessanten' im Bereich der Ästhetik sieht Schopenhau-
er in den „Werken der Dichtkunst, namentlich der epischen und dramati-
schen," immerhin Möglichkeiten einer Synthese „der Schönheit" mit dem
„Interessante[n]", sofern „die dargestellten Begebenheiten und Handlungen
uns einen Antheil abnöthigen" (HN 3, 61) - so Schopenhauers These in ei-
nem aufschlussreichen Nachlass-Manuskript von 1821, in dem er das Interes-
sante ausführlich thematisiert: „Ueber das Interessante" (HN 3, 61-68).
Obwohl „das Interessante nicht nothwendig das Schöne herbeiführt" und auch
„das Schöne nicht nothwendig das Interessante" (ebd., 65), hält Schopenhauer
„bei dramatischen und erzählenden Werken eine Beimischung des Interessan-
ten" sogar für „nothwendig", und zwar „als Bindemittel der Aufmerksamkeit"
(ebd., 67).
390, 2-5 jeder soll bedient werden, ob ihm nun [...] nach Sublimirtem oder Bäu-
risch-Grobem [...] gelüstet] Mit dem ,Sublimierten' ist hier, wie N.s Gegenüber-
stellung zeigt, das Verfeinerte gemeint.
 
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