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Neymeyr, Barbara; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 1,4): Kommentar zu Nietzsches "Unzeitgemässen Betrachtungen": III. Schopenhauer als Erzieher, IV. Richard Wagner in Bayreuth — Berlin, Boston: de Gruyter, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.69928#0261
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234 Schopenhauer als Erzieher

399, 21-23 zum Vortheile eines [...] reinen und folgelosen, daher auch trieblosen
Erkennens] Auf der Basis seiner Gelehrtensatire (394-399) hinterfragt N. hier
die angebliche Interesselosigkeit wissenschaftlicher Erkenntnis: Die Synthese
verschiedener, zunächst je für sich suspekt erscheinender „menschlicher Trie-
be und Triebchen", die nach N.s Diagnose den Gelehrten konstituieren, lässt
die Aura, die diesen Stand und die Gelehrsamkeit seiner Repräsentanten tradi-
tionell umgibt, fragwürdig werden.
399, 31 - 400, 1 Wer nämlich zu beobachten weiss, bemerkt, dass der Gelehrte
seinem Wesen nach unfruchtbar ist - eine Folge seiner Entstehung! - und
dass er einen gewissen natürlichen Hass gegen den fruchtbaren Menschen hat;
weshalb sich zu allen Zeiten die Genie's und die Gelehrten befehdet haben.] Zum
Antagonismus von fruchtbarem Genie und sterilem Gelehrten vgl. auch NK 397,
19-20. Der Trivialität des intellektuell unfruchtbaren Bildungsphilisters widmet
sich N. in UB I DS (vgl. NK 165, 6). Auch in UB III SE verwendet er den Begriff
,Bildungsphilister' (352, 27; 401, 24-25). Vgl. dazu NK 352, 27 und NK 401, 24-
25. Die Opposition zwischen der Genialität des kreativen Künstlers und der
banalen Existenzform des Philisters hat schon in der Literatur der Romantik
zentrale Bedeutung.
N. greift mit seiner Kritik am sterilen Gelehrten auf Überzeugungen Scho-
penhauers zurück, in dessen Parerga und Paralipomena II ein Kapitel den Titel
„Ueber Gelehrsamkeit und Gelehrte" trägt. Hier erklärt Schopenhauer: „Geister
ersten Ranges [...] werden niemals Fachgelehrte seyn. Ihnen, als solchen, ist
das Ganze des Daseyns zum Problem gegeben und über dasselbe wird jeder
von ihnen, in irgend einer Form und Weise, der Menschheit neue Aufschlüsse
ertheilen. Denn den Namen eines Genies kann nur Der verdienen, welcher das
Ganze und Große, das Wesentliche und Allgemeine der Dinge zum Thema sei-
ner Leistungen nimmt, nicht aber wer irgend ein specielles Verhältniß von Din-
gen zu einander zurechtzulegen sein Leben lang bemüht ist" (PP II, Kap. 21,
§ 254, Hü 516). In UB III SE hält N. die Überschätzung des Gelehrten vor allem
deshalb für problematisch, weil sie seines Erachtens die Chance des Genies auf
Wirksamkeit reduziert und dadurch negative Konsequenzen für die gesamte
Entwicklung der Kultur hat.
400, 9-10 Wie es nun mit unserer Zeit in Hinsicht auf Gesund- und Kranksein
steht] In einer Vorstufe zur Reinschrift findet sich dazu eine Textversion in
metaphorischer Diktion: „Jetzt wo mir der Mond des Gelehrten im letzten Vier-
tel zu stehen scheint" (KSA 14, 78).
400, 21-24 Mag der Staat noch so laut sein Verdienst um die Kultur geltend
machen, er fördert sie, um sich zu fördern und begreift ein Ziel nicht, welches
höher steht als sein Wohl und seine Existenz.] Diese Aussage ist ein Echo auf
 
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