252 Schopenhauer als Erzieher
408, 28-34 Dieser Vater [...] reiste mit dem Jünglinge vielfach in fremden Län-
dern umher - alles eben so viele Begünstigungen für den, welcher nicht Bücher,
sondern Menschen kennen, nicht eine Regierung, sondern die Wahrheit verehren
lernen soll. Bei Zeiten wurde er gegen die nationalen Beschränktheiten abge-
stumpft oder allzu geschärft; er lebte in England, Frankreich] Arthur Schopen-
hauer, der am 22. Februar 1788 als Sohn des Patriziers Heinrich Floris Schopen-
hauer in Danzig geboren wurde (vgl. NK 408, 25-28), erhielt im Rahmen seiner
Erziehung vielfältige kulturelle Anregungen, die sein späteres Leben nachhal-
tig prägten und auch seine Philosophie maßgeblich beeinflussten. Vor allem
die ausgedehnten Reisen, die er mit seinen Eltern unternahm, eröffneten ihm
einen geistigen Horizont, der weit über den üblichen Bildungsstand eines Kauf-
mannssohns hinausreichte. Nachdem Arthur Schopenhauer seinen Vater be-
reits 1797 auf einer Geschäftsreise nach England und Frankreich begleitet und
zwei Jahre bei französischen Geschäftsfreunden des Vaters in Le Havre ge-
wohnt hatte, um sich dort mit der französischen Sprache und Zivilisation ver-
traut zu machen, gelangte er im Jahre 1800 auf einer viermonatigen Familien-
reise nach Mitteldeutschland und nach Böhmen.
Besonders intensiv prägte ihn eine von März 1803 bis August 1804 mit sei-
nen Eltern unternommene Bildungsreise, die ihn durch die Niederlande nach
England und Frankreich, in die Schweiz sowie nach Österreich, Böhmen,
Schlesien und Preußen führte. (Zu den Rahmenbedingungen vgl. NK 408, 25-
28.) Dieser ausgedehnte Auslandsaufenthalt verschaffte Arthur Schopenhauer
die Möglichkeit, die Kultur und das Alltagsleben in den großen europäischen
Metropolen kennenzulernen. Dabei erwarb er während eines dreimonatigen In-
ternatsaufenthalts in Wimbledon auch sehr gute Englisch-Kenntnisse und ent-
wickelte zudem eine anglophile Orientierung, die auch sein späteres Leben
bestimmte. Anschließend setzte die Familie Schopenhauer ihre Europareise
fort (vgl. Zimmer 2014b, 8-9).
Während dieser Bildungsreise von 1803/04 verfasste Arthur Schopenhauer
Reisetagebücher, in denen er ausführlich über seine vielfältigen Eindrücke be-
richtete und auch seine Wahrnehmungen von sozialem Elend, von Grausam-
keit und Leid reflektierte, die zur Basis für seinen späteren metaphysischen
Pessimismus wurden (vgl. dazu die von Lütkehaus besorgte Edition der Reise-
tagebücher von Arthur Schopenhauer, 1988). Zu diesen markanten Erfahrungen
gehörte nicht nur eine Hinrichtung, die Schopenhauer in London erlebte, son-
dern auch die Begegnung mit angeketteten Galeerensträflingen in Toulon.
Im „Cholerabuch", einem seiner nachgelassenen Manuskriptbücher, inter-
pretiert Arthur Schopenhauer dieses Erlebnis 1832 retrospektiv als Initialerfah-
rung für seine pessimistische Philosophie und reflektiert zugleich das Theo-
dizee-Problem: „In meinem 17ten Jahre [,] ohne alle gelehrte Schulbildung,
408, 28-34 Dieser Vater [...] reiste mit dem Jünglinge vielfach in fremden Län-
dern umher - alles eben so viele Begünstigungen für den, welcher nicht Bücher,
sondern Menschen kennen, nicht eine Regierung, sondern die Wahrheit verehren
lernen soll. Bei Zeiten wurde er gegen die nationalen Beschränktheiten abge-
stumpft oder allzu geschärft; er lebte in England, Frankreich] Arthur Schopen-
hauer, der am 22. Februar 1788 als Sohn des Patriziers Heinrich Floris Schopen-
hauer in Danzig geboren wurde (vgl. NK 408, 25-28), erhielt im Rahmen seiner
Erziehung vielfältige kulturelle Anregungen, die sein späteres Leben nachhal-
tig prägten und auch seine Philosophie maßgeblich beeinflussten. Vor allem
die ausgedehnten Reisen, die er mit seinen Eltern unternahm, eröffneten ihm
einen geistigen Horizont, der weit über den üblichen Bildungsstand eines Kauf-
mannssohns hinausreichte. Nachdem Arthur Schopenhauer seinen Vater be-
reits 1797 auf einer Geschäftsreise nach England und Frankreich begleitet und
zwei Jahre bei französischen Geschäftsfreunden des Vaters in Le Havre ge-
wohnt hatte, um sich dort mit der französischen Sprache und Zivilisation ver-
traut zu machen, gelangte er im Jahre 1800 auf einer viermonatigen Familien-
reise nach Mitteldeutschland und nach Böhmen.
Besonders intensiv prägte ihn eine von März 1803 bis August 1804 mit sei-
nen Eltern unternommene Bildungsreise, die ihn durch die Niederlande nach
England und Frankreich, in die Schweiz sowie nach Österreich, Böhmen,
Schlesien und Preußen führte. (Zu den Rahmenbedingungen vgl. NK 408, 25-
28.) Dieser ausgedehnte Auslandsaufenthalt verschaffte Arthur Schopenhauer
die Möglichkeit, die Kultur und das Alltagsleben in den großen europäischen
Metropolen kennenzulernen. Dabei erwarb er während eines dreimonatigen In-
ternatsaufenthalts in Wimbledon auch sehr gute Englisch-Kenntnisse und ent-
wickelte zudem eine anglophile Orientierung, die auch sein späteres Leben
bestimmte. Anschließend setzte die Familie Schopenhauer ihre Europareise
fort (vgl. Zimmer 2014b, 8-9).
Während dieser Bildungsreise von 1803/04 verfasste Arthur Schopenhauer
Reisetagebücher, in denen er ausführlich über seine vielfältigen Eindrücke be-
richtete und auch seine Wahrnehmungen von sozialem Elend, von Grausam-
keit und Leid reflektierte, die zur Basis für seinen späteren metaphysischen
Pessimismus wurden (vgl. dazu die von Lütkehaus besorgte Edition der Reise-
tagebücher von Arthur Schopenhauer, 1988). Zu diesen markanten Erfahrungen
gehörte nicht nur eine Hinrichtung, die Schopenhauer in London erlebte, son-
dern auch die Begegnung mit angeketteten Galeerensträflingen in Toulon.
Im „Cholerabuch", einem seiner nachgelassenen Manuskriptbücher, inter-
pretiert Arthur Schopenhauer dieses Erlebnis 1832 retrospektiv als Initialerfah-
rung für seine pessimistische Philosophie und reflektiert zugleich das Theo-
dizee-Problem: „In meinem 17ten Jahre [,] ohne alle gelehrte Schulbildung,