Stellenkommentar UB III SE 8, KSA 1, S. 414 265
täts-Philosophie entfaltet, grenzt auch N. vom „Geschäft eines wahren Philoso-
phen" (416, 34 - 417, 1) die „hauptsächlich als Gelehrsamkeit" auftretende Phi-
losophie dessen ab (416, 28), der sich lediglich als „Philolog, Antiquar,
Sprachkenner, Historiker" betätigt (417,4). Obwohl Schopenhauer heftig gegen
die akademische Philosophie polemisiert, betrachtet er den Philosophieprofes-
sor Kant als Ausnahmeexistenz im Universitätsbetrieb (PP I, Hü 151-152),
wenngleich nicht uneingeschränkt (PP I, Hü 161-162). N. hingegen hält gerade
Kant für einen durch Opportunismus und devotes Verhalten gegenüber dem
Staat repräsentativen Universitätsprofessor (vgl. 351, 6-10; 409, 30-34; 414,
15-19).
Diese Einschätzung N.s, die von unzureichender Kenntnis der Schriften
Kants und seines nonkonformistischen Verhaltens als Universitätsprofessor
zeugt, ist offenbar von einer kritischen Bemerkung Schopenhauers in der Welt
als Wille und Vorstellung II beeinflusst: „Daß jedoch Kant zugleich von und
für die Philosophie leben konnte, beruhte auf dem seltenen Umstande, daß,
zum ersten Male wieder, [...] ein Philosoph auf dem Throne saß: nur unter
solchen Auspicien konnte die Kritik der reinen Vernunft das Licht erblicken.
Kaum war der König todt, so sehn wir auch schon Kanten, weil er zur Gilde
gehörte, von Furcht ergriffen, sein Meisterwerk in der zweiten Ausgabe modifi-
ciren, kastriren und verderben, dennoch aber bald in Gefahr kommen, seine
Stelle zu verlieren" (WWV II, Kap. 17, Hü 179). Dazu passt auch die captatio
benevolentiae in der Zueignung an den Staatsminister, die Kant 1787 der zwei-
ten Auflage der Kritik der reinen Vernunft voranstellte (vgl. AA 3, 5). - Vgl. er-
gänzend den Kommentar zum Schopenhauer-Zitat „rücksichtsvoller Lump"
(411, 13-14), das N. in UB III SE auf charakterliche Defizite von Universitätsge-
lehrten generell bezieht, mithin auf ihre Tendenz zu einem strategischen Prag-
matismus, den er in Gestalt einer Gelehrtensatire ebenfalls beanstandet (vgl.
394, 20 - 399, 28). Zu N.s kritischer Auseinandersetzung mit Kant und Scho-
penhauer vgl. auch NK 356, 11-17. Zu spannungsreichen Konstellationen im
Zusammenhang mit N.s Kant-Rezeption vgl. ferner Himmelmann 2005, 29-46.
Kants aufklärerische Prinzipien kommen auf charakteristische Weise in
seiner berühmten Schrift Was ist Aufklärung? von 1784 zum Ausdruck, die mit
der prägnanten Definition beginnt: „Aufklärung ist der Ausgang des
Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Un-
mündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines
anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn
die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschlie-
ßung und des Muthes liegt, sich seiner ohne Leitung eines andern zu bedienen.
Sapere aude! Habe Muth dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist
also der Wahlspruch der Aufklärung" (AA 8, 35).
täts-Philosophie entfaltet, grenzt auch N. vom „Geschäft eines wahren Philoso-
phen" (416, 34 - 417, 1) die „hauptsächlich als Gelehrsamkeit" auftretende Phi-
losophie dessen ab (416, 28), der sich lediglich als „Philolog, Antiquar,
Sprachkenner, Historiker" betätigt (417,4). Obwohl Schopenhauer heftig gegen
die akademische Philosophie polemisiert, betrachtet er den Philosophieprofes-
sor Kant als Ausnahmeexistenz im Universitätsbetrieb (PP I, Hü 151-152),
wenngleich nicht uneingeschränkt (PP I, Hü 161-162). N. hingegen hält gerade
Kant für einen durch Opportunismus und devotes Verhalten gegenüber dem
Staat repräsentativen Universitätsprofessor (vgl. 351, 6-10; 409, 30-34; 414,
15-19).
Diese Einschätzung N.s, die von unzureichender Kenntnis der Schriften
Kants und seines nonkonformistischen Verhaltens als Universitätsprofessor
zeugt, ist offenbar von einer kritischen Bemerkung Schopenhauers in der Welt
als Wille und Vorstellung II beeinflusst: „Daß jedoch Kant zugleich von und
für die Philosophie leben konnte, beruhte auf dem seltenen Umstande, daß,
zum ersten Male wieder, [...] ein Philosoph auf dem Throne saß: nur unter
solchen Auspicien konnte die Kritik der reinen Vernunft das Licht erblicken.
Kaum war der König todt, so sehn wir auch schon Kanten, weil er zur Gilde
gehörte, von Furcht ergriffen, sein Meisterwerk in der zweiten Ausgabe modifi-
ciren, kastriren und verderben, dennoch aber bald in Gefahr kommen, seine
Stelle zu verlieren" (WWV II, Kap. 17, Hü 179). Dazu passt auch die captatio
benevolentiae in der Zueignung an den Staatsminister, die Kant 1787 der zwei-
ten Auflage der Kritik der reinen Vernunft voranstellte (vgl. AA 3, 5). - Vgl. er-
gänzend den Kommentar zum Schopenhauer-Zitat „rücksichtsvoller Lump"
(411, 13-14), das N. in UB III SE auf charakterliche Defizite von Universitätsge-
lehrten generell bezieht, mithin auf ihre Tendenz zu einem strategischen Prag-
matismus, den er in Gestalt einer Gelehrtensatire ebenfalls beanstandet (vgl.
394, 20 - 399, 28). Zu N.s kritischer Auseinandersetzung mit Kant und Scho-
penhauer vgl. auch NK 356, 11-17. Zu spannungsreichen Konstellationen im
Zusammenhang mit N.s Kant-Rezeption vgl. ferner Himmelmann 2005, 29-46.
Kants aufklärerische Prinzipien kommen auf charakteristische Weise in
seiner berühmten Schrift Was ist Aufklärung? von 1784 zum Ausdruck, die mit
der prägnanten Definition beginnt: „Aufklärung ist der Ausgang des
Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Un-
mündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines
anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn
die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschlie-
ßung und des Muthes liegt, sich seiner ohne Leitung eines andern zu bedienen.
Sapere aude! Habe Muth dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist
also der Wahlspruch der Aufklärung" (AA 8, 35).