268 Schopenhauer als Erzieher
mit Kirchenmännern besetzt. Einer von ihnen, Karl Georg Woltersdorf, der als
Prediger an der Berliner Georgenkirche tätig war, schlug im Sommer 1791 vor,
man solle über Kant ein Publikationsverbot verhängen. Zu diesem Zeitpunkt
war Kant durch die Veröffentlichung seiner drei großen Kritiken längst be-
rühmt; zudem hatte er als Professor bereits mehrmals das Amt des Rektors der
Königsberger Universität innegehabt und war darüber hinaus auch Mitglied
der Berliner Akademie der Wissenschaften.
Ins Visier der staatlichen Zensur geriet Kant insbesondere wegen einer reli-
gionsphilosophischen Abhandlung, die er unter dem Titel Die Religion inner-
halb der Grenzen der bloßen Vernunft im Jahre 1793 (2. Auflage 1794) publizier-
te. Vom König höchstselbst erhielt er einen auf den 1. Oktober 1794 datierten
Brief mit dem folgenden Wortlaut: „Unsere höchste Person hat schon seit ge-
raumer Zeit mit großem Mißfallen ersehen: wie Ihr Eure Philosophie zu Entstel-
lung und Herabwürdigung mancher Haupt- und Grundlehren der heiligen
Schrift und des Christenthums mißbraucht; wie Ihr dieses namentlich in Eurem
Buch: ,Religion innerhalb der Gränzen der bloßen Vernunft,' desgleichen in
anderen, kleineren Abhandlungen gethan habt. Wir haben Uns zu Euch eines
Besseren versehen, da Ihr selbst einsehen müsset, wie unverantwortlich Ihr
dadurch gegen Eure Pflicht als Lehrer der Jugend und gegen Unsere Euch sehr
wohl bekannte landesväterliche Absichten handelt. Wir verlangen [...] von
Euch bei Vermeidung Unserer höchsten Ungnade, daß Ihr Euch künftighin
Nichts dergleichen werdet zu Schulden kommen lassen, [...] widrigenfalls Ihr
Euch bei fortgesetzter Renitenz unfehlbar unangenehmer Verfügungen zu ge-
wärtigen habt" (AA 7, 6).
Kant antwortete dem König mit einem umfangreichen, zwar diplomatisch
angelegten, aber in der Sache Position beziehenden Brief, in dem er ihm mit-
teilte, dass er mit seiner Schrift nicht „der öffentlichen Landesreligion Ab-
bruch gethan" habe, betonte, dass diese Abhandlung ohnehin „für das Publi-
cum ein unverständliches, verschlossenes Buch und nur eine Verhandlung
zwischen Facultätsgelehrten vorstellt, [...] in Ansehung deren aber die Facultä-
ten selbst frei bleiben, nach ihrem besten Wissen und Gewissen öffentlich zu
urtheilen" (AA 7, 8). Er vertrat die Auffassung, dass zwar die Theologen, sofern
sie als Geistliche betrachtet würden, in Angelegenheiten des Glaubens zur Ver-
antwortung gezogen werden könnten, beharrte zugleich aber auf dem Prinzip
der Denk- und Forschungsfreiheit in der Philosophie. Nach dem Tod des Kö-
nigs und dem Ende der Wöllner-Ära machte Kant das Schreiben des Königs
und seine eigene Antwort 1798 in der Vorrede zu seiner Schrift Der Streit der
Fakultäten publik. Friedrich Wilhelm III., der am 16. November 1797 König von
Preußen geworden war, annullierte unverzüglich die Edikte Wöllners und ent-
ließ diesen Minister. Kants couragierte Auseinandersetzungen mit der Obrig-
mit Kirchenmännern besetzt. Einer von ihnen, Karl Georg Woltersdorf, der als
Prediger an der Berliner Georgenkirche tätig war, schlug im Sommer 1791 vor,
man solle über Kant ein Publikationsverbot verhängen. Zu diesem Zeitpunkt
war Kant durch die Veröffentlichung seiner drei großen Kritiken längst be-
rühmt; zudem hatte er als Professor bereits mehrmals das Amt des Rektors der
Königsberger Universität innegehabt und war darüber hinaus auch Mitglied
der Berliner Akademie der Wissenschaften.
Ins Visier der staatlichen Zensur geriet Kant insbesondere wegen einer reli-
gionsphilosophischen Abhandlung, die er unter dem Titel Die Religion inner-
halb der Grenzen der bloßen Vernunft im Jahre 1793 (2. Auflage 1794) publizier-
te. Vom König höchstselbst erhielt er einen auf den 1. Oktober 1794 datierten
Brief mit dem folgenden Wortlaut: „Unsere höchste Person hat schon seit ge-
raumer Zeit mit großem Mißfallen ersehen: wie Ihr Eure Philosophie zu Entstel-
lung und Herabwürdigung mancher Haupt- und Grundlehren der heiligen
Schrift und des Christenthums mißbraucht; wie Ihr dieses namentlich in Eurem
Buch: ,Religion innerhalb der Gränzen der bloßen Vernunft,' desgleichen in
anderen, kleineren Abhandlungen gethan habt. Wir haben Uns zu Euch eines
Besseren versehen, da Ihr selbst einsehen müsset, wie unverantwortlich Ihr
dadurch gegen Eure Pflicht als Lehrer der Jugend und gegen Unsere Euch sehr
wohl bekannte landesväterliche Absichten handelt. Wir verlangen [...] von
Euch bei Vermeidung Unserer höchsten Ungnade, daß Ihr Euch künftighin
Nichts dergleichen werdet zu Schulden kommen lassen, [...] widrigenfalls Ihr
Euch bei fortgesetzter Renitenz unfehlbar unangenehmer Verfügungen zu ge-
wärtigen habt" (AA 7, 6).
Kant antwortete dem König mit einem umfangreichen, zwar diplomatisch
angelegten, aber in der Sache Position beziehenden Brief, in dem er ihm mit-
teilte, dass er mit seiner Schrift nicht „der öffentlichen Landesreligion Ab-
bruch gethan" habe, betonte, dass diese Abhandlung ohnehin „für das Publi-
cum ein unverständliches, verschlossenes Buch und nur eine Verhandlung
zwischen Facultätsgelehrten vorstellt, [...] in Ansehung deren aber die Facultä-
ten selbst frei bleiben, nach ihrem besten Wissen und Gewissen öffentlich zu
urtheilen" (AA 7, 8). Er vertrat die Auffassung, dass zwar die Theologen, sofern
sie als Geistliche betrachtet würden, in Angelegenheiten des Glaubens zur Ver-
antwortung gezogen werden könnten, beharrte zugleich aber auf dem Prinzip
der Denk- und Forschungsfreiheit in der Philosophie. Nach dem Tod des Kö-
nigs und dem Ende der Wöllner-Ära machte Kant das Schreiben des Königs
und seine eigene Antwort 1798 in der Vorrede zu seiner Schrift Der Streit der
Fakultäten publik. Friedrich Wilhelm III., der am 16. November 1797 König von
Preußen geworden war, annullierte unverzüglich die Edikte Wöllners und ent-
ließ diesen Minister. Kants couragierte Auseinandersetzungen mit der Obrig-