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Neymeyr, Barbara; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 1,4): Kommentar zu Nietzsches "Unzeitgemässen Betrachtungen": III. Schopenhauer als Erzieher, IV. Richard Wagner in Bayreuth — Berlin, Boston: de Gruyter, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.69928#0308
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Stellenkommentar UB III SE 8, KSA 1, S. 423-424 281

sei und als ob sie sich wie ehemals noch mit den scholastischen Problemen der
persönlichen Unsterblichkeit oder der Gottesbeweise trage. Er mag noch so frei
zu solchen Dingen stehen - wenn er das Fundament der jetzigen Wissenschaften
kritisirt, so wird er bewusst oder unbewusst ein Bundesgenosse von höchst ver-
schiedenartigen Mächten, als die Philosophie ist, nämlich von Staat und Kirche.
Und wenn es schon ganz gleichgültig ist, ob er als Einzelner ein Missverständ-
niss erregt, so ist es nicht gleichgültig, wenn eine ganze Universität in solchen
Dingen Missverständnisse erregt. Ich meine, Menschen, welche durch keine ge-
meinsamen herrschenden Gedanken zusammengebunden sind, sollen sich auch
durch keine Institution zusammenbinden lassen: thun sie es, so werden sie diese
verderben. Der Staat freilich hat ein Interesse dabei, dass solche Unklarheiten
bestehn bleiben: und nur zu lange schon hat er die ,Philosophie' benutzt, um
den Sinn einer Staatsanstalt, der Universität, zu verdunkeln. An diesen Orten ist
viel aufzuhalten: das weiss jeder, der dort lebt; und meinen Augen will es beson-
ders so scheinen, als ob die eigentlichen Grundrichtungen angesehener Wissen-
schaften gar nicht mehr eingehalten würden - und zwar weil die Spur verloren
gegangen ist, auf der sich die gesammte Bildungsanstalt überhaupt bewegen
sollte" (KSA 14, 80).
Einen guten Überblick über den hier von N. thematisierten zeitgenössi-
schen „Materialismus" und die kritischen, oft weltanschaulich bedingten Aus-
einandersetzungen mit ihm gibt Friedrich Ueberwegs Grundriß der Geschichte
der Philosophie von Thales bis auf die Gegenwart (1863-1866), die N. in seiner
Bibliothek hatte (NPB 628). Vgl. ebd., Dritter Theil: Die Neuzeit (2. Aufl. 1866),
§ 28: „Der gegenwärtige Zustand der Philosophie", mit umfassenden Literatur-
angaben zum Materialismus-Streit. Vgl. auch Friedrich Albert Langes Geschich-
te des Materialismus und Kritik seiner Bedeutung in der Gegenwart (1866). Vgl.
dazu Jörg Salaquarda 1978, 236-253.
424, 23 Lyra] Die Lyra (Avpa), ein siebensaitiges Musikinstrument, gilt (neben
der Kithara) als bedeutendstes Saiteninstrument aus der klassischen Epoche
der griechischen Antike. Später wurde sie auch von den Römern verwendet.
Ursprünglich besteht die Lyra aus einer Schildkrötenschale (oder deren Imita-
tion aus Holz), die mit einer Schalldecke aus Haut überzogen und mit sieben
Darmsaiten verbunden wurde. In der antiken Mythologie gilt der Gott Hermes
als Erfinder der Lyra. Historischen Zeugnissen zufolge wurde die Lyra um 675
v. Chr. von dem griechischen Musiker Terpandros geschaffen: vgl. dazu die Mo-
ralia des Plutarchos (Plut. mor. 238c).
424, 23-25 obschon Schopenhauer das Bekanntwerden der indischen Philoso-
phie für einen der grössten Vortheile hielt, welche unser Jahrhundert vor anderen
voraushabe] In der Welt als Wille und Vorstellung I bezeichnet Schopenhauer
 
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