360 Richard Wagner in Bayreuth
dings eindeutig aus dem Dankesbrief, den Wagner am 13. Juli 1876 an ihn rich-
tete: „Freund! / Ihr Buch ist ungeheuer! - / Wo haben Sie nur die Erfahrung
von mir her? - " (KGB II 6/1, Nr. 797, S. 362). Voller Stolz zitiert N. Wagners
Reaktion acht Tage später in einem Brief an Carl von Gersdorff sogar wörtlich
(vgl. KSB 5, Nr. 543, S. 178).
In Ecce homo fährt N. fort: „Insgleichen hatte sich ,der Gedanke von Bay-
reuth' in Etwas verwandelt, das den Kennern meines Zarathustra kein Räthsel-
Begriff sein wird: in jenen grossen Mittag, wo sich die Auserwähltesten zur
grössten aller Aufgaben weihen — wer weiss? die Vision eines Festes, das ich
noch erleben werde... Das Pathos der ersten Seiten ist welthistorisch; der
Blick, von dem auf der siebenten Seite die Rede ist, ist der eigentliche Zara-
thustra-Blick; Wagner, Bayreuth, die ganze kleine deutsche Erbärmlichkeit ist
eine Wolke, in der eine unendliche fata morgana der Zukunft sich spiegelt.
Selbst psychologisch sind alle entscheidenden Züge meiner eignen Natur in
die Wagners eingetragen - das Nebeneinander der lichtesten und verhängniss-
vollsten Kräfte, der Wille zur Macht, wie ihn nie ein Mensch besessen hat, die
rücksichtslose Tapferkeit im Geistigen, die unbegrenzte Kraft zu lernen, ohne
dass der Wille zur That damit erdrückt würde. Es ist Alles an dieser Schrift
vorherverkündend: die Nähe der Wiederkunft des griechischen Geistes, die
Nothwendigkeit von Gegen-Alexandern, welche den gordischen Knoten
der griechischen Cultur wieder binden, nachdem er gelöst war ... Man höre
den welthistorischen Accent, mit dem auf Seite 30 der Begriff ,tragische Gesin-
nung' eingeführt wird: es sind lauter welthistorische Accente in dieser Schrift"
(KSA 6, 314, 12-33). Und N. resümiert: „Dies ist die fremdartigste ,Objektivität',
die es geben kann: die absolute Gewissheit darüber, was ich bin, projicirte
sich auf irgend eine zufällige Realität, - die Wahrheit über mich redete aus
einer schauervollen Tiefe" (KSA 6, 314, 33 - 315, 3).
Bereits einige Monate vor der Konzeption von Ecce homo äußert sich N. am
19. Februar 1888 in einem Brief an Georg Brandes in psychologisch dekuvrie-
render Weise über UB III SE und UB IV WB: „Die beiden Schriften über Scho-
penhauer und Richard Wagner stellen, wie mir heute scheint, mehr Selbstbe-
kenntnisse, vor allem Selbstgelöbnisse über mich dar als etwa eine
wirkliche Psychologie jener mir ebenso tief verwandten als antagonistischen
Meister. (- ich war der Erste, der aus Beiden eine Art Einheit destillirte: jetzt
ist dieser Aberglaube sehr im Vordergründe der deutschen Cultur: alle Wagne-
rianer sind Anhänger Schopenhauers. Dies war anders als ich jung war: damals
waren es die letzten Hegelinge, die zu Wagner hielten, und ,Wagner und He-
gel' lautete die Parole in den fünfziger Jahren noch.)" (KSB 8, Nr. 997, S. 260).
Knapp zehn Monate später schreibt N. am 9. Dezember 1888 an Heinrich Köse-
litz: „Über die dritte und vierte Unzeitgemäße werden Sie in Ecce homo
dings eindeutig aus dem Dankesbrief, den Wagner am 13. Juli 1876 an ihn rich-
tete: „Freund! / Ihr Buch ist ungeheuer! - / Wo haben Sie nur die Erfahrung
von mir her? - " (KGB II 6/1, Nr. 797, S. 362). Voller Stolz zitiert N. Wagners
Reaktion acht Tage später in einem Brief an Carl von Gersdorff sogar wörtlich
(vgl. KSB 5, Nr. 543, S. 178).
In Ecce homo fährt N. fort: „Insgleichen hatte sich ,der Gedanke von Bay-
reuth' in Etwas verwandelt, das den Kennern meines Zarathustra kein Räthsel-
Begriff sein wird: in jenen grossen Mittag, wo sich die Auserwähltesten zur
grössten aller Aufgaben weihen — wer weiss? die Vision eines Festes, das ich
noch erleben werde... Das Pathos der ersten Seiten ist welthistorisch; der
Blick, von dem auf der siebenten Seite die Rede ist, ist der eigentliche Zara-
thustra-Blick; Wagner, Bayreuth, die ganze kleine deutsche Erbärmlichkeit ist
eine Wolke, in der eine unendliche fata morgana der Zukunft sich spiegelt.
Selbst psychologisch sind alle entscheidenden Züge meiner eignen Natur in
die Wagners eingetragen - das Nebeneinander der lichtesten und verhängniss-
vollsten Kräfte, der Wille zur Macht, wie ihn nie ein Mensch besessen hat, die
rücksichtslose Tapferkeit im Geistigen, die unbegrenzte Kraft zu lernen, ohne
dass der Wille zur That damit erdrückt würde. Es ist Alles an dieser Schrift
vorherverkündend: die Nähe der Wiederkunft des griechischen Geistes, die
Nothwendigkeit von Gegen-Alexandern, welche den gordischen Knoten
der griechischen Cultur wieder binden, nachdem er gelöst war ... Man höre
den welthistorischen Accent, mit dem auf Seite 30 der Begriff ,tragische Gesin-
nung' eingeführt wird: es sind lauter welthistorische Accente in dieser Schrift"
(KSA 6, 314, 12-33). Und N. resümiert: „Dies ist die fremdartigste ,Objektivität',
die es geben kann: die absolute Gewissheit darüber, was ich bin, projicirte
sich auf irgend eine zufällige Realität, - die Wahrheit über mich redete aus
einer schauervollen Tiefe" (KSA 6, 314, 33 - 315, 3).
Bereits einige Monate vor der Konzeption von Ecce homo äußert sich N. am
19. Februar 1888 in einem Brief an Georg Brandes in psychologisch dekuvrie-
render Weise über UB III SE und UB IV WB: „Die beiden Schriften über Scho-
penhauer und Richard Wagner stellen, wie mir heute scheint, mehr Selbstbe-
kenntnisse, vor allem Selbstgelöbnisse über mich dar als etwa eine
wirkliche Psychologie jener mir ebenso tief verwandten als antagonistischen
Meister. (- ich war der Erste, der aus Beiden eine Art Einheit destillirte: jetzt
ist dieser Aberglaube sehr im Vordergründe der deutschen Cultur: alle Wagne-
rianer sind Anhänger Schopenhauers. Dies war anders als ich jung war: damals
waren es die letzten Hegelinge, die zu Wagner hielten, und ,Wagner und He-
gel' lautete die Parole in den fünfziger Jahren noch.)" (KSB 8, Nr. 997, S. 260).
Knapp zehn Monate später schreibt N. am 9. Dezember 1888 an Heinrich Köse-
litz: „Über die dritte und vierte Unzeitgemäße werden Sie in Ecce homo