Überblickskommentar, Kapitel IV.7: Rezeption 361
eine Entdeckung lesen, daß Ihnen die Haare zu Berge stehn - mir standen sie
auch zu Berge. Beide reden nur von mir, anticipando ... Weder Wagner,
noch Schopenhauer kamen psychologisch drin vor ... Ich habe beide Schriften
erst seit 14 Tagen verstanden" (KSB 8, Nr. 1181, S. 515).
IV.7 Die Rezeption von Richard Wagner in Bayreuth
Cosima Wagner reagiert auf die Zusendung der beiden Festexemplare von
UB IV WB am 11. Juli 1876 mit einem kurzen, aber emphatischen Brief an N.:
„Ich verdanke Ihnen jetzt, theurer Freund, die einzige Erquickung und Erhe-
bung, nächst den gewaltigen Kunsteindrücken" (KGB II 6/1, Nr. 793, S. 357).
Richard Wagner selbst schreibt N. am 13. Juli 1876 mit Enthusiasmus:
„Freund! / Ihr Buch ist ungeheuer! - / Wo haben Sie nur die Erfahrung von
mir her? - " (KGB II 6/1, Nr. 797, S. 362). - Carl von Gersdorff dankt N. am
12. Juli 1876 mit pathetischem Nachdruck für die Schrift: „Ergriffenheit ist das
rechte Wort für meine Empfindung und wie könnte es anders sein: ein ganzes
Stück von dir selbst hast du losgetrennt, mit Herzblut geschrieben, ausgespro-
chen was unaussprechlich schien, die innerste Seele das treuste Empfinden
vor die gemeinste Welt als ein ächtes und frommes und starkes Zeugniss hinge-
stellt, dafür dass der Genius auf seiner einsamen Wanderung durch die entarte-
te Wildniss dieser Zeit doch eine Seele fand, aus der ihm eine verwandte Saite
entgegenklang und in ein verständnissvolles Auge blicken durfte während ihm
sonst nur Fratzen höhnisch oder stumpfsinnig entgegengrinsten" (KGB II 6/1,
Nr. 794, S. 358). - N. reagiert auf diesen Brief am 21. Juli 1876 seinerseits em-
phatisch und berichtet zugleich stolz die Reaktion Wagners: „Liebster guter
Freund, Du hast mich sehr ergriffen durch Deinen Brief [...]. Du weisst wirklich
besser als irgend einer, wie mir zu Muthe ist. - Das Buch hat sich legitimirt,
ich denke mit grosser Ruhe daran. W<agner> schrieb ,Freund! Ihr Buch ist un-
geheuer! Wo haben Sie nur die Erfahrung von mir her? usw'. Auch Frau Wag-
ner und Jakob Burckhardt haben Zeugniss abgelegt. - " (KSB 5, Nr. 543, S. 178).
Insofern wird N.s spätere Behauptung in Ecce homo: Wagner „erkannte sich in
der Schrift nicht wieder" (KSA 6, 314, 11) hier eindeutig durch dessen eigene
Aussage widerlegt (vgl. KGB II 6/1, Nr. 797, S. 362).
Am 28. Juli 1876 berichtet N. seiner Schwester Elisabeth in einem Brief aus
Bayreuth zunächst vom geringen Vorverkauf der Festspiele, um dann stolz zu
erklären: „Heute Abend kommt der König. Er hat über meine Schrift telegra-
phirt, dass sie ihn entzückt habe" (KSB 5, Nr. 545, S. 180). Heinrich Romundt
schreibt N. am 16. Juli 1876: „Ich meinte in eine ganz neue Welt zu blicken [...]
durchaus wirklich und doch nicht vergleichbar mit dem sonst bekannten; eine
eine Entdeckung lesen, daß Ihnen die Haare zu Berge stehn - mir standen sie
auch zu Berge. Beide reden nur von mir, anticipando ... Weder Wagner,
noch Schopenhauer kamen psychologisch drin vor ... Ich habe beide Schriften
erst seit 14 Tagen verstanden" (KSB 8, Nr. 1181, S. 515).
IV.7 Die Rezeption von Richard Wagner in Bayreuth
Cosima Wagner reagiert auf die Zusendung der beiden Festexemplare von
UB IV WB am 11. Juli 1876 mit einem kurzen, aber emphatischen Brief an N.:
„Ich verdanke Ihnen jetzt, theurer Freund, die einzige Erquickung und Erhe-
bung, nächst den gewaltigen Kunsteindrücken" (KGB II 6/1, Nr. 793, S. 357).
Richard Wagner selbst schreibt N. am 13. Juli 1876 mit Enthusiasmus:
„Freund! / Ihr Buch ist ungeheuer! - / Wo haben Sie nur die Erfahrung von
mir her? - " (KGB II 6/1, Nr. 797, S. 362). - Carl von Gersdorff dankt N. am
12. Juli 1876 mit pathetischem Nachdruck für die Schrift: „Ergriffenheit ist das
rechte Wort für meine Empfindung und wie könnte es anders sein: ein ganzes
Stück von dir selbst hast du losgetrennt, mit Herzblut geschrieben, ausgespro-
chen was unaussprechlich schien, die innerste Seele das treuste Empfinden
vor die gemeinste Welt als ein ächtes und frommes und starkes Zeugniss hinge-
stellt, dafür dass der Genius auf seiner einsamen Wanderung durch die entarte-
te Wildniss dieser Zeit doch eine Seele fand, aus der ihm eine verwandte Saite
entgegenklang und in ein verständnissvolles Auge blicken durfte während ihm
sonst nur Fratzen höhnisch oder stumpfsinnig entgegengrinsten" (KGB II 6/1,
Nr. 794, S. 358). - N. reagiert auf diesen Brief am 21. Juli 1876 seinerseits em-
phatisch und berichtet zugleich stolz die Reaktion Wagners: „Liebster guter
Freund, Du hast mich sehr ergriffen durch Deinen Brief [...]. Du weisst wirklich
besser als irgend einer, wie mir zu Muthe ist. - Das Buch hat sich legitimirt,
ich denke mit grosser Ruhe daran. W<agner> schrieb ,Freund! Ihr Buch ist un-
geheuer! Wo haben Sie nur die Erfahrung von mir her? usw'. Auch Frau Wag-
ner und Jakob Burckhardt haben Zeugniss abgelegt. - " (KSB 5, Nr. 543, S. 178).
Insofern wird N.s spätere Behauptung in Ecce homo: Wagner „erkannte sich in
der Schrift nicht wieder" (KSA 6, 314, 11) hier eindeutig durch dessen eigene
Aussage widerlegt (vgl. KGB II 6/1, Nr. 797, S. 362).
Am 28. Juli 1876 berichtet N. seiner Schwester Elisabeth in einem Brief aus
Bayreuth zunächst vom geringen Vorverkauf der Festspiele, um dann stolz zu
erklären: „Heute Abend kommt der König. Er hat über meine Schrift telegra-
phirt, dass sie ihn entzückt habe" (KSB 5, Nr. 545, S. 180). Heinrich Romundt
schreibt N. am 16. Juli 1876: „Ich meinte in eine ganz neue Welt zu blicken [...]
durchaus wirklich und doch nicht vergleichbar mit dem sonst bekannten; eine