Stellenkommentar UB IV WB 1, KSA 1, S. 434 375
„Philister-Kultur" (KSA 1, 205, 11-12) mit dem „Ausdruck der Zufriedenheit im
Gesichte", die „nichts Wesentliches an dem gegenwärtigen Stande der deut-
schen Gebildetheit geändert haben" will (KSA 1, 205, 15-17). Die „grossen hero-
ischen Gestalten" der Kultur, die ernsthaft „Suchende waren" (KSA 1, 167,
12, 15), grenzt N. nachdrücklich sowohl von den bloßen „Philistern" als auch
von den unkreativen „Epigonen" ab (vgl. dazu NK 165, 6 und NK 169, 16-18). -
In UB III SE verschärft er die Differenz zwischen echter ,Bildung' und bloßem
,Gebildetsein' sogar bis zum Antagonismus, indem er konstatiert: „Die gelehr-
ten Stände sind nicht mehr Leuchtthürme oder Asyle inmitten aller dieser Un-
ruhe der Verweltlichung [...]. Alles dient der kommenden Barbarei, die jetzige
Kunst und Wissenschaft mit einbegriffen. Der Gebildete ist zum grössten Fein-
de der Bildung abgeartet, denn er will die allgemeine Krankheit weglügen und
ist den Ärzten hinderlich" (KSA 1, 366, 14-20). Zu den Implikationen von ,Ge-
bildetheit' konkret im Zusammenhang mit N.s Wagner-Lektüre vgl. ferner Som-
mer 2014, 219-237. Vgl. darüber hinaus NK 450, 8-13 mit weiteren Belegen zur
Gegenüberstellung von genuiner ,Bildung' und bloßer ,Gebildetheit' bei N. Zu
den vielfältigen Aspekten im begrifflichen Spannungsfeld zwischen Gebildet-
heit, Bildung, Kultur und Barbarei bei N. vgl. ergänzend NK 161, 2-3.
434, 10-12 Wer bedürfte nicht des reinigenden Wassers, wer hörte nicht die
Stimme, die ihn mahnt: Schweigen und Reinsein! Schweigen und Reinsein!] Die
für die Bayreuth-Inszenierung beanspruchte kultische Aura analogisiert N. hier
emphatisch mit Zügen von Mysterien-Ritualen und mit sakramentalen Elemen-
ten. Das ,reinigende Wasser' gehört zum Reinigungsritual der Mysterien sowie
zur christlichen Taufe. Dies gilt auch für das Schweigen angesichts der Weihe-
Handlung, die im Zentrum des Mysteriums steht und wenig später als „das
Ereigniss von Bayreuth" vorgeführt wird (434, 14). - Mit der zu hörenden
„Stimme" nimmt N. einen häufig vorkommenden biblischen Topos auf, der
sich auf die Offenbarung des Heils bezieht oder einen Akt der Auserwählung
signalisiert. Vgl. dazu exemplarische Belege, z. B. Jesaia 6, 8: „ich hörte die
Stimme des Herrn"; Joh. 18, 37: „wer aus der Wahrheit ist, der höret meine
Stimme"; Apg. 9, 7: „sie hörten die Stimme und sahen niemand"; Offb. 1, 10:
„hörte hinter mir eine große Stimme"; Offb. 10, 4: „da hörte ich eine Stimme
vom Himmel". - Emphatische Anaphern und Steigerungsfiguren orchestrieren
den ganzen Absatz: Sie reichen von der nachdrücklichen Akzentsetzung in der
Formulierung „zum Ernste, zum tiefen heiligen Ernste" (434, 4) bis zur Gemi-
natio „Schweigen und Reinsein! Schweigen und Reinsein!" (434, 12), um sich
am Ende des Absatzes dann mit der Evokation einer ,großen Zukunft' zu ver-
binden. Den mithilfe dieser Wiederholungsfiguren bereits erzielten Nachdruck
forciert N. zusätzlich dadurch, dass er darüber hinaus auch rhetorische Fragen
verwendet: „Wer von uns hätte nicht [...]"; „Wer bedürfte nicht [...]"; „wer hörte
„Philister-Kultur" (KSA 1, 205, 11-12) mit dem „Ausdruck der Zufriedenheit im
Gesichte", die „nichts Wesentliches an dem gegenwärtigen Stande der deut-
schen Gebildetheit geändert haben" will (KSA 1, 205, 15-17). Die „grossen hero-
ischen Gestalten" der Kultur, die ernsthaft „Suchende waren" (KSA 1, 167,
12, 15), grenzt N. nachdrücklich sowohl von den bloßen „Philistern" als auch
von den unkreativen „Epigonen" ab (vgl. dazu NK 165, 6 und NK 169, 16-18). -
In UB III SE verschärft er die Differenz zwischen echter ,Bildung' und bloßem
,Gebildetsein' sogar bis zum Antagonismus, indem er konstatiert: „Die gelehr-
ten Stände sind nicht mehr Leuchtthürme oder Asyle inmitten aller dieser Un-
ruhe der Verweltlichung [...]. Alles dient der kommenden Barbarei, die jetzige
Kunst und Wissenschaft mit einbegriffen. Der Gebildete ist zum grössten Fein-
de der Bildung abgeartet, denn er will die allgemeine Krankheit weglügen und
ist den Ärzten hinderlich" (KSA 1, 366, 14-20). Zu den Implikationen von ,Ge-
bildetheit' konkret im Zusammenhang mit N.s Wagner-Lektüre vgl. ferner Som-
mer 2014, 219-237. Vgl. darüber hinaus NK 450, 8-13 mit weiteren Belegen zur
Gegenüberstellung von genuiner ,Bildung' und bloßer ,Gebildetheit' bei N. Zu
den vielfältigen Aspekten im begrifflichen Spannungsfeld zwischen Gebildet-
heit, Bildung, Kultur und Barbarei bei N. vgl. ergänzend NK 161, 2-3.
434, 10-12 Wer bedürfte nicht des reinigenden Wassers, wer hörte nicht die
Stimme, die ihn mahnt: Schweigen und Reinsein! Schweigen und Reinsein!] Die
für die Bayreuth-Inszenierung beanspruchte kultische Aura analogisiert N. hier
emphatisch mit Zügen von Mysterien-Ritualen und mit sakramentalen Elemen-
ten. Das ,reinigende Wasser' gehört zum Reinigungsritual der Mysterien sowie
zur christlichen Taufe. Dies gilt auch für das Schweigen angesichts der Weihe-
Handlung, die im Zentrum des Mysteriums steht und wenig später als „das
Ereigniss von Bayreuth" vorgeführt wird (434, 14). - Mit der zu hörenden
„Stimme" nimmt N. einen häufig vorkommenden biblischen Topos auf, der
sich auf die Offenbarung des Heils bezieht oder einen Akt der Auserwählung
signalisiert. Vgl. dazu exemplarische Belege, z. B. Jesaia 6, 8: „ich hörte die
Stimme des Herrn"; Joh. 18, 37: „wer aus der Wahrheit ist, der höret meine
Stimme"; Apg. 9, 7: „sie hörten die Stimme und sahen niemand"; Offb. 1, 10:
„hörte hinter mir eine große Stimme"; Offb. 10, 4: „da hörte ich eine Stimme
vom Himmel". - Emphatische Anaphern und Steigerungsfiguren orchestrieren
den ganzen Absatz: Sie reichen von der nachdrücklichen Akzentsetzung in der
Formulierung „zum Ernste, zum tiefen heiligen Ernste" (434, 4) bis zur Gemi-
natio „Schweigen und Reinsein! Schweigen und Reinsein!" (434, 12), um sich
am Ende des Absatzes dann mit der Evokation einer ,großen Zukunft' zu ver-
binden. Den mithilfe dieser Wiederholungsfiguren bereits erzielten Nachdruck
forciert N. zusätzlich dadurch, dass er darüber hinaus auch rhetorische Fragen
verwendet: „Wer von uns hätte nicht [...]"; „Wer bedürfte nicht [...]"; „wer hörte