Stellenkommentar UB IV WB 2, KSA 1, S. 437-438 387
jähe elementare Strömung, die unbefriedigt nach allen Seiten über das Strom-
bett hinausschießt; eine auf verborgenen Felsen unruhig ruhende, wund und
wild gewordene Meeresgottheit, die am Sturme mehr Lust hat als an der glatten
Spiegelung des Himmels - dies ist die eine Seite der Wagnerischen Natur,
furchtbar und friedlos, sich und anderen zur Qual (mir gab die Norn den Geist,
der stets ,unbefriedigt')". -Die metaphorische Ausgestaltung voluntativen Ge-
triebenseins, mit der N. auf Aspekte der Schopenhauerschen Willensmetaphy-
sik zurückgreift (vgl. Belege dazu in NK 478, 24-28), erscheint zugleich auch
als variierende Anspielung auf eine Charakterisierung Fausts durch die „Sor-
ge" im 5. Akt von Goethes Faust II: „Im Weiterschreiten find' er Qual und
Glück, / Er, unbefriedigt jeden Augenblick" (V. 11451-11452). - Den ausgepräg-
ten Machtwillen Wagners brachte N. auch mit Alexander dem Großen (vgl. 434,
28-34) und mit Napoleon in Verbindung (vgl. z. B. NL 1885, 2 [101], KSA 12, 111).
Und in der Phase seines Übergangs in die geistige Umnachtung erklärte N. am
3. Januar 1889 im Brief an Cosima Wagner sogar „Alexander und Caesar" sowie
„Voltaire und Napoleon, vielleicht auch Richard Wagner" zu „Inkarnationen"
seiner selbst (KSB 8, Nr. 1241, S. 573).
437, 16-17 gleichsam unterschwürig] Mit einem Geschwür behaftet. N. themati-
siert den physischen Defekt eines Geschwürs hier nur per analogiam, um damit
eine negative psychische Befindlichkeit zu charakterisieren. Konkret meint er
damit Wagner, den der Hiat zwischen „Streben" und „Erfolglosigkeit" schließ-
lich „reizbar und ungerecht" gemacht habe (437, 12, 15, 17).
438, 2 Rienzi] Rienzi ist der Protagonist aus Wagners Rienzi, der letzte der Tri-
bunen, einer tragischen Oper in fünf Akten auf der Basis des Romans Rienzi
von Edward Bulwer Lytton. Die Uraufführung der Oper fand am 20. Oktober
1842 in Dresden statt. Im Zentrum von Rienzi steht das Leben des Cola di Rienzi
(1313-1354), der im Interesse des einfachen Volkes engagiert und als Volkstri-
bun zunächst auch erfolgreich gegen die Willkür der Aristokraten kämpfte,
später allerdings auf der Treppe zum Kapitol in Rom gewaltsam zu Tode kam.
Das Werk thematisiert das Schicksal mehrerer miteinander verfeindeter Adels-
familien, die damals in Rom die Herrschaft innehatten. Zwar stellte sich Rienzi
entschlossen gegen den Terror, den die verfeindeten Nobili auf Kosten des Vol-
kes ausübten, aber schließlich erlitt er eine Niederlage. - Auf diese Handlungs-
elemente greift auch Wagner in seiner Oper zurück. Hier versucht der Prota-
gonist Rienzi im Rahmen politischer Konflikte zwischen den verfeindeten
Parteien zu vermitteln: In Rom engagiert er sich für Recht, Freiheit und Frie-
den. Die ihm angebotene Königskrone schlägt er jedoch aus, weil er sich als
Volkstribun versteht. Obwohl er als Rhetor die Massen anzusprechen weiß,
zieht er im Zuge politischer Konflikte und Intrigen den Zorn der Menge auf
jähe elementare Strömung, die unbefriedigt nach allen Seiten über das Strom-
bett hinausschießt; eine auf verborgenen Felsen unruhig ruhende, wund und
wild gewordene Meeresgottheit, die am Sturme mehr Lust hat als an der glatten
Spiegelung des Himmels - dies ist die eine Seite der Wagnerischen Natur,
furchtbar und friedlos, sich und anderen zur Qual (mir gab die Norn den Geist,
der stets ,unbefriedigt')". -Die metaphorische Ausgestaltung voluntativen Ge-
triebenseins, mit der N. auf Aspekte der Schopenhauerschen Willensmetaphy-
sik zurückgreift (vgl. Belege dazu in NK 478, 24-28), erscheint zugleich auch
als variierende Anspielung auf eine Charakterisierung Fausts durch die „Sor-
ge" im 5. Akt von Goethes Faust II: „Im Weiterschreiten find' er Qual und
Glück, / Er, unbefriedigt jeden Augenblick" (V. 11451-11452). - Den ausgepräg-
ten Machtwillen Wagners brachte N. auch mit Alexander dem Großen (vgl. 434,
28-34) und mit Napoleon in Verbindung (vgl. z. B. NL 1885, 2 [101], KSA 12, 111).
Und in der Phase seines Übergangs in die geistige Umnachtung erklärte N. am
3. Januar 1889 im Brief an Cosima Wagner sogar „Alexander und Caesar" sowie
„Voltaire und Napoleon, vielleicht auch Richard Wagner" zu „Inkarnationen"
seiner selbst (KSB 8, Nr. 1241, S. 573).
437, 16-17 gleichsam unterschwürig] Mit einem Geschwür behaftet. N. themati-
siert den physischen Defekt eines Geschwürs hier nur per analogiam, um damit
eine negative psychische Befindlichkeit zu charakterisieren. Konkret meint er
damit Wagner, den der Hiat zwischen „Streben" und „Erfolglosigkeit" schließ-
lich „reizbar und ungerecht" gemacht habe (437, 12, 15, 17).
438, 2 Rienzi] Rienzi ist der Protagonist aus Wagners Rienzi, der letzte der Tri-
bunen, einer tragischen Oper in fünf Akten auf der Basis des Romans Rienzi
von Edward Bulwer Lytton. Die Uraufführung der Oper fand am 20. Oktober
1842 in Dresden statt. Im Zentrum von Rienzi steht das Leben des Cola di Rienzi
(1313-1354), der im Interesse des einfachen Volkes engagiert und als Volkstri-
bun zunächst auch erfolgreich gegen die Willkür der Aristokraten kämpfte,
später allerdings auf der Treppe zum Kapitol in Rom gewaltsam zu Tode kam.
Das Werk thematisiert das Schicksal mehrerer miteinander verfeindeter Adels-
familien, die damals in Rom die Herrschaft innehatten. Zwar stellte sich Rienzi
entschlossen gegen den Terror, den die verfeindeten Nobili auf Kosten des Vol-
kes ausübten, aber schließlich erlitt er eine Niederlage. - Auf diese Handlungs-
elemente greift auch Wagner in seiner Oper zurück. Hier versucht der Prota-
gonist Rienzi im Rahmen politischer Konflikte zwischen den verfeindeten
Parteien zu vermitteln: In Rom engagiert er sich für Recht, Freiheit und Frie-
den. Die ihm angebotene Königskrone schlägt er jedoch aus, weil er sich als
Volkstribun versteht. Obwohl er als Rhetor die Massen anzusprechen weiß,
zieht er im Zuge politischer Konflikte und Intrigen den Zorn der Menge auf