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Neymeyr, Barbara; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 1,4): Kommentar zu Nietzsches "Unzeitgemässen Betrachtungen": III. Schopenhauer als Erzieher, IV. Richard Wagner in Bayreuth — Berlin, Boston: de Gruyter, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.69928#0423
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396 Richard Wagner in Bayreuth

ne) Strophe aus Hölderlins Hymne Der Rhein (vgl. NL 1873, 29 [202], KSA 7,
711). Die vorliegende Passage von UB IV WB lässt deutliche Anklänge an diese
kulturgeschichtliche Tradition des Genie-Topos erkennen. Das Grundmodell
dafür bot allerdings bereits Horaz, der in seiner Ode carm. IV, 2 die elementare
Kreativität Pindars mit einem wild vom Gebirge herabstürzenden Strom analo-
gisiert (Vgl. Horaz: Oden und Epoden. Lateinisch und deutsch, 2000 [die dieser
Edition zugrundegelegte Übersetzung von Christian Friedrich Karl Herzlieb
(1760-1794) und Johann Peter Uz (1720-1796) wurde bereits 1787-1791 publi-
ziert].)
[...]
monte decurrens velut amnis, imbres
quem super notas aluere ripas,
fervet inmensusque ruit profundo
Pindarus ore,
laurea donandus Apollinari
seu per audacis nova dithyrambos
verba devolvit numerisque fertur
lege solutis
Wie vom Gebirge der Strom stürzt,
Den Regengüsse über sein Bett anschwellten,
So brauset, so stürmet des unerreichbaren Pindars
Vollströmender Gesang.
Er verdient den Lorbeer Apollos,
Wenn er neue Worte durch kühne Dithyramben
Fortwälzt und in regellosen
Rhythmen dahinrauscht.
439, 4-5 Treue von Bruder zu Schwester, Freund zu Freund, Diener zum Herrn]
Mit der Treue im Verhältnis zwischen Bruder und Schwester sind im Rahmen
von Wagners Opern sowohl Cola und Irene Rienzi (in Rienzi) als auch Sieg-
mund und Sieglinde (in der Walküre) gemeint. Die Aussage über die Freundes-
treue bezieht sich auf König Marke und Tristan (in Tristan und Isolde). Und mit
der Beziehung zwischen Herrn und Diener spielt N. auf Tristan und Kurwenal
an (ebenfalls in Tristan und Isolde).
439, 9-17 Es ist die eigenste Urerfahrung, welche Wagner in sich selbst erlebt [...] -
jene wundervolle Erfahrung und Erkenntniss, dass die eine Sphäre seines Wesens
der anderen treu blieb, aus freier selbstlosester Liebe Treue wahrte, die schöpferi-
sche schuldlose lichtere Sphäre, der dunkelen, unbändigen und tyrannischen.] Wie
N. in UB IV WB betonte später auch Thomas Mann in seiner Rede Leiden und Grö-
 
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