414 Richard Wagner in Bayreuth
chen Welt, zu der wir durch das Denken einen direkten Zugang haben" (KSA 1,
845, 18-27). Gegen diese philosophische Spekulation wendet N. dann unter
Berufung auf Aristoteles Folgendes ein: „Nun hat Aristoteles gegen alle ähnli-
chen Schlußverfahren bereits geltend gemacht, daß die Existenz nie zur Es-
senz, das Dasein nie zum Wesen des Dinges gehöre. Gerade deshalb ist aus
dem Begriffe ,Sein' - dessen essentia eben nur das Sein ist - gar nicht auf eine
existentia des Seins zu schließen" (KSA 1, 845, 27-31).
Zweitens analogisiert N. die Lehre des vorsokratischen griechischen Philo-
sophen Empedokles von Agrigent (ca. 495-435 v. Chr.) mit der Philosophie
Schopenhauers: In der Willensmetaphysik seines Werks Die Welt als Wille und
Vorstellung beschreibt Schopenhauer den Willen als den Urgrund, der die
essentielle Voraussetzung für alle raumzeitlichen Individuationen darstellt.
Empedokles führte die Lehre von den vier Elementen ein, die maßgebliche Be-
deutung für das naturwissenschaftliche Weltbild der Antike bekam, und for-
mulierte Vorstellungen zur Kosmogonie, Kosmologie und Reinkarnation. Die
Einzeldinge sah Empedokles durch konträre Grundprinzipien in einem ewigen
Kreislauf aus dem Urzustand hervorgehen, in dem die vier Elemente noch ge-
mischt sind. - N. selbst plante über Empedokles ein Drama, zu dem Entwürfe
erhalten sind. Und in seiner Schrift Die Philosophie im tragischen Zeitalter der
Griechen erwähnt er das „wunderbare Gedicht des Empedokles" (KSA 1, 811, 3).
Indem N. hier drittens auch Korrespondenzen zwischen der Tragödie des
Aischylos und dem Musikdrama Wagners behauptet, greift er auf Überzeugun-
gen zurück, die er bereits der Geburt der Tragödie eingeschrieben und seither
wiederholt vertreten hat. Als der älteste der drei großen griechischen Tragiker
des 5. Jahrhunderts v. Chr. war der athenische Dramatiker Aischylos (525-456
v. Chr.) nach N.s Auffassung der ,Geburt' der Tragödie in der Antike am nächs-
ten. Aischylos verfasste ca. 80 Stücke, von denen allerdings nur sieben erhal-
ten geblieben sind, darunter Die Perser, Die Orestie und Prometheus. Die Wie-
dergeburt' der Tragödie, die Wagner mit seinen Musikdramen intendiert, sieht
N. in einer Affinität zu Aischylos, weil sich Wagner auf den musikalischen Ur-
sprung der Tragödie aus dem Chorgesang zurückbesinne. Zugleich konstatiert
N. Übereinstimmungen zwischen dem archaisch-erhabenen Stil der Tragödien
des Aischylos und dem pathetisch-erhabenen Gestus der Musikdramen Richard
Wagners, der für Aischylos eine besondere Wertschätzung hegte.
446, 26-29 das sehr relative Wesen aller Zeitbegriffe [...]: beinahe scheint es,
als ob manche Dinge zusammen gehören und die Zeit nur eine Wolke sei, welche
es unseren Augen schwer macht, diese Zusammengehörigkeit zu sehen] N. brach-
te die Vorstellung einer zeitlosen Natur vor allem mit dem Mythos in Ver-
bindung. Im vorliegenden Kontext stellt er zugleich eine Affinität zu der meta-
phorischen Vorstellung vom ,Schleier der Maja' her, die Schopenhauer der
chen Welt, zu der wir durch das Denken einen direkten Zugang haben" (KSA 1,
845, 18-27). Gegen diese philosophische Spekulation wendet N. dann unter
Berufung auf Aristoteles Folgendes ein: „Nun hat Aristoteles gegen alle ähnli-
chen Schlußverfahren bereits geltend gemacht, daß die Existenz nie zur Es-
senz, das Dasein nie zum Wesen des Dinges gehöre. Gerade deshalb ist aus
dem Begriffe ,Sein' - dessen essentia eben nur das Sein ist - gar nicht auf eine
existentia des Seins zu schließen" (KSA 1, 845, 27-31).
Zweitens analogisiert N. die Lehre des vorsokratischen griechischen Philo-
sophen Empedokles von Agrigent (ca. 495-435 v. Chr.) mit der Philosophie
Schopenhauers: In der Willensmetaphysik seines Werks Die Welt als Wille und
Vorstellung beschreibt Schopenhauer den Willen als den Urgrund, der die
essentielle Voraussetzung für alle raumzeitlichen Individuationen darstellt.
Empedokles führte die Lehre von den vier Elementen ein, die maßgebliche Be-
deutung für das naturwissenschaftliche Weltbild der Antike bekam, und for-
mulierte Vorstellungen zur Kosmogonie, Kosmologie und Reinkarnation. Die
Einzeldinge sah Empedokles durch konträre Grundprinzipien in einem ewigen
Kreislauf aus dem Urzustand hervorgehen, in dem die vier Elemente noch ge-
mischt sind. - N. selbst plante über Empedokles ein Drama, zu dem Entwürfe
erhalten sind. Und in seiner Schrift Die Philosophie im tragischen Zeitalter der
Griechen erwähnt er das „wunderbare Gedicht des Empedokles" (KSA 1, 811, 3).
Indem N. hier drittens auch Korrespondenzen zwischen der Tragödie des
Aischylos und dem Musikdrama Wagners behauptet, greift er auf Überzeugun-
gen zurück, die er bereits der Geburt der Tragödie eingeschrieben und seither
wiederholt vertreten hat. Als der älteste der drei großen griechischen Tragiker
des 5. Jahrhunderts v. Chr. war der athenische Dramatiker Aischylos (525-456
v. Chr.) nach N.s Auffassung der ,Geburt' der Tragödie in der Antike am nächs-
ten. Aischylos verfasste ca. 80 Stücke, von denen allerdings nur sieben erhal-
ten geblieben sind, darunter Die Perser, Die Orestie und Prometheus. Die Wie-
dergeburt' der Tragödie, die Wagner mit seinen Musikdramen intendiert, sieht
N. in einer Affinität zu Aischylos, weil sich Wagner auf den musikalischen Ur-
sprung der Tragödie aus dem Chorgesang zurückbesinne. Zugleich konstatiert
N. Übereinstimmungen zwischen dem archaisch-erhabenen Stil der Tragödien
des Aischylos und dem pathetisch-erhabenen Gestus der Musikdramen Richard
Wagners, der für Aischylos eine besondere Wertschätzung hegte.
446, 26-29 das sehr relative Wesen aller Zeitbegriffe [...]: beinahe scheint es,
als ob manche Dinge zusammen gehören und die Zeit nur eine Wolke sei, welche
es unseren Augen schwer macht, diese Zusammengehörigkeit zu sehen] N. brach-
te die Vorstellung einer zeitlosen Natur vor allem mit dem Mythos in Ver-
bindung. Im vorliegenden Kontext stellt er zugleich eine Affinität zu der meta-
phorischen Vorstellung vom ,Schleier der Maja' her, die Schopenhauer der