Stellenkommentar UB IV WB 4, KSA 1, S. 448 421
der Welt als Wille und Vorstellung II erklärt Schopenhauer, als ,Genie' bezeich-
ne man die „überwiegende Fähigkeit zu der [...] Erkenntnißweise, aus welcher
alle ächten Werke der Künste, der Poesie und selbst der Philosophie entsprin-
gen" (WWV II, Kap. 31, Hü 429-430). Die notwendige Voraussetzung für Genia-
lität sieht er „in einem abnormen Uebermaaß des Intellekts", das „auf das All-
gemeine des Daseyns verwendet wird" und so „dem Dienste des ganzen
Menschengeschlechts obliegt" (WWV II, Kap. 31, Hü 431). Zur Thematik der Ge-
nialität bei Schopenhauer vgl. auch NK 358, 29-33 und NK 386, 21-22.
N. problematisiert in UB III SE die Voraussetzungen für die Genese des Ge-
nies in einem sozialen Umfeld, das dem ,Genius' feindlich gegenübersteht und
ihm Hindernisse in den Weg legt, statt seine Entstehung durch günstige Vorbe-
dingungen zu fördern. Über die genialen Individuen schreibt er hier: „Diese
Einzelnen sollen ihr Werk vollenden - [...] und alle, die an der Institution theil-
nehmen, sollen bemüht sein, durch eine fortgesetzte Läuterung und gegensei-
tige Fürsorge, die Geburt des Genius und das Reifwerden seines Werks in sich
und um sich vorzubereiten" (KSA 1, 402, 34 - 403, 5). Von den Geniekonzepten
seiner Frühphase entfernt sich N. dann allerdings bereits in Menschliches, All-
zumenschliches.
448, 4-10 Wagner [...]. Man erwartet von ihm eine Reformation des Theaters:
gesetzt, dieselbe gelänge ihm, was wäre denn damit für jene höhere und ferne
Aufgabe gethan? / Nun, damit wäre der moderne Mensch verändert und refor-
mirt: so nothwendig hängt in unserer neueren Welt eins an dem andern, dass,
wer nur einen Nagel herauszieht, das Gebäude wanken und fallen macht.] Hier
reflektiert N. Wagners Intention auf umfassende Veränderungen in Kunst und
Kultur mit einer Radikalität, die eher an ,Revolution' als an ,Reformation' den-
ken lässt. N. folgt damit den Konzepten Richard Wagners, der in seiner Schrift
Die Kunst und die Revolution (GSD III, 8-41) von 1849 im Hinblick auf die Tra-
gödie erklärt: „Aber eben die Revolution, nicht etwa die Restauration,
kann uns jenes höchste Kunstwerk wiedergeben [...]" (GSD III, 30). An idealisti-
sche Traditionen anschließend, kontrastiert Wagner die moderne Zivilisation
mit dem antiken Griechentum: In der Antike setzt er eine harmonische Einheit
von Individuum und Gesellschaft voraus, in der modernen Zivilisation hinge-
gen deren Verlust sowie einen Antagonismus von privaten und öffentlichen
Interessen. Von einer ,großen Menschheitsrevolution' erhofft sich Wagner die
Überwindung dieser Kluft. Zur Thematik der Revolution und zu den Auswir-
kungen von Wagners revolutionären Aktivitäten auf sein Kunstkonzept vgl.
auch NK 451, 14-18; 475, 10-11; 476, 8-9; 504, 18-21; 504, 27-30; 508, 29-33.
Die Divergenzen zwischen Antike und Moderne betreffen laut Wagner auch
die Sphäre der Kunst: „Zur Zeit ihrer Blüte war die Kunst bei den Griechen
daher konservativ, weil sie dem öffentlichen Bewußtsein als ein gültiger
der Welt als Wille und Vorstellung II erklärt Schopenhauer, als ,Genie' bezeich-
ne man die „überwiegende Fähigkeit zu der [...] Erkenntnißweise, aus welcher
alle ächten Werke der Künste, der Poesie und selbst der Philosophie entsprin-
gen" (WWV II, Kap. 31, Hü 429-430). Die notwendige Voraussetzung für Genia-
lität sieht er „in einem abnormen Uebermaaß des Intellekts", das „auf das All-
gemeine des Daseyns verwendet wird" und so „dem Dienste des ganzen
Menschengeschlechts obliegt" (WWV II, Kap. 31, Hü 431). Zur Thematik der Ge-
nialität bei Schopenhauer vgl. auch NK 358, 29-33 und NK 386, 21-22.
N. problematisiert in UB III SE die Voraussetzungen für die Genese des Ge-
nies in einem sozialen Umfeld, das dem ,Genius' feindlich gegenübersteht und
ihm Hindernisse in den Weg legt, statt seine Entstehung durch günstige Vorbe-
dingungen zu fördern. Über die genialen Individuen schreibt er hier: „Diese
Einzelnen sollen ihr Werk vollenden - [...] und alle, die an der Institution theil-
nehmen, sollen bemüht sein, durch eine fortgesetzte Läuterung und gegensei-
tige Fürsorge, die Geburt des Genius und das Reifwerden seines Werks in sich
und um sich vorzubereiten" (KSA 1, 402, 34 - 403, 5). Von den Geniekonzepten
seiner Frühphase entfernt sich N. dann allerdings bereits in Menschliches, All-
zumenschliches.
448, 4-10 Wagner [...]. Man erwartet von ihm eine Reformation des Theaters:
gesetzt, dieselbe gelänge ihm, was wäre denn damit für jene höhere und ferne
Aufgabe gethan? / Nun, damit wäre der moderne Mensch verändert und refor-
mirt: so nothwendig hängt in unserer neueren Welt eins an dem andern, dass,
wer nur einen Nagel herauszieht, das Gebäude wanken und fallen macht.] Hier
reflektiert N. Wagners Intention auf umfassende Veränderungen in Kunst und
Kultur mit einer Radikalität, die eher an ,Revolution' als an ,Reformation' den-
ken lässt. N. folgt damit den Konzepten Richard Wagners, der in seiner Schrift
Die Kunst und die Revolution (GSD III, 8-41) von 1849 im Hinblick auf die Tra-
gödie erklärt: „Aber eben die Revolution, nicht etwa die Restauration,
kann uns jenes höchste Kunstwerk wiedergeben [...]" (GSD III, 30). An idealisti-
sche Traditionen anschließend, kontrastiert Wagner die moderne Zivilisation
mit dem antiken Griechentum: In der Antike setzt er eine harmonische Einheit
von Individuum und Gesellschaft voraus, in der modernen Zivilisation hinge-
gen deren Verlust sowie einen Antagonismus von privaten und öffentlichen
Interessen. Von einer ,großen Menschheitsrevolution' erhofft sich Wagner die
Überwindung dieser Kluft. Zur Thematik der Revolution und zu den Auswir-
kungen von Wagners revolutionären Aktivitäten auf sein Kunstkonzept vgl.
auch NK 451, 14-18; 475, 10-11; 476, 8-9; 504, 18-21; 504, 27-30; 508, 29-33.
Die Divergenzen zwischen Antike und Moderne betreffen laut Wagner auch
die Sphäre der Kunst: „Zur Zeit ihrer Blüte war die Kunst bei den Griechen
daher konservativ, weil sie dem öffentlichen Bewußtsein als ein gültiger