Stellenkommentar UB IV WB 4, KSA 1, S. 449 425
für den „höchsten Affect" erkennt: „Denn seine extreme Natur sah in allen
andern Zuständen Schwäche und Unwahrheit. Die Gefahr der Affectmalerei ist
für den Künstler ausserordentlich. Das Berauschende, das Sinnliche Ekstati-
sche, das Plötzliche, das Bewegtsein um jeden Preis - schreckliche Tenden-
zen!" (NL 1874, 32 [16], KSA 7, 760). Geradezu vernichtend erscheint N.s Verdikt
über die künstlerische Qualität des Komponisten, die er bereits 1874 auf eine
imitatorische Begabung reduziert: „Was auf Wagner stark wirkte, das wollte
er auch machen. Von seinen Vorbildern verstand er nicht mehr, als er auch
nachmachen könnte. Schauspieler-Natur. [...] / Die Musik ist nicht viel werth,
die Poesie auch <nicht>, das Drama auch nicht, die Schauspielkunst ist oft nur
Rhetorik - aber alles ist im Grossen Eins und auf einer Höhe" (NL 1874, 32 [10],
KSA 7, 756). Vgl. darüber hinaus weitere Belege im Kapitel IV.3 des Überblicks-
kommentars.
449, 18-19 geweihte Zuschauer, die Ergriffenheit von Menschen, welche sich auf
dem Höhepuncte ihres Glücks befinden] In einem Brief an Erwin Rohde schildert
N. bereits am 27. Oktober 1868 die Wirkung, welche Tristan und Isolde sowie
die Ouvertüre zu den Meistersingern von Nürnberg auf ihn gehabt haben: „Ich
bringe es nicht übers Herz, mich dieser Musik gegenüber kritisch kühl zu ver-
halten; jede Faser, jeder Nerv zuckt an mir, und ich habe lange nicht ein sol-
ches andauerndes Gefühl der Entrücktheit gehabt als bei letztgenannter Ouver-
türe" (KSB 2, Nr. 596, S. 332). Zu solchen Gefühlen und N.s Ambivalenz
gegenüber Wagner vgl. das Kapitel IV.3 im Überblickskommentar.
449, 22-25 das Schauspiel aller Schauspiele, den siegreichen Schöpfer eines
Werkes, welches selber der Inbegriff einer Fülle siegreicher Kunst-Thaten ist]
Schon im 1. Kapitel von UB IV WB ist von der „grosse[n] That" Wagners die
Rede (434, 34), und dies sogar in einer Analogie zu den Eroberungszügen
Alexanders des Großen. Wagner selbst verband die Sphäre der Kunst gerne mit
derjenigen der „That". Auffälligerweise bevorzugt N. in der Geburt der Tragödie
Kampf-Metaphern, um Vorgänge im künstlerisch-kulturellen Bereich zu be-
schreiben (vgl. dort vor allem das Ende des 15. und den Anfang des 16. Kapi-
tels). Im vorliegenden Kontext bereitet N. durch die zweimalige Betonung von
Wagners „siegreichen" Aktivitäten eine Ausdifferenzierung der Kampf-Thema-
tik vor (450, 18 - 452, 27).
449, 26-29 Müssen nicht Die, welche hier mithelfen und mitschauen dürfen,
schon verwandelt und erneuert sein, um nun auch fernerhin, in anderen Gebieten
des Lebens, zu verwandeln und zu erneuern?] Bereits in der Geburt der Tragödie
gehört die Idee von der Verwandlung und Erneuerung sowohl der Kunst als
auch des Lebens zu N.s Leitvorstellungen. Und im 1. Kapitel von UB IV WB
spricht er programmatisch von der „neuen Kunst" (433, 24; 433, 31). Maßgebli-
für den „höchsten Affect" erkennt: „Denn seine extreme Natur sah in allen
andern Zuständen Schwäche und Unwahrheit. Die Gefahr der Affectmalerei ist
für den Künstler ausserordentlich. Das Berauschende, das Sinnliche Ekstati-
sche, das Plötzliche, das Bewegtsein um jeden Preis - schreckliche Tenden-
zen!" (NL 1874, 32 [16], KSA 7, 760). Geradezu vernichtend erscheint N.s Verdikt
über die künstlerische Qualität des Komponisten, die er bereits 1874 auf eine
imitatorische Begabung reduziert: „Was auf Wagner stark wirkte, das wollte
er auch machen. Von seinen Vorbildern verstand er nicht mehr, als er auch
nachmachen könnte. Schauspieler-Natur. [...] / Die Musik ist nicht viel werth,
die Poesie auch <nicht>, das Drama auch nicht, die Schauspielkunst ist oft nur
Rhetorik - aber alles ist im Grossen Eins und auf einer Höhe" (NL 1874, 32 [10],
KSA 7, 756). Vgl. darüber hinaus weitere Belege im Kapitel IV.3 des Überblicks-
kommentars.
449, 18-19 geweihte Zuschauer, die Ergriffenheit von Menschen, welche sich auf
dem Höhepuncte ihres Glücks befinden] In einem Brief an Erwin Rohde schildert
N. bereits am 27. Oktober 1868 die Wirkung, welche Tristan und Isolde sowie
die Ouvertüre zu den Meistersingern von Nürnberg auf ihn gehabt haben: „Ich
bringe es nicht übers Herz, mich dieser Musik gegenüber kritisch kühl zu ver-
halten; jede Faser, jeder Nerv zuckt an mir, und ich habe lange nicht ein sol-
ches andauerndes Gefühl der Entrücktheit gehabt als bei letztgenannter Ouver-
türe" (KSB 2, Nr. 596, S. 332). Zu solchen Gefühlen und N.s Ambivalenz
gegenüber Wagner vgl. das Kapitel IV.3 im Überblickskommentar.
449, 22-25 das Schauspiel aller Schauspiele, den siegreichen Schöpfer eines
Werkes, welches selber der Inbegriff einer Fülle siegreicher Kunst-Thaten ist]
Schon im 1. Kapitel von UB IV WB ist von der „grosse[n] That" Wagners die
Rede (434, 34), und dies sogar in einer Analogie zu den Eroberungszügen
Alexanders des Großen. Wagner selbst verband die Sphäre der Kunst gerne mit
derjenigen der „That". Auffälligerweise bevorzugt N. in der Geburt der Tragödie
Kampf-Metaphern, um Vorgänge im künstlerisch-kulturellen Bereich zu be-
schreiben (vgl. dort vor allem das Ende des 15. und den Anfang des 16. Kapi-
tels). Im vorliegenden Kontext bereitet N. durch die zweimalige Betonung von
Wagners „siegreichen" Aktivitäten eine Ausdifferenzierung der Kampf-Thema-
tik vor (450, 18 - 452, 27).
449, 26-29 Müssen nicht Die, welche hier mithelfen und mitschauen dürfen,
schon verwandelt und erneuert sein, um nun auch fernerhin, in anderen Gebieten
des Lebens, zu verwandeln und zu erneuern?] Bereits in der Geburt der Tragödie
gehört die Idee von der Verwandlung und Erneuerung sowohl der Kunst als
auch des Lebens zu N.s Leitvorstellungen. Und im 1. Kapitel von UB IV WB
spricht er programmatisch von der „neuen Kunst" (433, 24; 433, 31). Maßgebli-