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Neymeyr, Barbara; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 1,4): Kommentar zu Nietzsches "Unzeitgemässen Betrachtungen": III. Schopenhauer als Erzieher, IV. Richard Wagner in Bayreuth — Berlin, Boston: de Gruyter, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.69928#0465
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438 Richard Wagner in Bayreuth

24. Kapitel der Geburt der Tragödie (KSA 1, 152, 1 - 153, 14), in der N. ebenfalls
über die Lustdimension reflektiert: „Die Lust, die der tragische Mythus erzeugt,
hat eine gleiche Heimat, wie die lustvolle Empfindung der Dissonanz in der
Musik. Das Dionysische, mit seiner selbst am Schmerz percipirten Urlust, ist
der gemeinsame Geburtsschooss der Musik und des tragischen Mythus"
(KSA 1, 152, 30-34).
5.
454, 5-8 denn immer besteht die Vereinfachung der Welt darin, dass der Blick
des Erkennenden aufs Neue wieder über die ungeheure Fülle und Wüstheit eines
scheinbaren Chaos Herr geworden ist] Für N. ist Wagner „ein Zusammenbildner
und Beseeler des Zusammengebrachten, ein Vereinfacher der Welt" (447,
32-34). Dabei übernimmt N. Einschätzungen, die der Komponist in seinen
theoretischen Schriften formuliert, etwa wenn er erklärt, seine Musik schaffe
von ,innen' her als ,Seele' der Darstellung Einheit und Zusammenhang. Dabei
orientiert sich Wagner an Schopenhauers Musikästhetik. Vgl. dazu auch den
folgenden NK 454, 11-14. Görner sieht bei N. „ein Fragen aus dem Geist Wag-
ners", das sich nach 1872 „in ein kritischeres Befragen des Werkes" verwandle,
um schließlich in ein „radikales Infragestellen von Werk und Person des Kom-
ponisten" überzugehen (Görner 2017, 99).
454, 11-14 ein Verhältniss [...]: zwischen Musik und Leben und ebenfalls
zwischen Musik und Drama. Nicht dass er diese Verhältnisse erfunden oder
erst geschaffen hätte: sie sind da] N. spielt hier auf die Entstehung des Musik-
dramas in der Antike an, die er bereits in der Geburt der Tragödie traktiert. In-
wiefern er aber wichtige Aspekte von Wagners ästhetischer Konzeption adap-
tiert, zeigt seine nachgelassene Abhandlung Das griechische Musikdrama (1870).
Aus den theoretischen Schriften Wagners übernimmt N. das Ideal einer Einheit
aller Künste, die kritische Auseinandersetzung mit traditionellen Formen der
Oper und Überlegungen zur Korrelation von Musik und Drama, in denen die
Musik eine spezifische Funktion für den dramatischen Vorgang erhält. Die Be-
ziehung zwischen den beiden Kunstgattungen Musik und Drama reflektiert
Wagner in seiner umfangreichen Abhandlung Oper und Drama (1851). Prägnant
formuliert er wesentliche Aspekte auch 1860 in seiner Schrift „Zukunftsmusik"
(GSD VII, 87-137).
Wagners Einschätzung der Relation zwischen musikalischen und dramati-
schen Komponenten veränderte sich im Laufe der Zeit fundamental, und zwar
unter dem Einfluss seiner Schopenhauer-Lektüre, die ihn im Hinblick auf das
Verhältnis zwischen Musik und Drama zu einem ästhetischen Paradigmen-
 
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