Stellenkommentar UB IV WB 6, KSA 1, S. 462 459
Sache Glücksäligkeit verleihen könne" (WWV I, Anhang: Kritik der Kantischen
Philosophie, Hü 616). - Dass diese Auffassung bei Schopenhauer stoisch grun-
diert ist (vgl. Neymeyr 2008b, 1141-1164), zeigt auch sein eigener expliziter Hin-
weis auf diese philosophische Tradition. Denn unter Rekurs auf das Erste Buch
der Welt als Wille und Vorstellung I erklärt Schopenhauer in seiner Kritik der
Kantischen Philosophie, er habe dort „auseinandergesetzt, daß [...] die Stoische
Ethik ursprünglich nichts, als eine Anweisung zu einem eigentlich vernünfti-
gen Leben [...] war. Ein solches preiset auch Horatius wiederholentlich an sehr
vielen Stellen. Dahin gehört auch sein Nil admirari" (WWV I, Anhang: Kritik
der Kantischen Philosophie, Hü 616). In den Aphorismen zur Lebensweisheit er-
klärt Schopenhauer: „Erst im spätern Alter erlangt der Mensch ganz eigentlich
das Horazische nil admirari, d. h. die unmittelbare, aufrichtige und feste Ueber-
zeugung von der Eitelkeit aller Dinge und der Hohlheit aller Herrlichkeiten der
Welt: die Chimären sind verschwunden. [...] Dies giebt dem Alten eine beson-
dere Gemüthsruhe" (PP I, Hü 526). Und in den postum publizierten Notaten
Aus Schopenhauer's handschriftlichem Nachlaß erscheint das Prinzip „nil admi-
rari" als eine der „treffliche[n] Regeln zur Lebensweisheit" (Schopenhauer
1864, 445).
Im vorliegenden Kontext von UB IV WB integriert N. den Horazischen Leit-
satz „Nil admirari" in den Zusammenhang der kritischen Epochendiagnose,
die er gegen die seines Erachtens pervertierte Mentalität seiner Zeitgenossen
richtet, und zwar vor allem gegen den Materialismus als „die herrschende
Macht in der Seele der modernen Menschheit" (462, 8) und gegen die omniprä-
sente „Neugierde bei Jedermann" (462, 20). Damit kontrastiert N. das antike
„Nil admirari" als Ausdruck einer von ihm selbst befürworteten Denktradition,
die der banalen Fixierung auf „den Augenblick" die „Sorge für die ewigen
Anliegenheiten" entgegengehalten (462, 10-12) und insofern eine „vornehme"
Gesinnung offenbart habe (462, 25). - Bereits in UB I DS thematisiert N. das
„nil admirari", indem er erklärt: „gerade die Abstumpfung ist jetzt das Ziel
dieser unphilosophischen Bewunderer des nil admirari, wenn sie alles histo-
risch zu begreifen suchen" (KSA 1, 169, 26-28). Vgl. dazu NK 169, 26-28 (zu N.s
kulturkritischer Argumentation mit der Horazischen Maxime „nil admirari").
Später greift N. das Horazische Diktum „Nil admirari" im Text 207 der Mor-
genröthe noch einmal auf und stellt hier zugleich ausdrücklich eine Beziehung
zu Schopenhauer her: „[...] Gar der antike Philosoph! Nil admirari - in diesem
Satze sieht er die Philosophie. Und ein Deutscher, nämlich Schopenhauer, geht
so weit im Gegentheil zu sagen: admirari id est philosophari" (KSA 3, 188, 19-
22). - Obwohl Schopenhauer positiv auf das Horazische Prinzip „Nil admirari"
rekurriert und es in stoischem Sinne ausdrücklich auf die praktische Dimensi-
on bezieht (vgl. WWV I, Anhang: Kritik der Kantischen Philosophie, Hü 616),
Sache Glücksäligkeit verleihen könne" (WWV I, Anhang: Kritik der Kantischen
Philosophie, Hü 616). - Dass diese Auffassung bei Schopenhauer stoisch grun-
diert ist (vgl. Neymeyr 2008b, 1141-1164), zeigt auch sein eigener expliziter Hin-
weis auf diese philosophische Tradition. Denn unter Rekurs auf das Erste Buch
der Welt als Wille und Vorstellung I erklärt Schopenhauer in seiner Kritik der
Kantischen Philosophie, er habe dort „auseinandergesetzt, daß [...] die Stoische
Ethik ursprünglich nichts, als eine Anweisung zu einem eigentlich vernünfti-
gen Leben [...] war. Ein solches preiset auch Horatius wiederholentlich an sehr
vielen Stellen. Dahin gehört auch sein Nil admirari" (WWV I, Anhang: Kritik
der Kantischen Philosophie, Hü 616). In den Aphorismen zur Lebensweisheit er-
klärt Schopenhauer: „Erst im spätern Alter erlangt der Mensch ganz eigentlich
das Horazische nil admirari, d. h. die unmittelbare, aufrichtige und feste Ueber-
zeugung von der Eitelkeit aller Dinge und der Hohlheit aller Herrlichkeiten der
Welt: die Chimären sind verschwunden. [...] Dies giebt dem Alten eine beson-
dere Gemüthsruhe" (PP I, Hü 526). Und in den postum publizierten Notaten
Aus Schopenhauer's handschriftlichem Nachlaß erscheint das Prinzip „nil admi-
rari" als eine der „treffliche[n] Regeln zur Lebensweisheit" (Schopenhauer
1864, 445).
Im vorliegenden Kontext von UB IV WB integriert N. den Horazischen Leit-
satz „Nil admirari" in den Zusammenhang der kritischen Epochendiagnose,
die er gegen die seines Erachtens pervertierte Mentalität seiner Zeitgenossen
richtet, und zwar vor allem gegen den Materialismus als „die herrschende
Macht in der Seele der modernen Menschheit" (462, 8) und gegen die omniprä-
sente „Neugierde bei Jedermann" (462, 20). Damit kontrastiert N. das antike
„Nil admirari" als Ausdruck einer von ihm selbst befürworteten Denktradition,
die der banalen Fixierung auf „den Augenblick" die „Sorge für die ewigen
Anliegenheiten" entgegengehalten (462, 10-12) und insofern eine „vornehme"
Gesinnung offenbart habe (462, 25). - Bereits in UB I DS thematisiert N. das
„nil admirari", indem er erklärt: „gerade die Abstumpfung ist jetzt das Ziel
dieser unphilosophischen Bewunderer des nil admirari, wenn sie alles histo-
risch zu begreifen suchen" (KSA 1, 169, 26-28). Vgl. dazu NK 169, 26-28 (zu N.s
kulturkritischer Argumentation mit der Horazischen Maxime „nil admirari").
Später greift N. das Horazische Diktum „Nil admirari" im Text 207 der Mor-
genröthe noch einmal auf und stellt hier zugleich ausdrücklich eine Beziehung
zu Schopenhauer her: „[...] Gar der antike Philosoph! Nil admirari - in diesem
Satze sieht er die Philosophie. Und ein Deutscher, nämlich Schopenhauer, geht
so weit im Gegentheil zu sagen: admirari id est philosophari" (KSA 3, 188, 19-
22). - Obwohl Schopenhauer positiv auf das Horazische Prinzip „Nil admirari"
rekurriert und es in stoischem Sinne ausdrücklich auf die praktische Dimensi-
on bezieht (vgl. WWV I, Anhang: Kritik der Kantischen Philosophie, Hü 616),