Stellenkommentar UB IV WB 9, KSA 1, S. 492-493 539
auf Strauß' Schrift Der alte und der neue Glaube. Ein Bekenntniß hinwies, folgte
er damit seinem fortgesetzten Rachebedürfnis gegen Strauß, für das er nun
auch N. zu instrumentalisieren suchte. Damit gab Wagner N. den Initialimpuls
für die Konzeption seiner Polemik in UB I DS. (Weitere Hintergründe erläutert
das Kapitel I.1 im Überblickskommentar zu UB I DS.)
492, 18-23 Um den grossen geschwungenen Bogen einer Leidenschaft wieder-
zugeben, fand er wirklich ein neues Mittel: er nahm einzelne Puncte ihrer Flug-
bahn heraus und deutete sie mit der grössten Bestimmtheit an, um aus ihnen
dann die ganze Linie durch den Zuhörer errathen zu lassen.] Anstelle einer
durchgehenden dynamischen Bewegung lassen Beethovens spätere Werke oft
einen hart pointierenden und abrupten Duktus erkennen. Vgl. auch NK 492, 3-
9 und NK 492, 17.
493, 8-13 Gerade aber die Forderung, dass man etwas ganz Bestimmtes zu sa-
gen habe und dass man es auf das Deutlichste sage, wird um so unerlässlicher, je
höher, schwieriger und anspruchsvoller eine Gattung ist. / Deshalb war Wagner's
ganzes Ringen darauf aus, alle Mittel zu finden, welche der Deutlichkeit die-
nen] Bereits in einer früheren Textpartie von UB IV WB betont N. im Hinblick
auf Wagners Konzept eines gattungsübergreifenden Gesamtkunstwerks die Ab-
sicht der „gewaltigste[n] Musiker-Natur", über die Musik hinaus „den Zugang
zu den anderen Künsten" zu öffnen, „um so endlich mit hundertfacher Deut-
lichkeit sich mitzutheilen und sich Verständniss [...] zu erzwingen" (468, 3-7).
Mit seiner Einschätzung schließt N. an die Selbstdarstellung Richard Wagners
an, der sich in seiner Schrift Eine Mittheilung an meine Freunde (1851) folgen-
dermaßen äußert: „[...] Auch nach dieser Richtung hin leitete mich aber immer
nur ein Trieb, nämlich, das von mir Erschaute so deutlich und verständlich
wie möglich der Anschauung Anderer mitzutheilen; und immer war es auch
hier nur der Stoff, der mich in allen Richtungen hin für die Form bestimmte.
Höchste Deutlichkeit war in der Ausführung somit mein Hauptbestreben, und
zwar [...] die unendlich reiche und mannigfaltige, in der sich einzig ein umfas-
sender, weithin beziehungsvoller Inhalt verständlich darstellt, was aber ober-
flächlich und an Inhaltsloses Gewöhnten allerdings oft geradesweges unklar
vorkommen muß. - " (GSD IV, 300.)
Die Intention des Komponisten auf maximale „Deutlichkeit" korrespon-
diert zugleich mit gattungsübergreifenden Wertungskriterien Schopenhauers,
die auch seine Musikästhetik bestimmen: Als „überaus herrliche Kunst" wirkt
die Musik „so mächtig auf das Innerste des Menschen, wird dort so ganz und
so tief von ihm verstanden, als eine ganz allgemeine Sprache, deren Deutlich-
keit sogar die der anschaulichen Welt selbst übertrifft" (WWV I, § 52, Hü 302). -
Auch im Bereich der Literatur betont Schopenhauer die Relevanz der Deutlich-
auf Strauß' Schrift Der alte und der neue Glaube. Ein Bekenntniß hinwies, folgte
er damit seinem fortgesetzten Rachebedürfnis gegen Strauß, für das er nun
auch N. zu instrumentalisieren suchte. Damit gab Wagner N. den Initialimpuls
für die Konzeption seiner Polemik in UB I DS. (Weitere Hintergründe erläutert
das Kapitel I.1 im Überblickskommentar zu UB I DS.)
492, 18-23 Um den grossen geschwungenen Bogen einer Leidenschaft wieder-
zugeben, fand er wirklich ein neues Mittel: er nahm einzelne Puncte ihrer Flug-
bahn heraus und deutete sie mit der grössten Bestimmtheit an, um aus ihnen
dann die ganze Linie durch den Zuhörer errathen zu lassen.] Anstelle einer
durchgehenden dynamischen Bewegung lassen Beethovens spätere Werke oft
einen hart pointierenden und abrupten Duktus erkennen. Vgl. auch NK 492, 3-
9 und NK 492, 17.
493, 8-13 Gerade aber die Forderung, dass man etwas ganz Bestimmtes zu sa-
gen habe und dass man es auf das Deutlichste sage, wird um so unerlässlicher, je
höher, schwieriger und anspruchsvoller eine Gattung ist. / Deshalb war Wagner's
ganzes Ringen darauf aus, alle Mittel zu finden, welche der Deutlichkeit die-
nen] Bereits in einer früheren Textpartie von UB IV WB betont N. im Hinblick
auf Wagners Konzept eines gattungsübergreifenden Gesamtkunstwerks die Ab-
sicht der „gewaltigste[n] Musiker-Natur", über die Musik hinaus „den Zugang
zu den anderen Künsten" zu öffnen, „um so endlich mit hundertfacher Deut-
lichkeit sich mitzutheilen und sich Verständniss [...] zu erzwingen" (468, 3-7).
Mit seiner Einschätzung schließt N. an die Selbstdarstellung Richard Wagners
an, der sich in seiner Schrift Eine Mittheilung an meine Freunde (1851) folgen-
dermaßen äußert: „[...] Auch nach dieser Richtung hin leitete mich aber immer
nur ein Trieb, nämlich, das von mir Erschaute so deutlich und verständlich
wie möglich der Anschauung Anderer mitzutheilen; und immer war es auch
hier nur der Stoff, der mich in allen Richtungen hin für die Form bestimmte.
Höchste Deutlichkeit war in der Ausführung somit mein Hauptbestreben, und
zwar [...] die unendlich reiche und mannigfaltige, in der sich einzig ein umfas-
sender, weithin beziehungsvoller Inhalt verständlich darstellt, was aber ober-
flächlich und an Inhaltsloses Gewöhnten allerdings oft geradesweges unklar
vorkommen muß. - " (GSD IV, 300.)
Die Intention des Komponisten auf maximale „Deutlichkeit" korrespon-
diert zugleich mit gattungsübergreifenden Wertungskriterien Schopenhauers,
die auch seine Musikästhetik bestimmen: Als „überaus herrliche Kunst" wirkt
die Musik „so mächtig auf das Innerste des Menschen, wird dort so ganz und
so tief von ihm verstanden, als eine ganz allgemeine Sprache, deren Deutlich-
keit sogar die der anschaulichen Welt selbst übertrifft" (WWV I, § 52, Hü 302). -
Auch im Bereich der Literatur betont Schopenhauer die Relevanz der Deutlich-